Protocol of the Session on July 18, 2012

Dazu erteile ich jetzt der Kollegin Heiligenstadt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen mehr Erzieherinnen und Erzieher in unserem Land. Die Erhöhung der Krippenplatzzahl in den nächsten Jahren erfordert immense Anstrengungen, um den Bedarf an qualifizierten Erzieherinnen und Erziehern zu decken.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Im Übrigen benötigen wir zusätzliches Personal infolge der Anforderungen an flexiblere Öffnungszeiten, z. B. bei den Einrichtungen, die Drei- bis Sechsjährige betreuen. Wir brauchen auch zusätzliches Personal in den Horten.

Schon seit Jahren weisen meine Fraktion und die Opposition in diesem Hause auf diesen Bedarf hin. Aber leider tut sich nichts.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mittlerweile gehört die Erzieherin zu den Topmangelberufen. Dies bestätigt auch das Deutsche Jugendinstitut in einer Studie, wonach in Niedersachsen mehr als 5 000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen werden. Das ist der traurige Spitzenplatz unter den Bundesländern, was die Mangelsituation angeht. Niedersachsen muss hier endlich aufholen.

(Beifall bei der SPD)

Ich verweise z. B. auch auf Frau Professor Renate Zimmer vom Nifbe. Die Leiterin des Osnabrücker Instituts hat ebenfalls bereits 2010 auf den drohenden Erzieherinnenmangel hingewiesen und parallel zum Krippenausbau ein Konzept gefordert, dass entsprechende Programme zur Aus- und Weiterbildung aufgelegt werden. Doch leider ignoriert die Mehrheit dieses Hauses das Ansinnen voll und ganz, auch diese Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung will noch nicht einmal das Problem zur Kenntnis nehmen. Noch im Juni-Plenum, in der Debatte am 22. Juni 2012, sagte Herr Dr. Althusmann wörtlich: Wir haben keinen Mangel an Erzieherinnen. - Herr Althusmann, hören Sie endlich auf, diesen Mangel zu ignorieren!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Wir haben keinen Mangel! Das ist doch alles dummes Zeug!)

- Meine Damen und Herren, auch Herr Thümler, nehmen Sie endlich die Realität wahr!

(Björn Thümler [CDU]: Die gucke ich mir jeden Tag an!)

Wir haben einen extrem hohen Bedarf, und wir steuern bei den ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern auf eine Versorgungslücke zu. Wir erwarten daher von der Landesregierung, dass sie dieses Problem angeht. Handeln Sie endlich, meine Damen und Herren!

Wir brauchen dazu aber keine Erzieherinnenausbildung light, wie sie von einigen auf Bundesebene und zum Teil auch auf Landesebene vorgeschlagen wurde. Ich bin ganz froh, dass wenigstens in Niedersachsen nicht auf diese Vorschläge eingegangen werden soll.

Meine Fraktion schlägt Ihnen eine konzertierte Aktion mit acht Maßnahmen vor:

Erstens. Sie müssen die beteiligten Akteure an einen Tisch holen und mit privaten und staatlichen Schulen einen Kapazitätenplan für die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung vereinbaren. Dazu sind auch die Träger der Jugendhilfe und Vertreter der Einrichtungen mit an den Tisch zu holen.

Zweitens. Sie müssen die Kapazitäten für die Erzieherinnenausbildung an den staatlichen berufsbildenden Schulen ausbauen. Sie verweigern leider zum Teil die Einrichtung entsprechender Klas

sen. Sie richten nur unter starkem Druck entsprechende Klassen ein.

Drittens. Sie müssen für die langfristige Sicherung der Ausbildung zur Erzieherin mindestens einen weiteren Studiengang für das Lehramt der Fachrichtung Sozialpädagogik in Niedersachsen einrichten.

Viertens. Sie müssen die Zahl der Studienseminarplätze für diese Lehrkräfte erhöhen.

Fünftens. Wir haben in Niedersachsen über 1 000 ausgebildete, erwerbslose Sozialassistentinnen, die leider nicht in der Lage sind, einen Zuschuss in voller Höhe für die anschließende zweijährige Erzieherinnenausbildung von der Bundesagentur zu bekommen. Sie bekommen nur zwei Drittel. Andere Bundesländer finanzieren das letzte Drittel. Niedersachsen weigert sich hartnäckig. Auch hier müssen Sie eine entsprechende Maßnahme einleiten.

Sechstens. Die Kapazitäten an den vorhandenen Schulen werden wahrscheinlich nicht ausreichen. Daher könnte man auf die Ressourcen der Berufsförderungswerke hinweisen, die man, weil dort die entsprechenden Kapazitäten vorhanden sind, vielleicht für einen Zeitraum von drei Jahren dazu benutzen könnte, um diese Sozialassistentinnen und Sozialassistenten weiter zu qualifizieren.

Siebtens. Das Land kann weitere gemeinsame Modelle mit den entsprechenden Akteuren erproben. Ich verweise nur auf ein Beispiel von BadenWürttemberg, wo eine duale Ausbildung zur Erzieherin in einem entsprechenden Ausbildungsgang von drei Jahren absolviert werden kann. Modellhaft ist das durchaus eine Überlegung wert.

Achtens. Das Ganze ist durch zusätzliche Fortbildungsmaßnahmen für Erzieherinnen zu begleiten, die in den Krippen tätig werden sollen, damit auch dort die Bedürfnisse der kleinsten Kinder ausreichend gewürdigt werden.

Meine Damen und Herren, während diese Landesregierung noch bestreitet, dass es überhaupt einen Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern gibt, handeln wir und legen ein Konzept vor.

(Starker Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Vockert das Wort. Bitte schön!

(Johanne Modder [SPD]: Einfach sa- gen: Das übernehmen wir!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Modder, bereits 2009 haben wir uns im Niedersächsischen Landtag mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Das Thema ist immer noch aktuell, aber ich wollte nur noch einmal darauf hinweisen, wann wir uns schon einmal mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben. Frau Kollegin Heiligenstadt hat ja gesagt, wir brauchen 5 000 Erzieherinnen und Erzieher. Wir haben damals gesagt, dass wir damit nicht auskommen.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Wir haben damals gesagt, wir rechnen mit 10 000 Personen, die wir benötigen, weil wir nämlich wissen - das können Sie gerne nachlesen, Frau Kollegin Heiligenstadt -, dass die meisten Kräfte 21 bis 31 Wochenstunden arbeiten. Wir haben bereits damals darauf aufmerksam gemacht, dass pro Jahr 1 500 Erzieherinnen und Erzieher unsere Schulen in Niedersachsen verlassen, darüber hinaus 700 Sozialassistenten und ferner 150 Personen, die sich an den Hochschulen befinden. Wenn Sie das zusammenrechnen - das habe ich Ihnen damals schon vorgerechnet -, sind es 2 350 pro Jahr. Multiplizieren Sie das einmal mit fünf! - Ich habe vorhin gesagt: 10 000. Wir haben gesagt, wir müssen mehr machen und immer noch mehr machen, weitermachen und insofern auch Anreize schaffen.

Wir haben eine vielfältige, bunte Landschaft in der Bundesrepublik Deutschland und haben immer gesagt: Wir setzen auf Qualität! - Darüber sind wir unendlich froh. Wir haben die Kinderpflegerausbildung abgeschafft. Wir haben Mindestvoraussetzungen geschaffen - Realschule - und haben immer gesagt: Um Gottes willen, nicht alleine Betreuung, Billigmodell! Das kommt für uns gar nicht infrage. Wir wollen keine Light-Erzieherinnen. Wir wollen auch keine Nebenbei-Erzieherinnen. Das Thema ist uns so wichtig.

Wir reden heute Nachmittag über den Grundbildungspakt. Sprachbildung, Sprachförderung müssen von Anfang an ansetzen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns bereits 2008/2009 damit auseinandergesetzt, die Erzieherausbildung angeho

ben und auf Qualität gesetzt - genau wie es in unsere Konzeption Bildung, Erziehung und Betreuung hineinpasst.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Fest steht, dass man versuchen kann - wie Frau Kollegin Heiligenstadt es eben versucht hat -, einen Mangel herbeizureden.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Sie bestreiten ja schon wieder den Man- gel! - Gegenruf von der CDU: Wir ha- ben keinen Mangel!)

Vielleicht habe ich ja auch eine rosarote Brille auf, Frau Kollegin Heiligenstadt, wenn ich jetzt sage: Zumindest ist in den vielen Gesprächen, die wir führen, nicht in irgendeiner Form darauf hingewiesen worden - vor dem Hintergrund der Zahlen, die ich eben genannt habe -, dass es einen eklatanten Mangel gibt. Selbst am 11. Juli - das ist in der Zeitung nachzulesen - sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Herr Ernst, dass kein Bürgermeister bei ihm in irgendeiner Form die Frage gestellt hat: Gibt es noch irgendwo Erzieher? Bei uns sind so viele Stellen offen! Gibt es noch Sozialassistenten? Bei uns sind so viele Stellen offen! - Es liegen keine Anfragen vor.

Sie, die linke Seite in diesem Hause, reden etwas herbei, bauschen etwas auf und nehmen die Diskussion auf Bundesebene nicht zur Kenntnis, die insgesamt geführt wird, weil andere Bundesländer eben nicht ein solches gutes System wie wir haben. Vier Jahre Ausbildung, in die die praktischen Anteile integriert sind, haben andere Bundesländer in der Form nicht. Wir sind da verdammt gut aufgestellt. So soll es bleiben. Deswegen brauchen wir uns überhaupt keine Sorgen zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Sie ha- ben nichts verstanden!)

Frau Reichwaldt für die Fraktion DIE LINKE, Sie haben jetzt das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Vockert, ich habe eben, ehrlich gesagt, die Logik in Ihrer Rede nicht verstanden.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Erst beschreiben Sie einen deutlichen Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern und sagen dann, er ist nicht da.

(Jens Nacke [CDU]: Ich glaube nicht, dass Frau Vockert so lange reden kann, bis Sie das verstehen, Frau Reichwaldt!)

- Ich bin mir ziemlich sicher, dass das, was Sie jetzt sagen, wirklich nicht stimmt.

Niedersachsen wird im nächsten Jahr den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz nicht erfüllen können. Das liegt nicht nur an den noch fehlenden Plätzen, sondern auch an dem, was Sie immer wieder bestreiten: Es fehlen Erzieherinnen und Erzieher in Niedersachsen.

Diese Erzieherinnenlücke war Ihnen bekannt. Lassen Sie mich zwei Rechnungen als Beispiel nennen: