Protocol of the Session on September 28, 2012

Erstens möchte ich etwas zu der Frage der Berücksichtigung des Familienzuschlags rückwirkend für die Zeit von 2001 bis 2009 sagen. Da, Herr Limburg, zitieren Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts falsch - ich vermute fast, dass Sie das bewusst gemacht haben -; denn mit der Frage, ob der Familienzuschlag auch rückwirkend zu gewähren ist, hat sich das Verfassungsgericht ausdrücklich beschäftigt. Es hat ausgeführt, dass das nur dann der Fall sein kann, wenn entsprechende Anträge gestellt und verfolgt worden sind. In den Fällen, in denen die Lebenspartner das nicht beantragt haben, besteht kein Gebot, das rückwirkend zu gewähren. Das ist auch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz: Wenn ein Kläger eine für sich günstige Rechtslage erstreitet, dann profitiert davon der Kläger und nicht auch alle an

deren, die möglicherweise von dem gleichen Sachverhalt betroffen sind, aber nicht den Rechtsweg beschritten haben.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Der zweite Punkt betrifft die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen. Ich teile Ihre Auffassung, dass es nicht Sache des Staates ist, vorzugeben oder zu kontrollieren, wie Partner ihr Sexualleben gestalten, solange keine Minderjährigen beteiligt sind, keine Abhängigkeiten ausgenutzt werden oder andere Straftaten in diesem Zusammenhang begangen werden. Ansonsten besteht natürlich keinerlei Kontrollmöglichkeit und keinerlei Kontrollrecht des Staates. Ausgehend hiervon ist es aus heutiger Sicht natürlich ein Unrecht gewesen, dass die Homosexualität so lange bestraft worden ist. Ich habe auch kein Problem damit, zum Ausdruck zu bringen, dass diese Verurteilungen ein Unrecht waren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der dritte Punkt betrifft die Frage der Volladoption durch gleichgeschlechtliche Partner. Darauf ist eingegangen worden, nur ich ziehe daraus andere Schlüsse. Es kommt nicht darauf an, was die Adoptionswilligen möchten, sondern es kommt darauf an, was für das Kind gut ist.

(Zustimmung bei der CDU - Ja! bei der SPD)

Ich finde es deshalb auch legitim, dass man sich dieser Fragestellung annimmt. In der Tat hat in diesem Zusammenhang der Justizminister seine Meinung bzw. die Befürchtung geäußert, dass es sein könnte, dass ein adoptiertes Kind in einem solchen Fall stigmatisiert oder gemobbt werden könnte. Das ist ein völlig legitimer Diskussionsbeitrag in einem laufenden Prozess. Das ist ein Gesichtspunkt, den ich für beachtenswert halte. Ich persönlich kann für mich heute an diesem Rednerpult nicht die Frage nicht beantworten, ob diese Befürchtung berechtigt ist oder nicht. Für mich steht nur eines fest: Die Frage der Stiefkindadoption hat damit überhaupt nichts zu tun. Denn bei einer Stiefkindadoption ist ein Elternteil der leibliche Elternteil. Das ist mit der Situation der Adoption in einer Lebenspartnerschaft überhaupt nicht vergleichbar.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, letzte Bemerkung: Die Anträge sind sehr umfangreich. Sie werfen viele Rechtsfragen und gesellschaftspolitische und soziale Fragen auf. Es wird sicherlich ausführliche Erörterungen in den Ausschüssen dazu geben müssen. Aber wir wissen auch, zu welchem Zeitpunkt dieser Antrag eingebracht worden ist. Auch die Antragsteller werden wissen, dass es schwierig sein wird, die Beratungen bis zum Ende der Legislaturperiode abzuschließen. Wir als CDU-Fraktion werden uns diesen Themen im Ausschuss ergebnisoffen zuwenden.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Biester. - Es liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen auf Ihren Redebeitrag vor. Zunächst hat Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE für anderthalb Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ja ein klein wenig versöhnt, Herr Kollege Biester, weil Sie zum Schluss das Wort „ergebnisoffen“ gesagt haben. Aber was Sie am Anfang gesagt haben,

(Zuruf von der SPD: War harter To- bak!)

überzeugt mich überhaupt nicht. Natürlich wünschen wir alle uns, dass Kinder geboren werden. Aber stellen Sie sich bitte einmal folgende Fälle vor: Ein verheiratetes Paar hat einen Kinderwunsch, aber aus irgendwelchen Gründen, die wir hier nicht erörtern müssen, klappt es nicht. Dann will sich dieses verheiratete Paar seinen Kinderwunsch erfüllen, indem es Kinder adoptiert. In einem anderen Fall möchte ein verpartnertes Paar von zwei Männern, das aus biologischen Gründen keine eigenen Kinder bekommen kann, auch gerne zusammen ein Kind adoptieren, darf es aber nicht. Können Sie mir das erklären?

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Limburg hat ebenfalls anderthalb Minuten.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Kollege Dr. Biester, zum Familienzuschlag habe ich das

Urteil des Bundesverfassungsgerichts in keiner anderen Weise zitiert als Sie. Natürlich gilt diese Entscheidung aus Hessen für den konkreten Einzelfall, aber die Entscheidung hat natürlich auch nahegelegt, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Gleichbehandlung ab dem Jahr 2001 angemessen wäre. Sie haben völlig recht: Das Land Niedersachsen ist nicht verpflichtet, das in den Fällen, in denen kein Widerspruch eingelegt worden ist, zu gewähren. Aber es ist Ihnen auch nicht verboten. Deshalb sollten Sie es tun, gerade aus Respekt vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber zur wichtigeren Frage, dem Kindeswohl bei Volladoption. Herr Kollege Adler hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass das Kindeswohl bei Adoptionen natürlich die erste Rolle spielt. Darum geht es, das ist die entscheidende Frage bei Adoption. Es geht nicht um den Kinderwunsch der Eltern, sondern das Kindeswohl steht im Mittelpunkt. Das muss immer geprüft werden. Aber das muss doch für heterosexuelle genauso geprüft werden wie für homosexuelle Partner, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ihre Argumentation, dass zu befürchten ist, dass solche Kinder diffamiert und diskriminiert werden, gibt letztendlich alle Macht den Diskriminierern und den Diffamierern. Stattdessen müssten Sie mit uns gemeinsam für eine Gesellschaft eintreten, in der es eben kein Stigma ist, in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft aufzuwachsen. Das müsste der Anspruch sein, anstatt vor Diskriminierung vorbeugend einzuknicken.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Dr. Biester möchte antworten. Auch Sie haben 90 Sekunden.

Frau Präsidentin! Herr Limburg, eigentlich hätte ich erwartet, dass Sie etwas mehr meine Ausführungen zu Artikel 6 Grundgesetz kritisieren würden. Ich nehme also zunächst zur Kenntnis, dass Sie diese Ausführungen zumindest billigen. Im Grunde genommen wollte ich auch nur diesen Gesichts

punkt aus meiner Sicht in die ansonsten sehr einseitig geführte Diskussion einbringen.

Kommen wir noch einmal zur Frage der Adoption zurück. Ich stimme mit Ihnen völlig überein, dass unsere Aufgabe ist, dagegen anzukämpfen, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften diskriminiert werden. Trotzdem glaube ich, dass es im Interesse des Wohls des Kindes möglicherweise die Situation geben kann, dass wir die Volladoption erst dann erlauben können, wenn diese Diskriminierung nicht mehr da ist.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wem wollen Sie es denn dann noch verbie- ten?)

Sonst machen wir das Kind - mit allen für das Kind daraus resultierenden Folgen - zum Mittel, um eine Diskriminierung zu bekämpfen. Und das geht nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Und was ist mit den Ausländern? Was ist denn mit Schwarzen?)

Herzlichen Dank. - Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Professor Dr. Dr. Zielke das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jede Gesellschaft unterliegt einem ständigen Wertewandel. Unsere deutsche hat sich ebenso wie die meisten europäischen Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten weg von sogenannten konservativen Werten hin zu liberalen Auffassungen entwickelt, die den einzelnen Menschen einen immer größeren Raum bei der Gestaltung ihrer persönlichen Lebensverhältnisse geben. Und das ist gut so.

Zu diesen persönlichen Gestaltungsräumen gehört ganz zentral die Verwirklichung sexueller Neigungen, die in konservativen Gesellschaften noch tabuisiert und teilweise mit Strafen belegt waren oder sind. Dieser Wertewandel zeigt sich klassisch am Beispiel der Haltung unserer Gesellschaft zur Homosexualität. Das Bundesverfassungsgericht hat noch im Jahr 1957 homosexuelle Handlungen als Verstoß gegen das Sittengesetz bezeichnet und damit deren Strafbarkeit gerechtfertigt.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Ein peinliches Urteil!)

Erst 1969 wurde die grundsätzliche Strafbarkeit einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen aufgehoben, und erst in den 90erJahren wurden die unterschiedlichen Schutzaltersgrenzen für hetero- und homosexuelle Handlungen angeglichen.

In den vorliegenden Anträgen geht es zum einen um die generelle Rehabilitation von Menschen, die in der Bundesrepublik und auch in der ehemaligen DDR wegen seinerzeit strafbarer homosexueller Straftaten verurteilt worden sind, und in der Folge natürlich auch um etwaige Entschädigungsansprüche analog zu denen von Opfern nationalsozialistischer Justiz.

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2012 zum Beamtenrecht hat Kollege Dr. Biester alles Nötige ausgeführt.

Ferner geht es in den Anträgen um eine steuerrechtliche Ausweitung des Ehegattensplittings auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften. Ich will in diesem Zusammenhang nicht verhehlen, dass wir das Ehegattensplitting ohnehin für überholt halten und ein Familiensplitting bevorzugen würden.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Schließlich wird die Forderung erhoben, im Familienrecht auch eingetragenen Partnerschaften das volle Adoptionsrecht zu geben. Adoptionen sind solchen Partnerschaften bisher nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich.

Uns ist natürlich bewusst, dass es sich hier um teilweise sehr komplexe Rechtsfragen handelt, zumal sie diverse unterschiedliche Rechtsgebiete berühren. Die Anträge werden daher im Ausschuss mit besonderer Sorgfalt beraten werden müssen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Sagen Sie doch einmal Ihre Meinung!)

Eines kann ich aber schon jetzt sagen: Wir als FDP stehen den meisten dieser Forderungen grundsätzlich positiv gegenüber.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 48 soll an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen werden, der Antrag unter Tagesordnungspunkt 49 federführend an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und mitberatend an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann haben Sie so beschlossen.

Jetzt will ich Ihnen noch mitteilen, dass wir uns leider erst in der Zeit vom 7. bis zum 9. November 2012 zum 48. Tagungsabschnitt wiedersehen. Bis dahin ist es noch eine recht lange Zeit. Ich wünsche Ihnen bis dahin ein erfolgreiches Wirken und mache Sie darauf aufmerksam, dass der Präsident den Landtag einberufen wird und im Einvernehmen mit dem Ältestenrat die Tagesordnung der Sitzungen festlegen wird.

Ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen einen guten Heimweg. Allen, die uns jetzt am Lautsprecher zuhören, wünsche ich ebenfalls alles Gute.