Sie wissen, dass ein DNA-Test zu dem Ergebnis kommt, dass, um ein Beispiel zu nennen, ein auf dem Registerauszug genannter angeblicher Bruder des Vaters kein Bruder sein kann. Das betone ich ausdrücklich, weil immer wieder ein negativer Entscheidungsaspekt - auch in den Stellungnahmen des Innenministeriums - die Identitätstäuschung ist. Sie werfen weiterhin diese Täuschung vor, sehr geehrte Damen und Herren.
Sie betonen die mangelnde Integration der Familie. Woran machen Sie das fest? Hauptschulabschluss statt Abitur? Am mit 100 Tagessätzen geahndeten Verstoß gegen das Fleischhygienegesetz? - Letzteres hat nicht einmal das Bundesverwaltungsgericht als Ausschlussgrund zur Bewertung der Verwurzelung von Ahmed in seiner Heimat Deutschland herangezogen. Im Gegenteil: Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Neubewertung der außergewöhnlichen Härte aus humanitären Gründen eingefordert.
Unabhängig von den bisherigen unterschiedlichen Auffassungen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Tausender Menschen in Deutschland, die an dem Fall Anteil nehmen, vieler Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, der Kirchen und der Menschenrechtsorganisationen, die zu diesem Fall Stellung genommen haben, auf der einen Seite und der Niedersächsischen Landesregierung und ihrer Fraktionen auf der anderen Seite sollte für die Beratung im Ausschuss das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Deshalb möchte ich am Ende meiner Rede mit Erlaubnis der Präsidentin Herrn Dr. Seiters, Bundesminister a. D., zitieren:
„Meine tiefe Sorge gilt vor allem den Kindern der Familie, die offenbar unter der Situation leiden müssen, bei der ich mich frage, ob der Gesetzgeber diese wirklich gewollt hat. Als Präsident eines Verbandes, der dem Grundgesetz der Menschlichkeit verpflichtet ist, kann und will ich diesen Einzelfall nicht ignorieren, dessen Tragik vor allem darin besteht, dass die mit der Prüfung befassten Behör
den aufgrund ihrer Vorgaben ebenso zu kinder- und familienfreundlicheren Entscheidungen gelangen können und müssen.“
Genau an diesem Punkt sind, wie ich meine, Politik und Verwaltung gemeinsam gefordert, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Einzelfälle wie der der Familie Siala-Salame nicht mehr wiederholen. Ich würde mich sehr freuen, wenn eine Zusammenführung dieser Familie in Kürze zustande kommen könnte.
Meine Damen und Herren, dem ist nur noch hinzuzufügen, Herr Ministerpräsident, Frau Ministerin Özkan: selbstverständlich nach Hause - nach Niedersachsen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im letzten Plenum haben wir über die Familie von Gazale Salame gesprochen. Ich denke, wir haben die damalige Diskussion alle noch gut vor Augen bzw. in den Ohren; denn die Sitzung gipfelte in tumultartigen Zuständen und teils heftigen Vorwürfen. In diesem Zusammenhang ging es um ein Zitat aus der Süddeutschen, in dem es um institutionellen Rassismus ging. Da fühlten sich einige schon ganz schön angegriffen. Zurückblickend dürfte es der Landesregierung jedoch nicht ganz unpassend gekommen sein; denn die weitere Debatte sowie die Berichterstattung drehten sich vornehmlich um bestimmte Begrifflichkeiten aus eben diesem Zitat und nicht um das Schicksal der Familie von Gazale Salame.
Meine Damen und Herren, wir können in Niedersachsen ganz und gar nicht auf eine humane Flüchtlingspolitik zurückblicken. Die Erfahrung hat bewiesen, dass es in Niedersachsen ganz und gar
nicht um das individuelle Schicksal von Flüchtlingen und Abgeschobenen geht. Es ist schon ein ziemliches Ding, Herr McAllister, dass Sie zusehen, wie die Familie von Gazale Salame zum gnadenlosen Spielball der Behörden, politischer Wichtigtuer und von Lügen und Intrigen geworden ist.
Meine Damen und Herren, das Verfahren um die Abschiebung und die bis heute anhaltende Verweigerung der Familienzusammenführung ist eine siebenjährige Geschichte inhumanster Flüchtlingspolitik, forciert von höchster Stelle und institutionellem Versagen auf ganzer Linie.
Nach vorliegender Sachlage beruht die Abschiebung Gazales auf gravierenden Irrtümern. Die Begründung für den Entzug der Aufenthaltserlaubnis für Gazales Mann Ahmed Siala und die damit im Zusammenhang stehende Familientrennung durch die Abschiebung sind schlichtweg nicht haltbar, wie auch ein DNA-Abgleich - das hörten wir bereits - im September vergangenen Jahres bewiesen hat.
Meine Damen und Herren, was ist trotz der neuen Beweislage hier passiert? - Ich kann es Ihnen kurz zusammenfassen, nämlich gar nichts, auf jeden Fall nichts Gutes. Das gilt sowohl für das zuständige Ministerium als auch für den Landkreis Hildesheim.
Es wirkt geradezu grotesk, wenn Landes- und Bundespolitiker der christlichen Union nicht müde werden, die Bedeutung der Familie hervorzuheben, gleichzeitig aber Familien auseinanderreißen und zerstören.
Meine Damen und Herren, es geht aber auch um die Frage, wie ernst es der Landesregierung tatsächlich ist, die europäische Menschenrechtskonvention zu achten und die UN-Kinderrechtskonvention umzusetzen. In über 40 Jahren - so sagt Heiko Kauffmann, der Mitbegründer der Hilfsorganisation Pro Asyl, zu dem Fall Salame - habe er
„noch kein Familienschicksal wie das hier vorliegende erlebt, in dem ein Teil der Familie - unter Hintanstellung humanitärer und menschenrechtlicher Erwägungen - abgeschoben wurde
und die Familie inzwischen im siebten Jahr auseinandergerissen … leben muss, ohne dass sich deutsche Behörden und zuständige Landes- und Regierungsstellen in der Lage sehen, dieser Zermürbung und Zerstörung einer Familie und der fortgesetzten Missachtung des Kindeswohls Einhalt zu gebieten.“
Meine Damen und Herren, das langjährige Mitglied des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Rechte der Kinder, Lothar Krappmann, spricht von besonders krassen Fällen, die sich in Niedersachsen ereignen. Herr Krappmann kündigte an, den Fall Salame im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vor dem UN-Ausschuss für Kinderrechte vorzutragen.
Von einem Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik war noch vor nicht allzu langer Zeit die Rede. Zu spüren ist davon allerdings nichts. Ganz im Gegenteil: An der Familie von Gazale Salame soll allem Anschein nach ein weiteres Exampel statuiert werden. Es soll abgeschreckt statt geholfen werden. Auf Biegen und Brechen soll ein weiterer Präzedenzfall wie bei der Familie Nguyen verhindert werden. Dafür nehmen die handelnden Akteure offensichtlich alles in Kauf, ganz egal, was dies für die Familie letzten Endes bedeutet.
Daher richtet sich mein abschließender Appell insbesondere an den Herrn Ministerpräsidenten McAllister. Herr McAllister, beenden Sie das Spiel derer, die ausloten, wie viel Unmenschlichkeit unser Rechtssystem zuzulassen bereit ist! Ermöglichen Sie die sofortige Rückkehr von Gazale Salame und ihren Kindern hier nach Hause, hier nach Niedersachsen!
Danke schön, Frau Kollegin Zimmermann. - Die letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt kommt vom Herrn Kollegen Krumfuß von der CDU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich auf den heutigen Tag sehr intensiv mit dieser ausländerrechtlichen Problematik, sprich aufenthaltsrechlichen Automatik - - -
Man kann es nicht lauter drehen, vor allen Dingen auch nicht an den Mikrofonen drehen. Sie sind so eingestellt.
Ich habe mich im Vorfeld der heutigen Sitzung auf diesen Beratungspunkt sehr intensiv vorbereitet. Ich denke, meine Kolleginnen aus dem Ausschuss wissen, dass ich jeden Fall lese, ihn werte und dann in der Sitzung mit berate bzw. weiß, um was es geht.
Mir ist es ganz wichtig - das ist hier auch deutlich geworden -: In diesem Fall geht es um vier Kinder einer Familie. Das ist natürlich eine besondere Problematik, wenn man sich die geschichtliche Situation, die sogenannte Legende zu diesem Fall, anschaut. Ich kann nur davor warnen, dass wir in Schwarz-Weiß-Denken übergehen. Es gibt nicht nur weiß oder schwarz. Wir müssen vielmehr immer versuchen, auch in dem grauen Feld etwas zu finden, was vielleicht hilfreich sein könnte. Ich denke, Frau Kollegin Polat, wenn wir gemeinsam - wir haben ja Zeit, gerade über diesen Fall zu beraten, es ist ja heute die Einbringung - - -
- Es interessiert mich jetzt überhaupt nicht, Frau Zimmermann, was Sie da sagen. Wenn Sie etwas zu sagen haben, melden Sie sich bitte zu Wort. Ich versuche gerade, in der Sache vorzutragen. Sie sehen das aus Ihrer Sicht natürlich anders. Aber das können Sie hier auch nach der Rede sagen.
- Frau Flauger, mit Ihnen hatte ich eigentlich als Erste gerechnet. Dass Sie sich jetzt erst als Zweite von den Linken melden, überrascht mich dann auch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Fall hat eine Geschichte, wie ich schon angeführt habe. Auch die Landesregierung, die heute schon von Frau Polat, von Frau Zimmermann darauf angesprochen wurde, was sie alles falsch gemacht hat, hat gerade im Jahr 2010 versucht, in diesem Fall zu helfen. Nach dem Urteil - Sie haben vom Bundesverfassungsgericht gesprochen, liebe Kollegin Polat -, dass man die soziale Komponente dieses Falles noch einmal beleuchten sollte, ist auf Initiative des niedersächsischen Innenministeriums ein Vergleich zustande gekommen. Diesem Vergleich haben sich die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim und auch der Anwalt von Herrn Siala angeschlossen.
Wäre es so gekommen, dann hätten wir, glaube ich, heute gar nicht mehr die Möglichkeit, über den Fall zu sprechen, weil er sich durch diesen Vergleich erledigt hätte. Doch leider hat Herr Siala es vorgezogen, die Dinge nicht so zu erledigen - ich sage es einmal ganz vorsichtig -, wie sie hätten gemacht werden müssen. Dazu gehört, dass er nicht weiter straffällig wird. Das hat er nicht hinbekommen. Von den Ordnungswidrigkeiten spreche ich heute gar nicht.
Zur Arbeit: Er hat nie nachgewiesen, dass er die Arbeit hat. Er hat nur angegeben, dass er arbeitet und wie viel er verdient. Aber es ist in der Zeit nichts in die Sozialsysteme eingeflossen. Er hat auch nicht durch eine Arbeitsbescheinigung nachgewiesen, wie viel er letzten Endes verdient und ob er da tatsächlich angestellt ist.
Ich denke, dass wir, wenn sich Herr Siala im Jahr 2010 nicht nur auf diesen Vergleich eingelassen hätte - das hat er durch seinen Anwalt getan -, sondern auch etwas für diesen Vergleich getan hätte, hierbei nicht nur ein Stück weiter wären, sondern, wie ich schon gesagt habe, diese Problematik gar nicht mehr hätten.
Ich sehe auch, dass wir gerade in der sozialen Betrachtung, weil eben vier Kinder in diesem Fall betroffen sind, nicht außer Acht lassen können, wie Herr Siala durch sein Verhalten eine Akzeptanz der deutschen Rechtsordnung nicht belegt hat. Auch wenn wir im Moment sagen müssen, dass so, wie die Fakten sind, es nicht geht, weil sie keine Möglichkeit zulassen. Aber ich sehe doch Mög
lichkeiten. Wir können zumindest über einige Dinge nachdenken, beispielsweise über § 29 des Aufenthaltsgesetzes, wenn die beiden tatsächlich bereit sind, die Eheschließung hier in Deutschland zu vollziehen, und über § 25 des Aufenthaltsgesetzes für die beiden Töchter, die hier in Deutschland leben; auch da bestehen ja noch Spielräume.
Zum Schluss darf ich die herzliche Bitte äußern, diesen Fall im Ausschuss noch einmal sehr sorgsam zu beraten. Ich bin gern bereit, mich da auch weiterhin einzubringen.