Protocol of the Session on December 6, 2012

Entscheidend, meine Damen und Herren, ist das Risiko. Wenn nach Jahren rückwirkend ein vermeintlicher Werkvertrag zum Arbeitnehmerüberlassungsvertrag umgedeutet wird, liegt dieses

Risiko voll beim Auftragnehmer und Auftraggeber. Dieses Risiko ist unkalkulierbar und würde jeden finanziellen Vorteil schnell aufzehren. Die Folgen des Vorliegens einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung wäre nämlich die Unwirksamkeit des Vertragsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Verleiher. Gleiches gilt für das Vertragsverhältnis zischen dem Verleiher und dem betroffenen Arbeitnehmer.

Stattdessen wird gesetzlich ein Arbeitsvertragsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer begründet. Das hat zur Folge, dass der Entleiher entgegen seinem Willen nicht nur einen neuen Mitarbeiter mit allen arbeitsrechtlichen Konsequenzen hinzugewinnt, sondern auch als Arbeitgeber für die Erbringung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge haftet.

Wir haben es hier mit einem sehr durchstrukturierten, aufwendigen Rechtsgebiet zu tun. Allein die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zur Anwendung des geltenden Rechts umfasst 88 Seiten.

Ich habe nach Beispielen für Abgrenzungsprobleme aus dem täglichen Leben gesucht. Ich glaube, Sie machen Ihre Wahlkampagne ohne Agentur, mit Selbsterstellung.

Bei der SPD habe ich gesehen, dass sie eine Agentur beauftragt hat. Wenn man die Kriterien heranzieht, wie Sie sie in Ihrem Gesetz angelegt haben, auf die von Ihnen beauftragte Agentur anwendet, ist z. B. zu prüfen: Von einem Scheinwerkvertrag ist auszugehen, wenn Weisungen des Arbeitgebers vorliegen, wenn der entsendende Arbeitgeber nicht für Ergebnisse der Tätigkeit haftet und womöglich eine nach Zeiteinheiten bemessene Vergütung vereinbart ist. Dann liegt ein Scheinwerkvertrag vor. Ich kenne Ihre Verträge nicht. Aber ich glaube, man könnte an ihnen schon fast nachweisen, dass auch dort Scheinwerkverträge vorliegen.

Sie versteigen sich darüber hinaus in Ihrem Antrag dazu, Werkverträge insgesamt infrage zu stellen, und verkennen dabei, dass die Möglichkeit, Fachfirmen zu beauftragen, das Wesen einer arbeitsteiligen Wirtschaft schlechthin ist.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Aber nicht innerhalb des eigenen Betriebs!)

Beispielsweise ein Fertighausanbieter, Herr Adler, muss doch nicht vom Aushub der Baugrube bis zum Einräumen der Möbel alle Gewerke selbst erledigen können.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Natür- lich nicht!)

Das wollen wir nicht. Jeder soll das machen, was er am besten kann. Sogar für echte, anerkannte Werkverträge fordern Sie Rechtsfolgen und unterscheiden nach unbestimmten Kriterien in gute und in schlechte Werkverträge: Gelegentliche Reparaturarbeiten - was auch immer das sein mag - sind noch geduldet, der Rest muss Ihnen zufolge reguliert werden. Am Ende schrecken Sie auch nicht vor Beschränkungen der grundgesetzlich geschützten Privatautonomie und der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zurück. Einem Unternehmen steht es grundsätzlich frei zu entscheiden, ob es innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen Arbeiten selbst ausführt oder damit Dritte beauftragt.

Die Politik ist nicht der bessere Unternehmer, und Sie sind es schon gar nicht.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Aber wir haben einen Sozialstaat! Vielleicht sollten Sie einmal auch das überden- ken!)

Ich bin über die Positionierung von SPD und Grünen an der Seite der Linken erschrocken. Wir werden diesen Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat sich der Kollege Lies für die SPDFraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Lies.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde den Vergleich ziemlich abstrus. Wir reden über Menschen in unserem Land, die von niedrigen Löhnen betroffen sind, die für 4 oder 5 Euro je Stunde arbeiten, zum Teil auch für 6 oder 7 Euro je Stunde, deren Arbeitssituation nicht so ist, dass sie sozialversicherungspflichtig in einem Betrieb beschäftigt sind, sodass für sie auch nicht die ganz normalen Regeln der Arbeit gelten, die also nicht die Arbeitnehmerrechte haben. Vielmehr werden sie ausgebeutet.

Und dann kommen Sie hier mit einem solchen Vergleich, dass auch die SPD eine Agentur beschäftigt. Sie wissen doch selbst, dass die Arbeits

bedingungen in Agenturen nichts mit der Problematik zu tun haben, über die wir hier reden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich finde, da muss man sachlich bleiben. Sie reden doch an der Realität vorbei! Das macht Ihre Politik aus! Ihre Politik ist davon gekennzeichnet, dass Sie abstruse Beispiele dafür nennen, warum alles so in Ordnung ist, wie es ist.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Ist es doch nicht!)

- Genau! Ist es eben nicht! Vielen Dank für den Hinweis. Genau das ist das Problem! Deshalb brauchen wir anständige Regelungen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich will noch einmal auf diesen Hinweis eingehen - ich habe das schon gestern gesagt -, auf die Debatte, die Freiheit des Unternehmers ganz voranzustellen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Sie ist grundge- setzlich geschützt!)

Ich glaube, dass das Umdenken in der Gesellschaft dahin gehend erfolgen muss, dass Arbeitnehmerrechte - damit verbunden auch die Bürgerrechte - ganz oben anstehen müssen. Sie müssen ganz klar vor der Freiheit des Unternehmers kommen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Wir müssen in unserer Gesellschaft erleben, dass das Instrument der Werkverträge nicht dazu führt, dass die Unternehmerfreiheit im klassischen Sinne genutzt wird - dagegen hat doch niemand etwas -, sondern dass es ausgenutzt wird - ob in der Frage der Schlachthöfe, die wir gestern sehr intensiv diskutiert haben, ob in der Frage des Einzelhandels, wo inzwischen kaum noch einer der Beschäftigten beim Unternehmen selbst beschäftigt ist.

Ich habe das gestern skizziert - ich will das gerne wiederholen -: Unternehmen werben dafür und bieten an: Stellen Sie doch für den Auftrag nicht selber Leute ein! Wir, das Unternehmen 4U @work, erfüllen Ihren Bedarf ganz nach Ihren Wünschen, ob im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung oder in Form eines Werkvertrages! - Dazu muss man ganz klar sagen: Es gibt keine Alternative! Deswegen bedarf es einer grundsätzlichen gesetzlichen Regelung. Es muss klar sein, was Arbeitnehmerüberlassung ist und was Arbeitneh

merüberlassung nicht ist und in Form von Werkverträgen geregelt werden darf. Das ist doch unsere Forderung!

(Beifall bei der SPD)

Darin unterscheiden wir uns etwas; denn Ihre Vorstellung ist, dass das entsprechend gesetzlich geregelt sei. Das ist ein Irrtum. Nicht ohne Grund erwähnen Sie, dass über 80 Seiten bei der Agentur vorliegen. - Weil es keine klare Regelung gibt!

Weil wir eine vernünftige und saubere Abgrenzung brauchen, ist dieser Antrag auf den Tisch gekommen, der deutlich macht, welche Probleme es gibt, der deutlich beschreibt, welchen Handlungsbedarf es gibt. An dieser Stelle muss ein deutliches Signal ausgesandt werden. Das wird geschehen, weil alle drei Oppositionsparteien zustimmen. Ich glaube, das ist ein deutliches Signal, das wir aussenden.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN und Zustimmung von Enno Ha- genah [GRÜNE])

Die Punkte sind genannt worden. Wir haben das Problem im Bereich der Transparenz. Mir ist immer noch nicht klar, warum CDU und FDP im Bundestag die Transparenzforderung abgelehnt haben. Warum scheuen Sie sich davor, dass öffentlich wird, wo in unserem Land Menschen in Werkverträgen arbeiten? Was haben Sie denn dagegen? Erklären Sie mir in Ihrer Antwort, worin Ihr Problem liegt, wenn offenbar wird, was auf dem Markt wirklich los ist! Dann wird nämlich klar, dass die Themen Ausbeutung und Missbrauch ganz vorne anstehen. Ich finde, wenn die Themen Ausbeutung und Missbrauch ganz vorn anstehen, dann ist das für uns Argument, dafür zu sorgen, dass endlich Transparenz herkommt. Wir wollen wissen, was los ist. Wir wissen, welche Probleme da sind. Aber wir wollen auch die gesamte Transparenz haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Gerade bei der Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung - Sie haben es ja angesprochen - muss man sich wirklich fragen, was eigentlich passiert ist. Schon 1975 gab es einen Referentenentwurf im BMAS. Da gab es schon die Diskussion, dass die Abgrenzung fehlt. Es ist erschreckend, dass hier seitdem nichts passiert ist. Aber ich finde, der Bedarf, es zu regeln, ist heute größer denn je.

Die anderen Punkte, die im Antrag aufgeführt sind, sprechen, glaube ich, für sich.

Ich erwarte immer noch eine Erklärung, warum sich diese Landesregierung und ganz vorn weg dieser Wirtschaftsminister dagegen gewehrt haben, dass es eine Beratungsstelle des DGB gibt. Erklären Sie mir doch einmal, warum wir Menschen, die aus dem europäischen Ausland in unser Land kommen, die zum Teil die Sprache nicht sprechen, verweigern wollen, dass es eine offizielle Stelle gibt, bei der sie sich informieren und beraten lassen können. Darauf hätte ich gern einmal eine Antwort.

Das ist der Beweis dafür, dass Ihnen die Interessen dieser Menschen egal sind, und darum ist es gut, wenn es heute eine Zustimmung zu diesem Antrag gibt, und darum ist es gut, wenn es am 20. Januar auch den Regierungswechsel gibt.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Zu dem Beitrag des Kollegen Lies hat sich Kollege Bley von der CDU-Fraktion zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten, Herr Kollege.

Herr Präsident! Lieber und geschätzter Kollege Lies, 4 oder 5 Euro sind mit Sicherheit eine Angelegenheit, die wir alle nicht gut finden.

Weswegen hat eigentlich Ihre Bundestagsfraktion diesem Thema, für das Sie sich so einsetzen, nicht zugestimmt? - Es wäre vielleicht sinnvoll, dass wir das noch wüssten.

Eine gesetzliche Regelung wird von Ihnen gefordert. Ich bin der Meinung, wir haben genügend Gesetze. Sie müssten nur alle einhalten werden.

(Lachen bei der SPD)

Der Antrag der Linken stellt die Zeit- und Werkverträge generell infrage. Das wollen wir nicht. Wir wissen, dass das wichtige Instrumente sind. Wir haben hier - wenn Sie zugehört haben, werden Sie das wissen - in sehr fundierter Weise von unserem Kollegen Jörg Hillmer gehört, wie die Sach- und Rechtslage ist. Das sollten Sie sich einmal durchlesen. Er hat sich intensiv damit beschäftigt. Das sollten Sie auch tun.

(Lachen bei der SPD)