„Gerade in verdichteten Gebieten, die Verflechtungsbereiche eines oder mehrerer zentraler Orte mit oberzentralen Funktionen umfassen, kann Planung nicht an Stadt-LandkreisGrenzen Halt machen.“
„Bei verdichteten Räumen, die von regionalplanerischen Zuständigkeitsgrenzen kreisfreier Städte und der ihnen benachbarten Planungsträger zerschnitten werden, ist eine überörtliche Steuerung und Koordinierung im Sinne des bundesgesetzlichen Auftrags der Raumordnung nach § 1 ROG nur möglich, wenn die StadtUmland-Verflechtungen auch auf planerischer Ebene verbindlich ineinandergreifen. Von daher kommt einer gesamträumlichen regionalen Planung und Abstimmung dort besondere Bedeutung zu.“
(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das sollten Sie mal ernst nehmen! - Silke Weyberg [CDU]: Das haben Sie falsch verstanden!)
Man muss fragen, wie man das Problem lösen kann. Man könnte es z. B. dadurch lösen, dass man verbindlich vorschreibt, dass kommunale Zweckverbände gegründet werden, um auf diese Weise neue Träger der Planung zu schaffen, die wirklich auf Regionsebene und nicht auf Kreisebene das umsetzen, was das Raumordnungsgesetz des Bundes eigentlich von Niedersachsen verlangt. Da das in diesem Gesetzentwurf nicht gewährleistet ist, werden wir den Gesetzentwurf der Landesregierung ablehnen.
Interessanterweise kann schon ein einziges Wort ein Gesetz grundlegend ändern. Für das Zielabweichungsverfahren ist bisher geregelt, dass die sogenannten fachlich berührten Stellen, zu denen z. B. die Industrie- und Handelskammern gehören, einen sehr hohen Einfluss haben, weil es in dem Zielabweichungsverfahren auf ihr Einvernehmen ankommt. Das Wort „Einvernehmen“ möchten wir durch das Wort „Benehmen“ ersetzen. Mit anderen Worten: Wir wollen kein Vetorecht der Industrie- und Handelskammer im Zielabweichungsverfahren, sondern wir wollen nur, dass sie angehört wird. Das macht auch Sinn! Ein Einvernehmen sollte mit den demokratisch gewählten Instanzen, also mit den kommunalen Vertretungen, im Rahmen des Zielabweichungsverfahrens hergestellt werden.
Möglicherweise wissen nicht alle von Ihnen, dass der Gesetzentwurf einen Hintergrund hat. Der Hintergrund liegt in einem lokalen Konflikt in Oldenburg, wo die Industrie- und Handelskammer eine von allen Seiten befürwortete Ikea-Ansiedlung blockiert und das Einvernehmen gegen den demokratisch gewählten Rat verweigert hatte und dadurch praktisch in eine Erpresserrolle geraten war, um die Kommunalpolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie hatte damals gefordert, wir stellen das Einvernehmen nur her, wenn die gewünschte ECE-Ansiedlung in Oldenburg realisiert wird.
Übrigens nicht nur wir, sondern auch die CDU in Oldenburg und der CDU-Kreisvorsitzende, Herr Klaukien, haben genau diese Regelung, die jetzt Gegenstand unseres Gesetzentwurfes ist, vorgeschlagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute das Gesetz zur Neuordnung des niedersächsischen Raumordnungsrechts. Anlass
ist eine geänderte Kompetenzlage auf Bundesebene, die durch die Föderalismusreform entstanden ist. Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf ist im Gegensatz zu dem, was mein Vorredner gesagt hat, als sehr positiv zu bewerten, da die Möglichkeit genutzt wird, den Kommunen im Bereich des Raumordnungsrechts vereinfachte Verfahren zu gestatten.
Hier ist beispielsweise das vereinfachte Beteiligungsverfahren bei unwesentlichen Planänderungen ohne Umweltauswirkungen zu nennen.
Herr Adler, ich glaube, Sie haben unseren zweistufigen Aufbau der Raumordnung noch nicht ganz verinnerlicht. Aber Sie waren ja bei den Beratungen auch nicht dabei. Mit diesem Aufbau sind wir sehr gut aufgestellt: Mit dem Landes-Raumordnungsprogramm haben wir die Rahmenvorgabe, die dann durch die Regionalen Raumordnungsprogramme konkretisiert wird. Von daher entstehen die Probleme, die Sie angesprochen haben, gerade nicht.
Viele Kommunen nutzen die regionale Raumordnung insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderungen und des Wandels in der Energieversorgung sehr gut. Bei den Kommunen, die diese Möglichkeit noch nicht verinnerlicht haben, sind wir mit einiger Aufmunterung auf einem guten Weg, sodass wir feststellen können: In Zukunft werden die Kommunalpolitiker die Instrumente der regionalen Raumordnung noch deutlicher anwenden.
Würde man dem Vorschlag folgen, bei Zielabweichungsverfahren das Einvernehmen mit den Nachbargemeinden herstellen zu müssen, könnte man sich in den Planungen gegenseitig lahmlegen. Das aber kann nicht gewünscht werden. Deshalb ist das, was Herr Adler gesagt hat, auch völlig
falsch, und von daher kann man dem Gesetzentwurf der Linken eben nicht zustimmen. Ich denke, so einen Gesetzentwurf kann man nur aufstellen, wenn man sich zentralistische Planungen wünscht. Zentralistische Planungen wünschen wir uns aber auf keinen Fall.
Ein wichtiger Punkt des Gesetzentwurfs der Landesregierung ist für uns, dass kreisfreie Städte bei Aufstellung eines Flächennutzungsplans auf eine gesonderte Aufstellung eines Regionalen Raumordnungsprogramms verzichten können. Ich sage ganz bewusst: verzichten können.
Im Raum Braunschweig haben drei kreisfreie Städte die Kompetenz für die regionale Raumordnung an den Zweckverband Großraum Braunschweig abgegeben. Ob solche Entscheidungen auch in anderen Landesteilen gewünscht sind, muss unserer Auffassung nach vor Ort entschieden und darf nicht von oben verordnet werden.
Das zeichnet im Übrigen auch die Arbeit dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP aus. Wir haben hohes Vertrauen in die Entscheidungen der kommunalen Ebene.
Meine Damen und Herren, wenn sogar der Landkreistag sagt: „Wenn alle Gesetzentwürfe so wären, würden die kommunalen Spitzenverbände nur noch lächelnd durch den Landtag gehen“, dann dürfen der Gesetzentwurf und seine Entstehung sicherlich als großer Wurf angesehen werden.
Ich denke, wir können abschließend festhalten, dass diese Landesregierung und die Mehrheit in diesem Hohen Haus den kommunalen Spitzenverbänden in den letzten zehn Jahren mehr Grund zur Freude gegeben haben, als das vor 2003 der Fall war.
Auf den Beitrag von Frau Weyberg hat sich Herr Adler zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort für 90 Sekunden. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, nur eine Richtigstellung, weil Sie unseren Gesetzentwurf offenbar nicht richtig gelesen haben: Darin ist nicht vom Einvernehmen der benachbarten Gemeinde die Rede, sondern vom Einvernehmen mit den betroffenen Gemeinden; so heißt es in § 11 Abs. 1 Satz 1. Das bedeutet: Wenn ein Vorhaben wie z. B. eine Ansiedlung von Ikea blockiert werden soll, dann kann nur diejenige Gemeinde ein Veto einlegen - und damit das Einvernehmen verweigern -, die durch die Lage des Vorhabens betroffen ist, nicht aber irgendeine benachbarte Gemeinde.
Herr Adler, aber genau da liegt doch das Problem! Wenn man ein Einvernehmen herstellen muss - im Unterschied zur Herstellung des Benehmens, wie es im Moment der Fall ist -, so bedeutet das, dass sich Kommunen gegenseitig lahmlegen können.