Protocol of the Session on October 8, 2008

(Zuruf von der CDU: Weshalb „lei- der“? - Zuruf: Ronald, der Hammer!)

Herr Kollege Schminke, wir beide sind aktive Gewerkschafter. Als Gewerkschafterin kann ich deine Rede voll unterstreichen. Sie war hervorragend.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bedauere aber, dass sie in vielen Punkten - ich sage es einmal vorsichtig - an der realen Politik der SPD vorbeigeht.

(Beifall bei der LINKEN - Aha! bei der CDU)

Das können wir aber vielleicht ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit genug der Vorbemerkungen.

Beim Thema Leiharbeit wie auch bei den Themen Mindestlohn und Managergehälter geht es im Kern stets um die Frage: Wie gerecht soll unsere Gesellschaft sein? Welche Auffassungen dazu einige auf der rechten Seite dieses Hauses und insbesondere Herr Höttcher haben, haben wir eben schon gehört. Wie beim Mindestlohn und bei den Managergehältern stellen wir auch bei Leiharbeit das Problem der Gerechtigkeitslücke fest.

(Beifall bei der LINKEN)

Von Herrn Schminke wurde schon gesagt, dass die Leiharbeitsbranche besorgniserregend boomt. Mittlerweile arbeiten fast 800 000 Menschen in Leiharbeit. Leiharbeit - das kann man nicht schönreden - ist Lohndumping.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Firmen haben sehr schnell erkannt, dass von Leiharbeit, auch wenn nur eine geringe Anzahl von Zeitarbeitnehmern beschäftigt ist, eine disziplinierende Wirkung auf die Stammbelegschaft ausgeht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Leiharbeiter sind für die Unternehmen weitaus billiger. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist heute zu Beginn des 21. Jahrhunderts für Hunderttausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland nur noch ein frommer Wunsch. Wir Linke wollen, dass die Verwirklichung des Sozialstaatsgebotes endlich wieder ernst genommen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Für uns ist auch die massive Aushebelung von Arbeitnehmerrechten nicht hinnehmbar.

In so manchen Unternehmen machen Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter heute bereits einen Großteil der Belegschaft aus. Leiharbeit wird oft nicht mehr dazu genutzt, Auftragsspitzen abzufedern. Vielmehr werden bestehende reguläre Arbeitsplätze durch Leiharbeitsplätze ersetzt, und zwar vor allem deshalb, um Personalkosten zu sparen.

Angesichts des Lohndumpings macht sich vielerorts Unsicherheit in den Betrieben breit. Die Angst, den Job zu verlieren, frisst sich in die Belegschaften und kann auch die Kampfkraft in Tarifkonflikten hemmen. Denn wenn bis zu 60 % Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in der Produktion beschäftigt sind, ist die Belegschaft in der Regel nicht mehr streikfähig und kann ihre Rechte nicht mehr durchsetzen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Leiharbeit, befristete Beschäftigung sowie Minijobs für viele Menschen das Sprungbrett in ein normales Arbeitsverhältnis seien. Dem kann ich allerdings nicht zustimmen. Wir erleben doch täglich das Gegenteil.

(Glocke der Präsidentin)

Abertausende von Menschen erleben das Gegenteil. Untersuchungen haben ergeben, dass gerade gering qualifizierte Beschäftigte bei Leiharbeit selten in Betrieben übernommen werden.

Wir sind dagegen, dass Leiharbeit missbraucht wird, um Löhne zu senken und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Wir fordern daher, dass es für gleiche Arbeit den gleichen Lohn geben muss und der Einsatz von Leiharbeitern beschränkt werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Gewerkschaften dafür einsetzen, Leiharbeit gesetzlich zu regulieren, und wir unterstützen deren Kampagne. Die Linke kämpft dafür, die ursprünglichen Schutzregeln in der Leiharbeit wieder einzuführen, die mit den Hartz-Gesetzen abgeschafft wurden.

(Beifall bei der LINKEN)

Darauf lege ich Wert. Hören Sie mir hierbei bitte gut zu! Wir wollen, dass es Leiharbeitsagenturen verboten wird, die Beschäftigungszeit der Leiharbeitnehmer an die Entleihdauer im Entleihbetrieb anzupassen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich muss zum Schluss kommen. Lassen Sie mich noch zwei Sätze zum Abschluss sagen. Auch der DGB war - und dies aufgrund der Konkurrenz der arbeitgeberfreundlichen sogenannten christlichen Gewerkschaften - nicht in der Lage, einen Tarifabschluss durchzusetzen, der oberhalb der Mindestforderung der Gewerkschaften lag. Man muss verhindern, dass es bei dieser Situation bleibt.

Ich fasse zusammen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Der Lohn soll mindestens 8 Euro betragen. Begrenzung der Einsatzdauer in Unternehmen auf sechs Monate.

Zum Abschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD - - -

Nein, das können Sie jetzt nicht mehr ausführen. Sie haben die Zeit schon überschritten. Einen letzten Satz noch!

Schade. Einen letzten Satz noch?

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Antrag ist in vielen Punkten zu unterstützen. Ich hoffe, Sie können Ihre Kollegen im Bund davon überzeugen, Ihnen zu folgen. Dann haben wir bald andere Arbeitsbedingungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Hagenah das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diesen kleinen Ausschnitt aus den in der Großen Koalition im Bund vermutlich ähnlich ablaufenden Diskussionen über so wichtige Themen wie Mindestlohn und Leiharbeit fand ich ganz spannend. Mit welcher Konsequenz Sie, Herr Höttcher, sämtliche negativen Auswüchse in diesem Bereich, die von Herrn Schminke sehr gut dargelegt wurden, ausblenden und sich auf diese Art und Weise Ihr Weltbild formen, das war schon beeindruckend. Ich hoffe, dass Ihre Fraktion Ihren Gedankengängen nicht folgt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der SPD-Antrag findet unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der LINKEN)

Entsprechende Änderungen der Leiharbeitsregelungen werden von der Bundestagsfraktion der Grünen schon seit Längerem eingefordert. Es gibt bei der Leiharbeit inzwischen tatsächlich Auswüchse, denen im Sinne der sozialen Marktwirtschaft dringend Grenzen gesetzt werden müssen. Das sollte auch die CDU bedenken.

Seit fünf Jahren wirkt das reformierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Ziel der Änderungen war zum einen, in Konjunkturhochzeiten Unternehmen einen raschen Zugriff auf Mitarbeiter zu ermöglichen. Das hat geklappt. Zum anderen sollte das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz insbesondere Arbeitslosen den Weg zurück in die Arbeits

welt ebnen. Auch das ist weitgehend erfolgreich gelaufen. Das sind zwei sehr gute Gründe, an dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und der Leiharbeit festzuhalten.

Fakt ist aber auch, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in Teilen missbraucht wird. Darum allein geht es bei diesem Antrag. Zunehmend wird Zeitarbeit dazu genutzt, Löhne zu drücken, Stammbelegschaften zu ersetzen und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Wenn Unternehmen dazu übergehen, Zeitarbeitsfirmen als Tochterunternehmen zu gründen, und ihren festen Mitarbeitern kündigen, mit dem Ziel, den gleichen Arbeitsplatz mit einem Leiharbeiter zu besetzen, der schlechter bezahlt wird, weniger Urlaub erhält und weniger Sozialabsicherung bekommt, dann halten wir das für ein besonders perfides Spiel mit einem eigentlich guten Gesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Dass zu diesen Negativbeispielen auch honorige Zeitungsverlage gehören, hat mich besonders betroffen gemacht und unterstreicht den Handlungsbedarf.

Jeder zehnte Arbeitnehmer, der trotz Vollbeschäftigung ALG II beantragt, ist Leiharbeiter. Damit stellen Leiharbeiter einen großen Anteil der Aufstocker. Mit Lohnunterschieden zur Stammbelegschaft von 30 bis 50 % müssen sich Leiharbeiter zufriedengeben. Für uns Grüne sind das skandalöse Zustände. Es macht deshalb Sinn, eine maximale Dauer von Leiharbeit gesetzlich festzusetzen und die Anpassung des Einkommens der Leiharbeiter an die Bestandslöhne spätestens nach einer kurzen Übergangszeit vorzuschreiben - nicht unbedingt in jedem Fall sofort; aber das beinhaltet der Antrag ja auch.

Mit inzwischen gut 2 % der Beschäftigten ist die Zeitarbeitsbranche ein wichtiger Baustein im Arbeitsmarkt, der aber ebenso allgemeingültige Sozialstandards und einen Mindestlohn braucht wie alle anderen Branchen. Es ist ein erneutes Zeichen der immer deutlicher zutage tretenden Handlungsunfähigkeit der Großen Koalition im Bund besonders in sozialen Fragen, dass die SPD sich angesichts dieses augenscheinlichen Korrekturbedarfes nicht mit dem Koalitionspartner CDU/CSU im Bund verständigen kann, sondern den Umweg über die Bundesländer und den Bundesrat suchen muss.

Die Vorschläge sind mitnichten arbeitgeberfeindlich, wie Herr Höttcher hier fälschlicherweise behauptet. Ganz im Gegenteil wären seriöse Arbeitgeber geradezu erleichtert, wenn der freie Fall der Löhne in der Zeitarbeitsbranche gestoppt würde.