Ich habe das Gefühl, Herr Klare, Sie haben den Antrag gar nicht gelesen. Sie waren ja auch in letzter Zeit, als wir solche Dinge beraten haben, im Ausschuss meistens nicht anwesend. In dem Antrag wird überhaupt nichts zur Lehrerfortbildung gesagt, sondern es wird von gleicher, gerechter Verteilung der jetzt bestehenden Ressourcen gesprochen. Aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage - das sind die Zahlen des Kultusministeriums - kann man z. B. ersehen: Ein Kind, das mit dem Förderschwerpunkt „emotionale und soziale Entwicklung“ im Moment in eine Integrationsschule geht - eine inklusive Schule haben wir ja noch
nicht -, erhält 2,4, maximal 3,1 Förderstunden, eines, das in eine Sondereinrichtung geht, 3,9. Anhand einer ganzen Tabelle kann man sehen, wie ungleich die Ressourcen verteilt sind. Das geht nicht.
Der zweite Punkt unseres Antrags zielt darauf ab, Lehrkräften, die jetzt schon in den Grundschulen, in den Hauptschulen, in Realschulen Erfahrung in Integrationsklassen haben, einen Studiengang berufsbegleitend anzubieten, damit sie in zwei Jahren ausgebildete Sonderpädagogen sind, weil wir schon jetzt viel zu wenig haben und fast 30 % der ausgeschriebenen Stellen nicht adäquat besetzen können. Wenn Sie sich informieren, dann wissen Sie das.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Korter, wenn Sie genau zugehört hätten, wüssten Sie, dass ich gesagt habe, man könnte den Eindruck haben, als ginge es Ihnen nicht um das Wohl der Kinder. - So habe ich es gesagt, und den Eindruck haben viele, weil Sie andere Dinge im Kopf haben, nämlich Ihre Einheitsschuldebatte. Das müssen wir einmal deutlich herausstellen.
Das darf man auch sagen, weil Sie ja draußen nichts anderes als Konzept vertreten: Die eine Schule für alle, in die dann alle Kinder gemeinsam gehen müssen. So komme ich, wie ich es gesagt habe, zu dem Schluss, dass man den Eindruck haben könnte.
Im Übrigen sind in der Frage der Möglichkeiten, zusätzliche Förderschullehrer zu rekrutieren, beide Minister, Frau Wanka und unser Kultusminister, auf dem gleichen Weg. Wir versuchen, zusätzliche Kapazitäten an den Universitäten zu schaffen. Beide Universitäten haben doch jetzt schon Angebote gemacht. Dort können sich jetzt schon auch Leute, die berufsbegleitend ausgebildet werden wollen, anmelden. Das ist heute in Oldenburg möglich, das ist heute in Hildesheim möglich, und es wird in Zukunft noch weitere Möglichkeiten geben.
Natürlich muss das auch über Lehrerfortbildung laufen, ob Sie das in den Antrag geschrieben haben oder nicht. Das Lehrerfortbildungskonzept des Landes Niedersachsen, für das wir, soweit ich weiß, zweimal fast 1 Million Euro jährlich eingesetzt haben, ist dringend notwendig, damit unsere Lehrerinnen und Lehrer die Angst vor Inklusion verlieren und sich wieder auf ihre besonderen Kenntnisse besinnen und z. B. mehr individualisieren, noch mehr differenzieren. Deswegen bleibe ich natürlich dabei, dass die Lehrerfort- und -weiterbildung neben der Rekrutierung von Förderschullehrern dringend notwendig ist und weitergeführt werden muss.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Beratungen zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes zum Thema Inklusion waren wir alle uns, glaube ich, sehr einig darin, dass die Umsetzung sicherlich nicht leicht sein wird und dass noch so manche Herausforderung auf uns zukommen wird. Jetzt stehen wir an einem Punkt, an dem es auch unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, welche Schritte notwendig sind. Ich finde es richtig und gut, dass wir darüber diskutieren.
Was ich allerdings nicht gut finde, ist, dass von Frau Korter der Vorwurf kommt, dass FDP und CDU versuchen, Elternentscheidungen durch veränderte Lehrerstundenzuweisungen zu beeinflussen. Diesen Vorwurf möchte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
Frau Korter, wir haben uns in der Diskussion über das Schulgesetz sehr bewusst dafür entschieden, die Förderschulen bis auf die Förderschule Lernen im Primarbereich bestehen zu lassen. Wir legen nämlich Wert darauf, dass nicht die Politik pauschal darüber entscheidet, welches der beste Lernort für ein Kind mit Unterstützungsbedarf ist, sondern wir wollen die Eltern mit ins Boot holen. Die Eltern sollen entscheiden können, welche Schule die beste ist - die Regelschule oder die Förderschule.
Deshalb ist es aus meiner Sicht auch unlauter, jetzt angesichts der Veränderungen, die wir vornehmen wollen, einfach zu sagen: Ich dividiere alle
Förderlehrerstunden im Förderschulbereich durch die Anzahl der dort vorhandenen Schüler und vergleiche dies mit den bisherigen Zuweisungen für die Regelschule.
Dieser Vergleich hinkt; denn der Förderschulbereich schließt auch Funktionsstellen mit ein. Sie vergessen, dass im Regelschulbereich zwar nicht sonderpädagogische Lehrkräfte, aber andere Lehrkräfte mit dabei sind. Wenn dann tatsächlich der Fall eintritt, den der Kollege Klare soeben geschildert hat, dass aufgrund der Doppelzählung eines Kindes mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf ein Jahrgang zusätzlich in der Klasse geteilt werden muss, dann geben Sie mehr als 30 Wochenstunden eines Nichtsonderpädagogen zusätzlich in das System hinein. Deswegen dürfen Sie diesen Vergleich nicht anstellen.
Ich bitte Sie wirklich: Ziehen Sie nicht durch das Land, um den Eltern zu erzählen, dass ihre Kinder in der inklusiven Regelschule nicht richtig gefördert werden! Wenn Sie das tun, dann erweisen Sie unserem gemeinsamen Ansinnen, die Inklusion zu einem Erfolg zu machen, einen Bärendienst. Diese gesellschaftliche Aufgabe, die wir hier gemeinsam begonnen haben, sollten wir auch gemeinsam zu Ende bringen, Frau Korter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Korter, zunächst zu Ihnen, weil Sie einem möglicherweise noch nicht endgültig aufgeklärten Denkfehler unterliegen. Sie wollen nämlich die Situation in den Förderschulen und die jeweiligen Ressourcenzuweisungen pro Kind 1 : 1 auf das allgemeinbildende Schulwesen übertragen. Dabei vollziehen inzwischen alle Bundesländer - übrigens auch Nordrhein-Westfalen; ich komme gleich noch darauf zurück - einen paradigmatischen Wechsel weg von der Kindbezogenheit der Zuweisung der jeweiligen Stunden und der sonstigen Rahmenbedingungen hin zu einer systembezogenen Zuweisung.
Genau so ist die Inklusion in den nächsten Jahren - es ist ja ein Projekt von mindestens zehn Jahren - auch anzulegen.
Genau da wollen wir auch hin. Nicht umsonst haben wir die Rahmenbedingungen für die Inklusion in Niedersachsen in keiner Weise verschlechtert. In keiner Weise wird irgendwo etwas schlechter. Allein die Tatsache, dass wir alle 14 500 Grundschulklassen rechnerisch mit einer Grundversorgung von zwei Stunden ausstatten, ferner die Tatsache, dass wir darüber hinaus pro Kind, abhängig von der jeweiligen Behinderung, drei bis fünf Stunden - wir unterhalten uns hier über 35 000 Kinder mit verschiedensten Behinderungen, von der Lernbehinderung bis hin zu schwerwiegenden körperlichen und geistigen Behinderungen - zusätzlich zuweisen, die die Kinder mit in die Schule bekommen und die dort durch Förderschullehrkräfte erteilt werden, machen den Systemwechsel aus, den wir in den nächsten Jahren vollziehen.
Es wäre eine Menge gewonnen, wenn Sie diesen Weg trotz Ihrer inneren Widerstände mitgehen und die kleine Hürde, die bei Ihnen besteht, überspringen würden. Sie vergleichen hier leider immer und immer wieder Äpfel mit Birnen. So, wie Sie es wollen, lässt es sich nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund unserer Haushaltssituation nicht mal eben so 1 : 1 übertragen. Das geht gar nicht.
Klar aber ist, wie der Abgeordnete Klare deutlich gemacht hat: Das Land Niedersachsen investiert in den nächsten Jahren im Zusammenhang mit der Inklusion zusätzlich 1 000 Stellen in das niedersächsische Schulsystem, 45 Millionen Euro zusätzlich zu all den von uns auf den Weg gebrachten Maßnahmen wie etwa der Verkleinerung der Klassen.
Hier von einer Katastrophe oder von einer Untergangsstimmung zu sprechen oder zu sagen, dass die Inklusion nicht vernünftig umgesetzt werde, finde ich schon sehr, sehr vermessen.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir nicht nur weitere pädagogische Mitarbeiter doppelt zählen, sondern auch einen Pool für den Bereich soziale und emotionale Entwicklung einrichten wollen; 100 weitere Stellen in belasteten Bereichen. Wenn wir in Sachen Integration den Zustand, den wir seinerzeit in Niedersachsen vorgefunden haben, mit der heutigen Situation vergleichen, dann sollte die linke Seite die eine oder andere Kritik, die von ihr kommt, vielleicht doch noch einmal neu überdenken.
Nur ein Beispiel: Förderlehrerstunden in den Förderschulen. Im Jahr 2000 waren es 2 707. 2011 waren es 6 539.
Mobile Dienste, Förderlehrerstunden - nur mal kurz; das müssen Sie schon ertragen -: 468 im Jahr 2000, 2 403 im Jahr 2011.
Förderlehrerstunden insgesamt für die Mobilen Dienste: 891 im Jahr 2000, 2 233 im Jahr 2011. Anrechnungsstunden für Beratungslehrkräfte: 379 im Jahr 2000, 3 403 im Jahr 2011.
Summe der sonderpädagogischen Grundversorgung an niedersächsischen Grundschulen: im Jahr 2000 6 138, im Jahr 2011 15 953.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen beweisen, dass sich keine Landesregierung so verantwortungsvoll dem Gedanken der Inklusion und deren Vorgänger, der Integration, sowie dem Anliegen, immer mehr Kinder auch im allgemeinbildenden Schulwesen zu unterrichten, gestellt hat wie diese Landesregierung.
Meine Damen und Herren, zu guter Letzt - damit komme ich auch gleich zum Schluss; Sie haben dann sogar noch ein wenig zusätzliche Redezeit, um wieder alles versuchsweise zu widerlegen - ein Blick nach Nordrhein-Westfalen, wo ja Kultusministerin Löhrmann von den Grünen Verantwortung trägt.
Wir haben uns einmal den nordrhein-westfälischen Gesetzentwurf angeschaut und mit Niedersachsen verglichen. Auffällig ist, dass das Elternwahlrecht in Nordrhein-Westfalen deutlich eingeschränkt wird. Beim Besuch der allgemeinen Schulen sollen die Eltern dem Vorschlag der Schulbehörde folgen, der seinerseits der Zustimmung des Schulträgers bedarf.
Die Elternwahl steht in Nordrhein-Westfalen außerdem unter einem Ressourcenvorbehalt. Nur bei vertretbarem Aufwand für die Schulträger kann dort Inklusion umgesetzt werden.
Der Gesetzentwurf Ihrer Kollegin Löhrmann in Nordrhein-Westfalen geht sogar von einer „Unbildbarkeit“ einiger Schülerinnen und Schüler aus. Das ist ein Gedanke, der vor 20 Jahren in Niedersachsen noch eine Rolle gespielt hat, aber heute, im Jahr 2012, nicht mehr.
Der Gesetzentwurf von SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen sieht auch eine Konnexitätsregelung wie in Niedersachsen im Sinne der Kommunen überhaupt nicht vor.
Meine Damen und Herren, wir in Niedersachsen haben die Weichen für Inklusion sehr gut, sehr sorgfältig und sehr behutsam gestellt! Es wird niemand überfordert. Genau diesen Weg werden wir gehen.