Sie kennen das: Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einer Großen Anfrage einer der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann - bitte nicht wundern - erhält das Wort die Landesregierung.
Für die Fraktionen, die diese Große Anfrage gestellt haben, liegt mir die Wortmeldung des Kollegen Bäumer vor. Bitte schön, Herr Bäumer, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über energiepolitische Themen hat manchmal etwas von Schulpolitik: Jeder ist betroffen, jeder kennt sich aus, jeder kann etwas zu diesem Thema sagen. Dabei gibt es zwischen Schulpolitik und Energiepolitik einen großen Unterschied. Während in der Schulpolitik häufig gefühlte Werte diskutiert werden, geht es in der Energiepolitik um Zahlen, Daten und Fakten. Deshalb bin ich der Landesregierung sehr dankbar dafür, dass sie mit der Beantwortung der Großen Anfrage zur Energieversorgung in Niedersachsen auf 74 Seiten die Grundlage für eine Datensammlung gelegt hat, die die Basis aller zukünftigen Diskussionen sein muss. Ich bin allen Mitarbeitern der Landesregierung, die an der Beantwortung dieser Frage gearbeitet haben, für diese große Fleißarbeit sehr, sehr dankbar.
Ich bin mir sicher, dass jeder, der sich in Niedersachsen mit dem Thema Energie beschäftigt, diese Antworten zur Grundlage seines Handelns machen wird und aus diesen Antworten Empfehlungen für seine zukünftige Arbeit schöpfen kann.
Über eines, meine sehr geehrten Damen und Herren auf der linken Seite des Hauses, bin ich mir allerdings auch sicher: Sie werden hier in den nachfolgenden Redebeiträgen das Herummäkeln der vergangenen Monate fortsetzen: zu schnell, zu langsam, zu ambitioniert, zu kleinteilig, angeblich ohne Sinn und Verstand. Mit diesen Attributen werden Sie voraussichtlich versuchen, Energiepolitik in diesem Land schlechtzureden. Bevor Sie das tun, meine sehr geehrten Damen und Herren, von der linken Seite, sollten Sie einmal in Ruhe darüber nachdenken, ob Sie damit einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende leisten. Die Bürgerinnen und Bürger hier in Niedersachsen wollen keinen vielstimmig und schlecht dirigierten Chor hören, sondern ebenso wie die Unternehmen in Niedersachsen eine Energiewende mit Augenmaß, die sich an einen strikten Fahrplan hält und nicht schon morgen realisiert sein muss. Das jedenfalls ist meine Wahrnehmung.
eins. Das hat sich mit der Antwort auf die Anfrage, die wir heute diskutieren, bestätigt. Seit dem Amtsantritt der CDU-geführten Landesregierung im Jahre 2003 hat sich der brutto erzeugte Strom aus regenerativen Quellen von 6,7 Millionen Megawattstunden auf 16,2 Millionen Megawattstunden mehr als verdoppelt. Im gleichen Zeitraum ist der Energieverbrauch in Niedersachsen um mehr als 5 % zurückgegangen.
Diese deutliche Entwicklung hin zu mehr erneuerbaren Energien hat sich vor allem auch auf die Beschäftigung hier in Niedersachsen ausgewirkt. Von den 372 000 Beschäftigten, die in Deutschland im Bereich der erneuerbaren Energien tätig sind, stammen 48 000 Beschäftigte aus Niedersachsen. Das sind knapp 13 %. Damit belegt Niedersachsen im Bundesvergleich den dritten Platz. Jeder siebzigste Arbeitsplatz in Niedersachsen steht somit in Verbindung mit der Herstellung, der Installation und dem Betrieb von Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien. Niedersachsen ist Spitzenreiter unter den westdeutschen Bundesländern.
Niedersachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich zu einem führenden Bundesland in Sachen erneuerbare Energien entwickelt.
Beim Wind drehten sich am Ende des Jahres 2011 mehr als 5 500 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von über 7 000 Megawatt. Damit werden hier bei uns inzwischen mehr als 12 % des Stroms durch Windkraftanlagen erzeugt. Dieser Wert hat sich seit dem Jahr 2003 - also seitdem wir für dieses Land Verantwortung tragen - um 50 % erhöht.
Bei den Biogasanlagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, verfügt Niedersachsen inzwischen über einen Bestand von mehr als 1 400 Anlagen mit einer Leistung von mehr als 780 Megawatt. Obwohl es sicherlich gefühlt für manchen Betrachter mehr ist, wird in Niedersachsen nur auf 12 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen eine Energiepflanze angebaut. Der Anteil von Biogas an der Gesamtstromerzeugung betrug im Jahr 2010 4,8 %. Beim Wind 12,7 %, beim Biogas mit den 4,8 %. Zusammen macht das 17,5 % des Stroms aus, der hier in Niedersachsen heute schon aus erneuerbaren Quellen stammt.
Obwohl wir hier in Niedersachsen nicht gerade von der Sonne verwöhnt werden, hat sich auch die Solarenergie in den vergangenen Jahren deutlich entwickelt. Mit einem jährlichen Wachstum von sage und schreibe 50 % haben wir inzwischen eine installierte Leistung von 1 466 Megawatt. Das entspricht nahezu einem Großkraftwerk. Leider aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann man diese Leistung nur an 920 Stunden pro Jahr abrufen. Bei 8 760 Stunden, die ein Jahr hat, ist das leider viel zu wenig. Deswegen kommt Photovoltaik auch nur auf einen Anteil von 1,1 % an der Stromerzeugung.
Keine Veränderung - das sagt die Antwort auf die Anfrage ganz deutlich - hat es im Bereich der Wasserkraft gegeben. Hier wird weiterhin nur 0,4 % des Stroms erzeugt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niedersachsen ist aber nicht nur deswegen Energieland, weil wir erneuerbare Energien haben. Niedersachsen hat gerade bei fossilen Energieträgern eine sehr lange Tradition. Ob Erdöl, Erdgas oder Braunkohle: Wir fördern diese Energien, und wir können froh sein, dass wir sie in der Vergangenheit gehabt haben.
Im Jahre 2009 stammten 37 % des gesamten deutschen Erdöls und sage und schreibe 94 % des gesamten Erdgases hier aus Niedersachsen. Die Förderung dieser fossilen Energieträger geht kontinuierlich zurück. Deshalb sind wir klug beraten, darüber nachzudenken, ob wir die Reserven, die bei uns noch im Boden liegen, in den kommenden Jahren schonend und umweltverträglich heben, um uns nicht allzu sehr von Energien abhängig zu machen, die aus dem Ausland kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu einer ehrlichen Diskussion über das Thema Energie gehört aber auch die Beantwortung der Frage: Wie haben sich denn die Preise entwickelt? - Auch hier bin ich der Landesregierung sehr dankbar, dass sie das deutlich gemacht hat. Denn obwohl damals, kurz nach Fukushima, 80 % der Gesellschaft dafür waren, dass wir aus der Kernenergie ausscheiden, wird sich an der Frage der Bezahlbarkeit des Stromes entscheiden, ob die Energiewende gelingen kann.
Leider sind die Preise seit dem Jahr 2000 deutlich gestiegen. Ein Dreipersonenhaushalt zahlt heute 80 % mehr für seinen Strom als noch im Jahr
2000. Damals waren es 13,9 Cent pro Kilowattstunde, heute sind es 25,2 Cent. Preistreiber dieser Entwicklung waren zur Hälfte die staatlichen Steuern und nur zur anderen Hälfte war es das, was die Energieversorger für ihren Mehraufwand bekommen haben. So sehr das aber die privaten Haushalte belastet, so sehr müssen wir viel mehr danach trachten, auch die Energie für die Industrie bezahlbar zu machen. Lag der Preis für diese Unternehmen im Jahr 2000 noch bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde, waren es im Jahr 2012 schon 14 Cent. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann in diesem Tempo nicht mehr weitergehen. Gestern Abend ist das auf einem Forum der Stahlindustrie deutlich geworden.
Wenn wir verhindern wollen, dass wir Deutschland schleichend deindustrialisieren, Unternehmen wie Salzgitter oder die Georgsmarienhütte GmbH schleichend in Probleme bringen, dann müssen wir sehr sorgsam darauf achten, dass wir bezahlbaren Strom haben.
Wir dürfen die Wertschöpfungskette, die uns mit Stahlunternehmen zur Verfügung steht, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Deswegen bin ich Bundesminister Altmaier sehr dankbar, dass er momentan eine Diskussion darüber führt, wie es bei den Erneuerbaren weitergehen kann.
Niemand, meine sehr geehrten Damen und Herren, will die Kernenergie zurück. Niemand möchte die Kernkraftwerke weiter laufen lassen; aber der dynamische Ausbau der erneuerbaren Energien darf uns nicht kalt lassen. Es ist niemandem damit gedient, wenn hier Industrie abgebaut und anderswo wieder aufgebaut wird. Gute Politik hat das gesamte Bild im Blick und nicht nur einzelne Mosaiksteinchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, früher war es einfach, Strom zu produzieren. Man kannte den Bedarf an jedem Tag eines Jahres. Man wusste, wann die Hausfrauen das Mittagessen kochen. Heute ist es schwieriger. Wir haben heute Windenergie und Photovoltaik. Da wird produziert, aber es wird eben nicht im gleichen Moment abgerufen. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind dort für die Zukunft intelligente Lösungen gefragt.
Ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie in den vergangenen Jahren gerade in diese Möglichkeiten investiert hat, dass wir Forschungseinrichtungen haben, die mit großem persönlichen Einsatz daran forschen, dass wir alternative Antriebe und Kraftstoffe entwickeln, dass wir Energieeffizienz- und Einsparpotenziale heben, dass wir Windgas, Windmethan, Biogas, Brennstoffzellen oder auch die hydrothermale Thermisierung haben, um in diesem Bereich weiter voranzukommen.
Die Forschung ist in den vergangenen Jahren deutlich unterstützt worden. Es gab 17 Millionen Euro für Windenergie, 5,5 Millionen Euro für dezentrale Windenergiesysteme, 9,5 Millionen Euro für den Bereich Biothermie, 3,6 Millionen Euro für den Bereich Biomasse, 4 Millionen Euro für intelligente Netze und 6 Millionen Euro für Energiespeicher. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Landesregierung hat in die Zukunft dieses Landes investiert. Wir können dafür sehr, sehr dankbar sein.
Trotzdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann jeder von uns etwas tun, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Niemand muss darauf warten, dass Probleme in Bezug auf Speicher oder andere Dinge von Unternehmen oder von der Politik gelöst werden. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energiewende ist auch ein Thema gerade für die Bürgerinnen und Bürger hier in diesem Land. Deshalb - da wiederhole ich mich gerne - dürfen die Bürgerinnen und Bürger nicht das Gefühl bekommen, dass wir uns hier zerstreiten, während draußen die Energiewende gelingen muss. Natürlich darf hier im Landtag geredet werden. Es muss diskutiert werden. Man muss auch Fragen stellen dürfen, die unpopulär sind. Aber am Ende des Tages hilft alles Reden nichts, wenn nicht auch gleichzeitig gehandelt wird.
„Was du sagst, verweht im Wind. Nur was du tust, schlägt Wurzeln.“ Dieses Zitat, meine sehr geehrten Damen und Herren, trage ich heute nicht zum ersten Mal hier im Landtag vor. Sie alle können dazu beitragen, dass wir Wurzeln schlagen.
Ich habe Ihnen heute Morgen eine LED-Lampe mitgebracht. Ich habe sie dabei, damit Sie alle sehen können, wie so etwas aussieht. Diese LEDLampe, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann man in jedem gut sortierten Elektrofachge
Verglichen mit dem, was Glühlampen früher gekostet haben, hat diese LED-Lampe einen sehr stolzen Preis. Die letzten Glühlampen, die ich mir vor Jahren im Rahmen der Diskussion um das Ende der Glühlampe gekauft habe, kosteten pro Stück 19 Cent. Diese Lampe hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, kostet 25 Euro. Jeder vernünftig denkende Mensch würde sofort sagen: Wenn eine Lampe hundertmal mehr kostet, als das Vorgängermodell, dann kann das doch nicht wirtschaftlich sein. - Doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann es. Denn während das Vorgängermodell 40 Watt verbrauchte, verbraucht diese LED-Lampe 7,7 Watt. Bei uns zu Hause brennt eine solche Lampe durchschnittlich drei Stunden pro Tag. Übers Jahr summiert sich das auf eine Ersparnis von 8,84 Euro. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich diese Lampe innerhalb von zwei Jahren und zehn Monaten amortisiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten wollen, dann können Sie heute in der Mittagspause losgehen, sich eine Lampe kaufen und ganz konkret etwas dafür tun.
Ich hoffe, dass Ihnen im Rahmen dieser Debatte zur Energieversorgung ein Licht aufgeht, nicht nur in Sachen LED-Technologie, sondern auch in Sachen Energieversorgung in Niedersachsen. Wir haben schon viel erreicht, aber es gibt noch sehr viel zu tun. Aber gemeinsam, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir es schaffen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Für die Landesregierung spricht nun, wie vorhin angekündigt, Herr Minister Birkner. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Fraktionen von CDU und FDP herzlichen Dank für diese Große Anfrage sagen. Auch wenn es für die Landesregierung immer wieder viel Arbeit ist, die Antworten zusammenzutragen, so ist sie doch ein gutes Dokument über die Leistungen, die wir in der Energiepolitik erbracht haben. Sie fasst all das zusammen, was für das Gelingen der Energiewende entscheidend ist, und stellt dar, dass Niedersachsen, wie der Abgeordnete Bäumer eben ausgeführt hat, das Energieland Nummer eins ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energiewende ist sicherlich, wie zu Recht schon betont wurde, die größte Herausforderung, die wir in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Deutschen Einheit zu bewältigen haben. Diese Energiewende bringt viele Risiken, Herausforderungen und auch Akzeptanzprobleme mit sich. Sie eröffnet aber auch viele Chancen, gerade für Niedersachsen als Küstenland. Unser Bemühen ist es - das wird auch in der Antwort auf diese Große Anfrage deutlich -, diese Chancen zu nutzen und die Energiewende zum Positiven hin zu gestalten.
Dabei muss man sich klarmachen, dass die Energiewende und das, was wir als Land tun, immer in einen europäischen und auch in einen bundespolitischen Kontext eingebettet ist und dass wir dies im Konzert der Länder untereinander aber auch mit dem Bund gestalten müssen.
Wichtig ist mir hier Folgendes: Die Energiewende gelingt nicht durch Glauben, wie Herr Özdemir als Repräsentant der Grünen es einmal in einem Interview sagte, sondern die Energiewende gelingt nur, wenn man sich mit den Fakten auseinandersetzt und die Probleme ganz konkret benennt und zu lösen versucht. In der Antwort auf die Große Anfrage machen wir deutlich, dass wir, wie es zu Recht gesagt wurde, faktenorientiert arbeiten, uns an den Realitäten orientieren und nicht versuchen, eine Energiewende mit irgendwelchen Glaubenssätzen zu gestalten.