Protocol of the Session on July 17, 2012

(Zustimmung von Uwe Schwarz [SPD])

Im Februar 2010 haben wir Ihnen diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Bereits im Mai fand eine Fachanhörung statt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich dachte: Mensch, das ging schnell. Offensichtlich ist das nicht nur so dahergeredet. Offensichtlich meinen Sie das ernst, dass Sie einer Pflegekammer aufgeschlossen gegenüberstehen. - Die Landesregierung beteuerte das auch verbal.

Jenseits des Verbalen gingen aber andere Dinge vor sich. Man sprach mit den Pflegenden, mehrmals. Man gab ihnen Aufgaben, die sie erfüllen sollten, und sie haben diese Aufgaben auch erfüllt. Es ist ja schön, wenn man miteinander spricht, nicht aber dann, wenn das Sprechen vom Nichthandeln ablenken soll.

Mehr als zwei Jahre sind jetzt vergangen. Die Ministerin hat die Pflegenden hingehalten. Sie hat ihnen viel versprochen; sie war verbal aufgeschlossen. Passiert ist aber überhaupt nichts! Und jetzt, nach zweieinhalb Jahren, kommen CDU und FDP mit diesem windelweichen Antrag und versuchen, das Thema vom Tisch zu wischen und an der Pflegefront Ruhe im Karton zu schaffen. Aber nicht mit uns!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Die Pflegekräfte in Niedersachsen, vertreten durch den Niedersächsischen Pflegerat und den Förderverein zur Einrichtung einer Pflegekammer, deren Vertreterinnen und Vertreter hier im Hause ich sehr herzlich begrüße - sie sind unter uns und hören sich diese Debatte an -,

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Ro- land Riese [FDP]: Das macht der Prä- sident! Das machen nicht Sie!)

sind enttäuscht davon, wie mit ihnen umgegangen worden ist. Ich kann das gut verstehen. Ich wäre auch enttäuscht, wenn man mich mehr als zwei Jahre hingehalten hätte und dann versucht wird, weiter auf Zeit zu spielen und das mit noch mehr warmen Worten zu verbrämen.

Meine Damen und Herren, die Pflege braucht keine Imagekampagnen mehr. Sie braucht keine erzählte Anerkennung. Sie braucht praktische Taten. Sie braucht die Sicherung einer angemessenen gesellschaftlichen Stellung und Mitsprache. Das kann eine Pflegekammer leisten. Sie werden es nicht schaffen, den Eindruck zu erwecken, dass Sie den Berufsstand der Pflege ernst nehmen, wenn Sie gleichzeitig so agieren, wie Sie es tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Glocke des Präsidenten)

Sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in SchleswigHolstein sind die Landesregierungen bereit, Pflegekammern zu errichten. Warum soll denn das in Niedersachsen nicht möglich sein? Warum müssen Sie mit großem Tamtam noch ein Gutachten in Auftrag geben, wenn bereits ein Gutachten vorliegt, das die rechtliche Zulässigkeit einer Pflegekammer bestätigt? - Damit haben Sie sich auch sehr lange Zeit gelassen. Dieses Gutachten ist nämlich gerade erst in Auftrag gegeben worden, und ich sage Ihnen auch, warum: Weil Sie es nicht wollen! Das ist der einzige Grund.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Wir sind weiter als die anderen!)

Ihre Kollegin, die Christdemokratin Julia Klöckner, ist da wesentlich weiter.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Ich zitiere einmal:

„Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur wird dazu führen, dass der Bedarf an professioneller Pflege in den kommenden Jahren massiv zunehmen wird. Im Hinblick auf diese Entwicklung halten wir Christdemokraten die Einrichtung einer Pflegekammer für Rheinland-Pfalz für unumgänglich.“

Da hat sie recht. Das gilt in Niedersachsen ganz genauso.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die Pflegenden wollen die Qualität der pflegerischen Versorgung sichern. Sie betrachten es als ihren Auftrag, dies zu tun. Sie versuchen es bereits heute unter zum Teil unzumutbaren Bedingungen. Von dieser Landesregierung und von CDU und FDP in diesem Landtag erhalten sie sehr wenig bis keine Unterstützung.

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen.

Das ist außerordentlich schade. Aber lange werden die Pflegenden das ja nicht mehr aushalten müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Riese das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Genehmigung des Präsidenten möchte ich meine Ausführungen mit einem Zitat eröffnen:

„Der Vorschlag … eine Pflegekammer einzurichten, löst kein einziges Problem. Kammern kommen aus der mittelalterlichen Ständegesellschaft und werden inzwischen sogar bei den Ärzten immer mehr infrage gestellt - gerade wegen ihrer Erstarrungs- und Bürokratisierungstendenzen. Nötig ist eine wirkliche Reform der Ausbildung in sämtlichen Berufen der Pflege, des Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitswesens. Wir streben eine bundesweit einheitliche Regelung nach dem Berufsbildungsgesetz an. Diese würde es ermöglichen, gemeinsame fachübergreifende Elemente, Durchlässigkeit, Weiterbildung und Qualitätsstandards festzulegen und regelmäßig nach bewährten Verfahren unter Beteiligung der Spitzenorganisationen weiterzuentwickeln.“

(Unruhe)

Ich darf die Kolleginnen und Kollegen noch einmal auffordern, die Gespräche einzustellen oder sie räumlich zu verlagern.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Jetzt wollen wir auch wissen, von wem das Zitat ist!)

- Das gilt auch für Sie, Herr Kollege Klare. - Bitte, Herr Kollege!

Ich erfülle den Wunsch des Kollegen Klare sehr gerne. Dieses umfängliche Zitat stammt aus dem Beschlussbuch der Bayern-SPD aus dem August 2011.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aha!)

Und wie das dann so läuft bei solchen Anträgen: Der Antrag ist für den Bundesparteitag der SPD im Dezember 2011 empfohlen worden. Dort ist er nicht abgelehnt worden - auch ein anderer nicht, in dem ein eindeutiges Nein zu den Pflegekammern formuliert ist -, sondern er ist an die Bundestagsfraktion der SPD weitergeleitet worden.

(Stefan Schostok [SPD]: Als Material!)

Die Bundestagsfraktion der SPD hat zum Thema Pflegekammer keine Meinung.

(Zurufe von der SPD)

Meine verehrten Damen und Herren, Sie erinnern sich daran! Im Januar 2010 haben wir hier einen sehr guten Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Thema Vereinheitlichung der Pflegeausbildung diskutiert. Den haben Sie damals auch abgelehnt. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, können von der Bayern-SPD noch eine ganze Menge lernen. Es gilt der alte Grundsatz: Deutschland braucht Bayern.

(Heiterkeit - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Aber nicht die FDP! - Weitere Zurufe von der SPD und von der LIN- KEN - Glocke des Präsidenten)

Frau Modder hätte jetzt die Gelegenheit, ein Wahlversprechen einzulösen. Sie erzählt der ostfriesischen SPD, dass sie bei meinen Reden hinausgeht. Jetzt könnten Sie es machen, Frau Modder.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Aufgaben der Kammern sind alle in § 9 des niedersächsischen Heilkammergesetzes abgebildet. Da geht es um Standesrecht. Da geht es um die Fürsorgeeinrichtungen für die Kammermitglieder, die Frau Helmhold und die Fraktion der Grünen wohlweislich und aus wirklich guten Gründen aus ihrem Gesetzentwurf für die Pflegekammer herausgenommen haben. Da geht es um Qualitätssicherung und Regulierung der Weiterbildung. Aber die erste Aufgabe der Kammern der Heilberufe ist es ja, im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit die gemein

samen beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder zu wahren.

Meine Damen und Herren, Mitglied einer Pflegekammer könnten nur solche Pflegekräfte sein, die ein Examen haben, also qualifiziert sind. Wir wissen, dass die niedersächsische Pflegelandschaft eine ganze Reihe und eine stark zunehmende Anzahl dieser Kräfte hat, weil wir in Niedersachsen so hervorragend ausbilden und die Ausbildung in den letzten Jahren aus Landesmitteln auch stark gefördert haben - mit erkennbaren Ergebnissen. Trotzdem ist eine Pflegelandschaft in Niedersachsen in den ambulanten Diensten und in den stationären Einrichtungen natürlich gar nicht möglich ohne eine ganz erhebliche Anzahl von Kräften, die dort als Hilfskräfte unterhalb der Examensschwelle mitwirken.

Meine Damen und Herren, was würde sich denn ereignen, wenn wir eine Pflegekammer hätten? - Sie würde sich doch auf der Stelle damit beschäftigen, die Kräfte ohne Examen aus dem Beruf herauszudrängen. Die Lücken, die dort entstünden, wären so kurzfristig gar nicht durch zusätzliche Fachkräfte zu füllen.

Wir haben die Angelegenheiten der Pflegekammer und auch die anderen Angelegenheiten der Pflege immer wieder im Sozialausschuss erörtert und dort regelmäßig Anhörungen durchgeführt. Frau Skibicki und Frau Mauritz gehen dort ein und aus. Sie sind nicht nur sehr willkommene Gäste, sondern haben uns mit ihrer Fachlichkeit auch sehr bereichert.

Wer aber - wie Herr Schwarz in seiner Presseinformation zu diesem Thema - den Pflegenotstand beschwört, der muss sehr viel differenzierter mit der Frage der Kammer umgehen. Denn es gibt ja nicht nur das von Frau Helmhold gebetsmühlenartig immer wieder angesprochene Gutachten, das sich über die rechtliche Zulässigkeit von Pflegekammern äußert, sondern auch eine ganze Reihe von Gutachten, u. a. beim Landtag NordrheinWestfalen, die die verfassungsmäßigen Schwierigkeiten hervorheben. Diese sind beileibe nicht abgearbeitet.

Deswegen ist der Weg der Bundesländer, die bei den Kräften eine Umfrage durchführen, ob tatsächlich alle Pflegekräfte zwangsverkammert werden wollen, schon einmal ein richtiger Weg. Dabei muss man aber natürlich auch die Auswirkung auf die Kräfte ohne Examen berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, die Pflegelandschaft hat sich in Niedersachsen in den letzten Jahren hervorragend entwickelt - auch ohne Pflegekammer. Die Rechte der Pflegekräfte sind gestärkt. Auf diesem Wege wandeln wir weiter fort.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin Helmhold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Riese, ich musste jetzt doch noch einmal hier nach vorne wandeln. Ich kann gar nicht auf alles eingehen, aber einen Punkt in Ihrer Argumentation möchte ich gerne noch einmal vertiefen. Sie haben gesagt: Weil es so viele Hilfskräfte in der Pflege gibt, darf es keine Pflegekammer geben; denn sonst würden die examinierten Kräfte die nicht examinierten herausdrängen. - Jetzt frage ich Sie einmal: Wie ist das denn bei den Architekten? Da gibt es auch Technische Zeichner. Sind die seitdem etwa ausgestorben? Bei den Ärzten gibt es Arzthelferinnen. Bei den Notariaten gibt es Notariatsgehilfinnen und sogar Büroleitungen. Mit Verlaub, Herr Kollege: Es ist wirklich hanebüchener Unsinn, was Sie hier eben erzählt haben.