Bevor wir zum Ende dieses Tagesordnungspunktes kommen, hat sich Herr Thiele noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Präsident hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht, dass der Begriff „Sauerei“ unparlamentarisch sei. Meine Damen und Herren, erstens gibt es an der Ems keine Schweine, zweitens können sie auch nichts dafür, und drittens entschuldige ich mich dafür.
Museumspläne von Kulturminister Stratmann gehören in den Papierkorb! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/454
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In den Wochen seit Anfang Juli haben wir in der niedersächsischen Kulturpolitik ein beispielloses Verwirrspiel erlebt. Das Drama begann mit der Ankündigung einer Pressekonferenz zur Gründung eines neuen Instituts für Archäologie und Denkmalpflege, das zwei bisher bestehende Ämter zusammenführen sollte, nämlich das Landesamt für Denkmalpflege und das Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung. In dieses neue Institut wollte man auch das Landesmuseum Braunschweig integrieren.
Nach dieser Pressekonferenz, deren Thema übrigens mit den beteiligten Museen und Einrichtungen ganze zwei Stunden vorher besprochen worden ist, brach ein Sturm der Entrüstung im ganzen
Land aus, vor allen Dingen natürlich in Braunschweig und Hannover. Es gab Demonstrationen vor den Museen in Hannover und Braunschweig, man sprach von einer Spaltung der beiden Kulturstätten, und selbst die Kollegin Mundlos hat sich in der Zeitung zu Wort gemeldet und davon gesprochen, dass der Minister einen Kriegsschauplatz eröffnet habe. Letztendlich musste der Minister sogar vor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz auftreten und seine Pläne erklären. Anschließend sah sich die Stiftung genötigt, eine eigene Erklärung abzugeben, weil die Pressemitteilung des MWK wohl nicht den Inhalt dieses Gesprächs wiedergab.
Welche Umstrukturierungen wurden angekündigt? Wir haben Schwierigkeiten gehabt, dies nachzuvollziehen, weil weder in der Antrittsrede des Ministers im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur noch in der von uns beantragten Sondersitzung mehr als ein Grobkonzept zu erfahren war. Wir kennen eine Kabinettsvorlage, über die, weil sie angeblich keine Kabinettsvorlage ist, wir uns auch nicht unterhalten können. Bis heute haben wir also keine ordentliche Debatte über dieses wichtige Thema der Neuorientierung bzw. Stärkung der Bereiche Denkmalpflege und Archäologie geführt.
Aus den Zeitungen haben wir erfahren, dass es dem Minister um eine Stärkung der Strukturen sowie darum geht, die Museen, die er für unmodern und schlecht aufgestellt hält, besser auszustatten und unsere Schätze besser zu vermitteln und zu präsentieren. Darüber haben wir uns sehr gewundert, weil wir sehr gut aufgestellte Museen haben. Man muss sie nur das machen lassen, was sie gut können, nämlich die Präsentation ihrer Schätze. Das aber können sie zurzeit leider nicht.
Die niedersächsische Kulturpolitik weist zahlreiche Baustellen auf. Ich erwähne nur drei: Erst in der letzten Woche haben wir den Kulturfinanzbericht des Bundesamtes für Statistik auf den Tisch bekommen. Danach steht Niedersachsen bei der Ausstattung der Museen an zweitletzter Stelle aller Bundesländer. Wir investieren 8,80 Euro pro Einwohner in unsere Museen. Ein Bericht über die Evaluation der regionalen Kulturförderung macht große Verlierer aus, etwa die Soziokultur und die Kunstschulen. Außerdem haben wir chronisch unterfinanzierte Landestheater und Landesmuseen,
die aufgrund der gestiegenen Energiekosten, der Inflation und der Tarifsteigerungen kaum in der Lage sind, ihre Arbeit ordentlich zu machen.
Vor diesem Hintergrund wurde eine Debatte vom Zaun gebrochen, deren Gegenstand weder mit den Beteiligten noch mit den Experten vor Ort ordentlich besprochen worden ist. Im Kulturteil der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung haben wir heute einen besonders bemerkenswerten Bericht über die Schätze lesen können, die z. B. im Landesmuseum Hannover zu sehen sind. Herr Stratmann, Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, wie wir uns aufstellen und wie wir die Schätze, die wir in unseren Einrichtungen im Land Niedersachsen haben, besser präsentieren können. Wir sollten uns - das ist eine Bitte bzw. ein Angebot an alle Fraktionen hier im Landtag - im zuständigen Ausschuss etwa im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit den Beteiligten und den Experten der Museen endlich zusammensetzen und darüber diskutieren, wie wir die Stärken niedersächsischer Museen vernünftig zur Geltung kommen lassen können.
Ich ende mit einem Kommentar des Journalisten Meyer-Arlt, der in seinem Bericht über Kulturausgaben in der HAZ sehr schön beschrieben hat, wie wir in Niedersachsen zurzeit in der Kulturpolitik stehen:
„Es ist beschämend, dass man nicht einmal versucht, daran etwas zu ändern. Niedersachsen ist ein Flächenland. Bald lobt man seine Flachheit.“
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Frau Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Museumsdebatte ist ja inzwischen schon symptomatisch für den eher glücklosen Politikstil von Minister Stratmann.
Die jüngsten Pläne jedenfalls zur Neustrukturierung der Museen sind sowohl inhaltlich als auch handwerklich ein Flop und haben zu Recht, wie ich
finde, enorme Empörung ausgelöst. Die Pannenserie fing schon damit an - darauf hat die Kollegin schon hingewiesen -, dass die Vorstellung der neuen Pläne schlicht ein Versagen der stratmannschen Kommunikationsstrategie aufgedeckt hat. Obwohl es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Gesprächsmöglichkeiten mit den Museen gab, ist das neue Konzept dort nie vorgestellt worden, sondern es wurde den betroffenen Museen ein halbe Stunde vor der Pressekonferenz mitgeteilt, in der dann das neue Konzept vorgestellt werden sollte. Dementsprechend sah auch das Ergebnis aus: unausgegoren und völlig an den lokalen Interessen und Gegebenheiten vorbei.
Damit hier kein falscher Eindruck über unsere Position zum Thema der Museen entsteht: Natürlich ist das ständige Überarbeiten von Museumskonzepten dringend geboten; denn es ändern sich das Besucherverhalten, die museumspädagogischen Konzepte und die Ausstellungstechnik. All diese Überlegungen dürfen keinen Tabus unterliegen. Aber bei der Frage nach der thematischen Ausrichtung der Museen muss die lokale oder regionale Situation der Referenzrahmen sein. Es mag aus der Landesperspektive vielleicht sinnvoll erscheinen, radikal auf thematische Schwerpunkte zu setzen, aber dieses Konzept dann auf Kosten bestehender Angebote umzusetzen, kann vor Ort völlig am Bedürfnis der Besucher vorbeigehen. Genau das scheint hier das Problem zu sein.
Denn in Hannover sind alte Meister nun einmal kein Ersatz für die Mischung aus Kunst, Aquarien und archäologischer Sammlung, die Schulklassen und Kinder gerade attraktiv finden. Die Braunschweiger werden sich ihr verfassungsrechtlich verbrieftes eigenständiges Museum zur Darstellung ihrer Braunschweiger Landesgeschichte nicht für eine Abteilung eines archäologischen Instituts abkaufen lassen. Das tun sie zu Recht nicht; denn es fehlen überzeugende fachliche Argumente.
Herr Minister Stratmann, Sie sind bis heute nicht in der Lage, die eigenen Pläne fachlich wirklich zu verteidigen. Sie streuen einfach Schlagworte wie „Profilschärfung“ unters Volk, machen ein paar nicht zu Ende gedachte Vorschläge und wundern sich dann über wilde Spekulationen über den Abzug ganzer Sammlungskonvolute. Das Braunschweigische Landesmuseum wird schlicht als
Lockangebot im Berufungsverfahren für einen Leiter des neu zu gründenden Instituts für Archäologie geopfert. Das kann in Braunschweig niemanden überzeugen. Die Denkmalpflege wird dank der Schwerpunktsetzung auf Archäologie ins Schattendasein gedrängt, nachdem sie als unbequeme Kostenlast seit der Auflösung der Bezirksregierung faktisch mehr und mehr auf die Kommunen abgeschoben worden ist.
Die von Ihnen vorgeschlagenen Eingriffe in die Struktur der Museumslandschaft müssen von den Betroffenen zwangsläufig als Willkür betrachtet werden; denn sie sind in ihrer fachlichen Herleitung einfach nicht stringent. Herr Minister Stratmann, Sie selbst eiern nur herum, lassen die Betroffenen über die Zukunft der Häuser weiterhin im Unklaren und meinen, man könne eigene Konzeptionslosigkeit durch den Einkauf eines unbestritten renommierten Experten wieder wettmachen. Wer selbst so wenige fachliche Argumente zu bieten hat und dabei auch noch jede politische Sensibilität vermissen lässt, der darf sich nicht wundern, wenn in der Debatte zum Schluss lokale Scharmützel zwischen Braunschweig und Hannover die Oberhand gewinnen.
Umso dringender ist unser Appell: Ziehen Sie die bisher vorgestellten Überlegungen zurück und beginnen Sie mit einem geordneten Verfahren unter Beteiligung der Fachleute vor Ort die Debatte um ein neues Museumskonzept. Oder, um es mit den Worten des ehemaligen Niedersächsischen Kultusministers Mahrenholz zu sagen: Herrn Minister Stratmann ist Weisheit zu wünschen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wunderbar - endlich eine Aktuelle Stunde zur Kulturpolitik! Wir alle lernen aus der Debatte, die dieser Aktuellen Stunde vorangegangen ist, dass Niedersachsen von Menschen mit großer Heimatverbundenheit bevölkert ist. Das Land Niedersachsen - im 62. Jahr seines Bestehens, im Jahr 2008 - ist nach wie vor nicht ohne seine Wurzeln vorstellbar. Diese Wurzeln bestehen nicht nur
in den ehemaligen Regierungshauptstädten Hannover, Oldenburg und Braunschweig. Wenn Sie hier im Hause oder im Lande Niedersachsen mit einem Emsländer sprechen, dann sagt er: Ich bin ein Emsländer, ich bin ein Niedersachse, ich bin ein Deutscher, ich bin ein Europäer.
- Vergleichbares werden Sie von mir als Ostfriesen hören. In dieser Weise sprechen auch die Leute aus dem Harz oder aus der Südheide.
Man identifiziert sich mit dem Ort, in dem man lebt. Man identifiziert sich mit diesem Ort durch Heimatverbundenheit. Diese Heimatverbundenheit will man in besonderer Weise natürlich in der Kultur widergespiegelt sehen, weil so vieles, was die Menschen sonst heute täglich erleben, austauschbar ist: Die Informationen, die uns aus Fernsehen und Internet entgegenschallen, sind deutschlandweit weitgehend gleich. Die örtliche Tageszeitung ist da schon etwas anders. Wenn ich mich über die Geschichte meiner Region informieren möchte, dann gehe ich zum Heimatverein oder eben in mein Museum.
Eine Kulturpolitik im Lande Niedersachsen, die diesen Umstand nicht obenan setzte, wäre verfehlt. Jetzt kommt die gute Botschaft: Die Kulturpolitik des Landes Niedersachsen und dessen Ministers Stratmann weiß um diesen Umstand.
Die Klagegesänge, die uns aus Braunschweig so laut entgegenschallen, sind parteipolitisch orientiert und geprägt. Sie zeugen von einem bedauerlichen Partikularismus, den Sie als Braunschweiger pflegen.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: So einfach kommen Sie nicht davon! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)
Richtig ist, meine Damen und Herren, dass das Ministerium am 30. Juni 2008 in einer Pressekonferenz eine Presseinformation veröffentlicht hat, deren Überschrift „Neuordnung - Archäologie und Denkmalpflege“ lautete. Darin sind natürlich in ganz besonderer Weise zunächst das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege erwähnt, in dem sich bedeutende personelle Veränderungen abzeichnen, ferner das hervorragend aufgestellte Niedersächsische Institut für historische Küstenforschung, und dann allerdings auch das Braun
schweigische Landesmuseum mit einem Schwerpunkt Archäologie. An dieser Stelle - ich räume es ein - ist eine Ungeschicklichkeit in der Kommunikation geschehen; denn in der Pressemitteilung ist tatsächlich dieser Satz zu lesen: