Protocol of the Session on September 28, 2012

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schneck und Frau Weisser-Roelle haben völlig recht mit ihrer Kritik. Seit fast zehn Jahren regieren FDP und CDU hier in diesem Land. Sie haben die ganze Zeit - trotz Kritik aus der Opposition - sehenden Auges hingenommen,

dass wir hier in Niedersachsen eines der größten Übergangssysteme bundesweit beklagen müssen.

Wir haben immer kritisiert, dass hier zu wenig duale Ausbildung angeboten wird, dass das Übergangssystem zu sehr auch als Warteschleife gestaltet ist und dass in diesem Übergangssystem zu wenig direkt für die duale Ausbildung anerkannt und verwendet wird. Sie haben da alles verschlafen.

Heute rufen Sie, Kollege Bley: Haltet den Dieb! Sie sagen: Das Übergangssystem ist der Feind, es kommen bei uns nicht mehr genügend in der dualen Ausbildung an. - Wer hat denn das verursacht? Sie haben doch hier in der Regierung gesessen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie haben doch nicht entsprechend reformiert. Sie haben doch viele Hundert Millionen Euro im Übergangssystem versenkt, ohne es für das Problem des immer stärker werdenden Fachkräftemangels fit zu machen. Jetzt beklagen Sie das plötzlich und wollen im Nachhinein kurz vor der Wahl reparieren. Das ist zu spät.

Sie haben die Jugendlichen im Stich gelassen. Sie haben zugelassen, dass wir fast genauso viele junge Menschen im Übergangssystem - in einer vielfach nicht wirklich mit Perspektive ausgestatteten Situation - haben. Jetzt können Sie nicht sagen: Auf jeden Fall muss die duale Ausbildung bevorzugt werden, irgendwelche Angebote im Übergangssystem sollten weiter nach hinten geschoben werden. - Das ist ein Doktern am Symptom, bedeutet aber keine aktive Hilfe in den Schulen, indem dort besser informiert und aufgeklärt wird und die Wahl im Bereich der dualen Ausbildung besser vorbereitet wird.

(Glocke des Präsidenten)

Es fehlen aber auch ausreichend duale Ausbildungsplätze in allen Regionen dieses Landes. Es ist nicht so, dass wir ein Überangebot an Ausbildungsplätzen hätten. Im Gegenteil, wir haben leider immer noch eine Mangelsituation.

Letzter Satz, bitte!

Viele junge Leute bleiben auch heute, obwohl sie verzweifelt danach suchen, immer noch ohne ei

nen Ausbildungsplatz. Da sollten Sie sich an Ihre eigene Nase fassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Minister Althusmann hat sich für die Landesregierung zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schneck, ich habe Ihrer Rede intensiv zugehört und immer überlegt: In welchem Jahrzehnt befindet er sich denn jetzt eigentlich? Beschreibt er gerade die Regierungszeit von SPD und Grünen, was die Fragen der Arbeitslosigkeit, der Ausbildungsplätze, der Berufsorientierung im Schulsystem, der Betreuungsplätze für den Bereich Krippenbetreuung und der Abbrecherquoten betrifft? Wollen Sie wirklich ernsthaft behaupten, dass Sie uns meinen? Denn die Fakten, sehr geehrter Herr Abgeordneter Schneck, sprechen allesamt gegen Sie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Ich will das kurz erläutern. Im Rahmen Ihrer Rede habe ich immer überlegt: Der Abgeordnete spricht gerade über Lösungsvorschläge für den Fachkräftemangel. Dann hob er zu einem Satz an, der lautete: Und unsere Forderungen als SPD lauten … Da habe ich gedacht: Jetzt kommt etwas. - Was kam? - Das altbekannte Lob auf das Handwerk, das wir teilen.

(Johanne Modder [SPD]: Sehr gut!)

Dann kamen noch vor: „lobenswertes Handwerk“ und „Wir stehen zum Handwerk“. Dazu stehen wir auch, Frau Modder. Aber wo war denn ein Vorschlag von Ihnen? Sollte Ihr Vorschlag etwa - wie der Stephan vor Kurzem erklärt hat - lauten - - -

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Heiligenstadt?

Gerne.

Herr Minister Dr. Althusmann, haben Sie die Debatte am gestrigen Tag zu dem Antrag der SPDFraktion zur Veränderung der beruflichen Bildung und der berufsbildenden Schulen in Niedersachsen verfolgt? Dazu sind u. a. zehn Vorschläge der SPD-Fraktion schriftlich niedergelegt worden.

Herr Minister!

Sehr verehrte Frau Abgeordnete, wie Ihnen unschwer entgangen sein könnte, habe ich zu diesem Antrag sogar gesprochen. Ich habe mich sogar inhaltlich mit Ihren zehn Punkten auseinandergesetzt und gesagt: 80 % Ihrer Fragen sind erledigt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Vorschlag des Stephan lautete, es müsse doch jetzt endlich in Niedersachsen die Möglichkeit geschaffen werden, dass an unseren Berufsfachschulen das erste Jahr im Rahmen der dualen Berufsausbildung als erstes Ausbildungsjahr anerkannt wird. Antwort: Das gibt es in Niedersachsen seit 2011. Dieser Stephan hat als Kandidat gefordert, an unseren Schulen müsse endlich mehr Berufsorientierung eingeführt werden. Insbesondere müsse doch die Möglichkeit geschaffen werden, dass im 9. und 10. Jahrgang unserer Schulen im allgemeinbildenden Bereich mit den berufsbildenden Schulen zusammengearbeitet werden kann, um dort ebenfalls das erste Jahr für die Ausbildung anerkennen zu können. - Das machen wir seit 2009. Es gibt 25 Vorhaben im Rahmen des Neustädter Modells.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister, darf ich Sie noch einmal unterbrechen? Auch Frau Reichwaldt möchte Sie etwas fragen.

Ich wollte noch so viel zu Stephan sagen. Aber gut!

Es wird zugestimmt. Frau Reichwaldt, dann fragen Sie bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben eben ausgeführt, dass das erste Jahr in den vorschulischen Ausbildungen für die Ausbildung anerkannt wird - und das seit Jahren in Niedersachsen. Stimmen Sie mir zu, dass es dort seit Abschaffung des Berufsgrundbildungsjahrs und der nicht mehr zwangsläufigen Anerkennung große Probleme gibt, weil das nur noch im Einklang mit der Wirtschaft geschehen kann?

(Beifall bei der LINKEN)

Nein. Frau Abgeordnete Reichwaldt, das Problem ist ein anderes. Es geht letztendlich um die Frage der jeweiligen Berufsfachschule, und es geht um die Frage, ob das Handwerk bzw. die ausbildende Wirtschaft diese Anerkennung der jeweiligen Möglichkeiten dann auch tatsächlich bietet. Wir haben aber genügend Beispiele dafür.

Ich will noch auf eine Aussage von Herrn Schneck eingehen. Er sagte, wir hätten mit 20 % die höchste Ausbildungsabbrecherquote. Also wissen Sie, Herr Schneck, auch das ist schlechterdings falsch. 20 % ist eine Bundeszahl. Das stimmt. Von diesen etwa 20 % gehen aber wiederum 10 % der Jugendlichen in eine womöglich andere Ausbildung. Genau darauf haben wir reagiert. Wir haben gesagt: Liebe Jugendliche, orientiert euch frühzeitig, dass ihr den Ausbildungsberuf, der möglicherweise nicht zu euch passt, nicht ergreift. Denn wir wissen doch, dass drei Viertel der Jugendlichen in Deutschland sich bei 348 Ausbildungsberufen auf ganze 30 bis 40 konzentrieren. Das ist doch unser grundsätzliches Problem. Wir haben 348 Ausbildungsberufe, und 75 % der Jugendlichen wählen im Prinzip nur den berühmten Kfz-Mechatroniker oder andere, gerade für Jungen in dem Fall interessante Berufe.

Meine Damen und Herren, die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen liegt zurzeit bei 6,3 %. Sie ist so gering wie seit 20 Jahren nicht mehr. In Zeiten Ihrer Regierung, Herr Schneck, war es so - ich meine, mich aus Oppositionszeiten noch daran zu erinnern -, dass wir weit über 10 % lagen. Wir haben die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren in Niedersachsen um 24 % gesenkt. Das ist gut für die Menschen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in unserer Regierungszeit in Niedersachsen um rund 38 % gesunken. Das ist gut für die Jugendlichen.

Das Bruttoinlandsprodukt ist seit 2003 um rund 9 % gestiegen. Wir haben 4 000 zusätzliche Ausbildungsplätze. Wir haben in einigen Teilen unseres Landes nahezu Vollbeschäftigung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn sich eine Landesregierung mit guten Rahmenbedingungen in der Wirtschafts- und der Bildungspolitik ernsthaft um das Wohl des Landes und der arbeitenden Menschen in unserem Land - dahinter stehen Familien - bemüht und sich dafür verantwortlich gefühlt hat, dass die Rahmenbedingungen hier gut gesetzt sind, dann ist das diese Landesregierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion bzw. Frau Heiligenstadt hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Eineinhalb Minuten!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Althusmann, da Sie hier vorne Weihrauch versprüht haben, um sich selbst und Ihre Taten zu beweihräuchern, möchte ich doch noch eines feststellen: In Niedersachsen befinden sich über 35 000 Jugendliche im Übergangssystem.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir haben so viele Jugendliche wie noch nie insbesondere in den Bereichen des BVJ und der Berufseinstiegsklassen. Die Quote der Anrechnung des ersten Ausbildungsjahres an der Berufsfachschule liegt bei unter 2 %. Und wir haben, weiß Gott, immer noch nicht genügend Ausbildungsplätze.

Wenn Sie meinen, dass das eine gute Politik ist, die Sie mit Ihren Zahlen hier immer gern präsentieren, dann sage ich Ihnen: Wir werden alle Jugendliche in Niedersachsen mitnehmen.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Uns sind 35 000 in Übergangssystemen zu viel, uns ist die Quote der Schulabbrecher zu hoch, und uns ist die Zahl der Jugendlichen zu hoch, die ohne entsprechende Berufsorientierung in den Übergangssystemen landen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, vielleicht sind Sie mit Ihrer Politik zufrieden, wir sind es nicht. Das werden wir ändern.