Protocol of the Session on July 18, 2012

Meine Damen und Herren, was wollen wir ändern? Was ist wesentlich? - Erst einmal wollen wir diesen unsäglichen Ordnungsbegriff streichen. Dadurch bekommt das Gesetz natürlich einen anderen Namen. Der unklare, schwammige Begriff der öffentlichen Ordnung hat in einem Polizeigesetz keine Daseinsberechtigung. Das hat schon das Bundesverfassungsgericht festgestellt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe CDU, mit Ihrem Einsatz der Polizei für öffentliche Ordnung wollen Sie Law-and-Order-Signale an rechtskonservative Wählerschaften senden. Einem rechtlich klar abgrenzbaren Polizeizuständigkeitsbereich dient das nicht.

Wir haben auch die Hilfspolizistinnen und Hilfspolizisten im Gesetz gestrichen. Die Aufgaben, die Hilfspolizistinnen und Hilfspolizisten wahrnehmen, müssen von Beamtinnen und Beamten ausgeübt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die bisherigen Einsatzbereiche sind mehr als fragwürdig. Schauen Sie sich die Antwort auf unsere Kleine Anfrage an! Man muss sich fragen: Warum musste bis 2004 in Weser-Ems ein Hafenmeister Hilfspolizist sein? Welche Notwendigkeit besteht, 54 Hilfspolizistinnen und Hilfspolizisten bei der Osthannoverschen Eisenbahn AG einzusetzen? - Dafür gibt es überhaupt keine Erklärung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Hilfspolizistinnen und Hilfspolizisten greifen in Grundrechte ein. Sie sind exekutiv tätig. Wenn polizeiliche Befugnisse notwendig sind, dann muss die Polizei her, und wo Polizei draufsteht, muss auch Polizei drin sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Gerd Ludwig Will [SPD])

Meine Damen und Herren, wir wollen einen unabhängigen Polizeibeauftragten im Gesetz verankern. Seit Jahren fordern das Bürger, Menschenrechtsgruppen und Amnesty. Sie fordern eine unabhängige Beschwerdestelle mit unabhängigen Untersuchungsmechanismen. Nach Amnesty hat selbst der UN-Antifolterausschuss die Umsetzung in Bund und Ländern gefordert. Wir wollen, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger und alle Beamtinnen und Beamten an die Polizeibeauftragte bzw. den Polizeibeauftragten wenden können. Damit stellen wir unabhängige Ermittlungen sicher, die in Fällen von Übergriffen durch die Polizei, aber auch bei Konflikten innerhalb der Polizei durchgeführt werden können. Mit der Einrichtung einer oder eines unabhängigen Polizeibeauftragten würde das Land Niedersachsen in Sachen Bürgerrechte, Transparenz und Vertrauen einen großen Schritt nach vorne machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Schritt nach vorne ist die Kennzeichnung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Niedersachsen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Einsätzen sich ausweisen und in geschlossenen Einsätzen zumindest individuell identifizierbar sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kennzeichnung dient der Bürgerfreundlichkeit und dem Vertrauen in die Polizei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie ist kein Affront gegen die Polizei. Sie ist das Aushängeschild einer bürgerfreundlichen, transparenten Polizeiarbeit, wie wir sie in Niedersachsen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Viele andere Bundesländer führen diese Kennzeichnung jetzt ein. Wir sollten nicht zurückstehen.

Meine Damen und Herren, die Eingriffe in Grundrechte durch Schwarz-Gelb müssen bald der Vergangenheit angehören. Wir kennen die Moscheekontrollen, die traurige Berühmtheit im Lande Niedersachsen erlangt haben. Die verdachtsunabhängigen Kontrollen haben mit unserem Gesetzentwurf endgültig ein Ende.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die vorherige Vorschrift enthielt so gut wie gar keine begrenzenden Vorgaben und diente in der Praxis vor allem dazu, Menschen mit Migrationshintergrund zu kontrollieren, zu diskriminieren und in den Augen der Öffentlichkeit zu kriminalisieren. Damit muss Schluss sein!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir Grüne regeln in unserem Gesetzentwurf erstmals die Gefährderansprache. Wir schränken sie deutlich ein. Das ist mehr als überfällig. Die Gefährderansprache wird mittlerweile vor polizeilichen Großeinsätzen fast routinemäßig eingesetzt. Hier hat sich eine polizeiliche Standardmaßnahme entwickelt, die sich nur auf eine Generalklausel stützt, die nicht einmal eine Rechtsmittelbelehrung beinhaltet.

Wir stellen mit unserer Vorschrift klar, dass eine Gefährderansprache nur an der Wohnung, nicht am Arbeitsplatz oder im sonstigen privaten Umfeld durchgeführt werden darf. Der Schutz des allge

meinen Persönlichkeitsrechts muss sichergestellt sein.

Des Weiteren haben wir die unter Schwarz-Gelb vorgenommene Ausweitung des Unterbindungsgewahrsams von vier auf zehn Tage - die sogenannte Lex Gorleben - in unserem Gesetzentwurf wieder eingeschränkt. Polizeigewahrsam kann nur eine kurzfristige und vorläufige Maßnahme zur konkreten Gefahrenabwehr sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alles andere schränkt Bürgerrechte massiv ein und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Bewegungsfreiheit dar. Es grenzt sogar an Freiheitsberaubung.

(Editha Lorberg [CDU] lacht)

Wir schränken nicht nur die Dauer des Gewahrsams und die Freiluft-Ingewahrsamnahmen ein, wir verschärfen auch den Richtervorbehalt. Wenn wir bei der Freiheitsentziehung so gravierend in die Grundrechte eingreifen, dann müssen wir auch in der Lage sein, die richterliche Entscheidung innerhalb von sechs Stunden sicherzustellen. Alles andere ist eines Rechtsstaates nicht würdig. Ein Rechtsstaat braucht Rechtssicherheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir Grüne haben uns mit dem Gesetz auch das Ziel gesetzt, das Sammeln, das Speichern und die Weitergabe von Daten deutlich einzuschränken. Wir haben die Datenschutzregeln zum Kernbereichsschutz auf der Grundlage der jetzt gültigen Rechtsprechung überarbeitet. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Vertrauen in die Integrität informationstechnischer Systeme müssen auch in Niedersachsen Geltung haben.

Ebenso schränken wir ausufernde permanente Videoüberwachung ein. Immer mehr öffentliche Räume und private Räume werden erfasst und ausspioniert. Meine Damen und Herren, wir untersagen die anlasslose Videoüberwachung von Großveranstaltungen ebenso wie die ausufernde Kfz-Kennzeichenerfassung.

Wir schränken die sogenannte Rasterfahndung und Standortermittlung erheblich ein und passen sie an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes an.

Wir verbessern und erweitern - das ist für uns alle wichtig - die parlamentarischen Kontrollmechanismen. Das Parlament hat das Recht, zeitnah um

fassende Informationen über polizeiliche Datenerhebungen zur Kenntnis zu bekommen, und die Pflicht, diese Erhebungen zu kontrollieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wissen um die Schwierigkeiten und Alltagsprobleme in der Polizeiarbeit.

(Thomas Adasch [CDU]: Offenbar nicht!)

Aber diese Schwierigkeiten kann man nicht mit immer mehr Eingriffsbefugnissen für die Beamtinnen und Beamten lösen.

Mit unserem Gesetzentwurf legen wir ein modernes, bürgerfreundliches Polizeigesetz vor, das diesen Anforderungen gerecht wird. Wir freuen uns auf spannende Ausschussberatungen und die Anhörung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE hat nun Frau Zimmermann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrem Entwurf eines Gefahrenabwehrgesetzes beabsichtigt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, umfängliche Veränderungen des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorzunehmen.

(Zuruf von der CDU: Das haben wir ja eben schon gehört!)

Um es vorwegzunehmen: Viele Punkte darin weisen in die richtige Richtung. Allerdings spricht der Einbringungszeitpunkt für einen solch umfänglichen Gesetzentwurf dafür, dass hier ein Pflock für die kommende Legislaturperiode eingeschlagen werden soll. Das ist gut so, und das ist auch legitim. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir werden im kommenden Landtag sehr genau verfolgen, wie ernst es Ihnen mit den im Gesetzentwurf enthaltenen Punkten wirklich ist.

Meine Damen und Herren, zwei in dem Gesetzentwurf verankerte Forderungen hat meine Fraktion bereits in dieser Legislaturperiode mit parlamentarischen Initiativen auf die Tagesordnung gesetzt. Zum einen wollten wir im Jahr 2010 mit einem Antrag mit dem Titel „Kennzeichnungspflicht stärkt Vertrauen in die Polizei“ durchsetzen, dass

ab dem 1. Januar 2011 alle Polizistinnen und Polizisten des Landes Niedersachsen während ihrer dienstlichen Tätigkeit durch das Tragen einer Dienstnummer kenntlich werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit würde ausdrücklich das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat gestärkt werden.