Protocol of the Session on September 16, 2008

Das Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern ist dahin. Es ist unerträglich, dass nun zwar verstärkt Fleisch, Futter und Bodenproben untersucht werden, aber die eigentliche Ursache der Verseuchung immer noch nicht bekannt ist. Es ist für die Menschen unerträglich, erst aus der Presse zu erfahren, dass die Weiden an der Ems und im Landkreis Emsland betroffen sind. Auch die jetzt endlich laufenden Untersuchungen ergeben kein einheitliches Bild, sondern man muss eher zu dem Schluss kommen, dass das kein Phänomen nur an der Ems ist, sondern dass das große Teile der Landwirtschaft in den niedersächsischen Flussauen betrifft.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn schon im Jahre 2006 gab es Sedimentuntersuchungen, die auf Dioxingehalte und Grenzwertüberschreitungen hingewiesen haben, und zwar an Oste, Jeetzel, Oker, Neue Aue, Lühe/Aue, Weser, Elbe und im Steinhuder Meer. Auch diese Funde haben damals noch nicht zu Untersuchungen geführt. Deshalb muss jetzt an allen Dioxinfundorten die Weitergabe in die Nahrungsmittelkette untersucht werden. Dabei ist der unverzügliche Schutz der Landwirtschaft und Verbraucher sicherzustellen. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes und den Landwirten schuldig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die jetzt vorliegenden Untersuchungsergebnisse sollen schön beruhigen, dass das Fleisch zu verzehren ist und dass nur die Leber nicht zu verwerten ist. Meine Damen und Herren, das ist doch Quatsch! Welcher Verbraucher kauft Fleisch von einem Tier, dessen Entgiftungsorgan betroffen ist?

Das ist lachhaft und wird die Menschen garantiert nicht beruhigen!

(Beifall bei der LINKEN)

Damit bleiben Fleisch und Milch aus dem Bereich der Ems praktisch unverkäuflich. Wer will das denn abkaufen und hinterher feststellen müssen, dass sein Endprodukt betroffen ist und aus dem Verkehr gezogen werden muss? Deshalb ist eine finanzielle Entschädigung für Landwirte unverzichtbar. Es müssen nicht nur die Kosten für Untersuchungen und die Abfuhr des nicht zu verwertenden Futtermittels getragen werden. Die Landwirte müssen auch dafür entschädigt werden, dass sie ihre Weiden nicht nutzen und ihr Fleisch nicht verkaufen können. Ich möchte Sie an Folgendes erinnern: Seit 2003 gilt ein Vermischungsverbot. Die Ursachenforschung muss gründlich und auf einer großen Fläche erfolgen. Luft und Wasser müssen mit einbezogen werden.

Weiterhin ist es sehr wichtig, dass die Muttermilch von stillenden Frauen untersucht wird. Wissen wir eigentlich, wie weit der Schadstoff schon in die Nahrungsmittelkette gelangt ist? Das ist erforderlich, um zu verhindern, dass Kleinkinder gefährdet werden. Ich fordere außerdem - das sind wir unserem Land auch schuldig -, dass muslimische Frauen aufgeklärt werden. Schafsleber ist unter den Muslimen eine Delikatesse. Wie wollen Sie eigentlich gewährleisten, dass alle Muslime davon erfahren haben? Hier sind wir gefordert, Aufklärungsarbeit zu leisten.

(Ulf Thiele [CDU]: Leber wird doch gar nicht mehr verkauft!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Stief-Kreihe von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können bei den verschiedensten Veranstaltungen - Landvolk, Landwirtschaftskammer, wo auch immer - immer zwei Minister begrüßen. Immer im Duett treten auf: Herr Minister Ehlen und Herr Minister Sander. Man weiß nie, wer wofür zuständig ist.

(Christian Dürr [FDP]: Hand in Hand!)

Beide sind Landwirtschaftsminister. Nun sind diese beiden Minister in ihren Zuständigkeiten gefordert. Bei dem Thema „Giftfunde an der Ems“ geht es um Verbraucherschutz und die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit. Zuständig sind Herr Minister Ehlen und die Landkreise. Außerdem geht es um schnelle und gründliche Ursachenforschung bei der Frage, woher die Rückstände der hoch giftigen Chemikalien kommen. Zuständig dafür ist Herr Minister Sander. Was wir brauchen, ist eine sehr gute Zusammenarbeit beider Häuser. In Anbetracht des ständigen gemeinsamen Auftretens sollte man meinen, dass das klappt. Aber genau das Gegenteil ist der Fall:

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Der eine weiß nicht, was der andere tut! - Bei der Unterrichtung des Ausschusses am vergangenen Freitag war man sich nicht ganz darüber im Klaren, ob zu dem Zeitpunkt gerade ein Krisengespräch zwischen Landwirtschaftsministerium, Umweltministerium und den Landkreisen stattfindet.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Ge- spräch!)

- Das wurde als „Krisengespräch“ angekündigt. - Der eine sagte, er wisse von nichts, und der andere bestätigte das. Dies ist nicht gerade ein Beleg dafür, dass hier eine vernünftige Zusammenarbeit stattfindet.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dazu passt auch der Spruch des Pressesprechers Hahne, der gesagt hat, das Umweltministerium solle nun mal endlich in die Gänge kommen. Ich frage: Wie ist denn Herr Sander in die Gänge gekommen? - Als wir, Frau Modder und ich, Mitte August an der Ems mit den Landwirten ein Gespräch geführt haben, war Herr Sander gerade in der Nachbarregion. Er wurde darauf angesprochen, und er wusste von nichts. Ich hoffe, dass sich das mittlerweile geändert hat.

Der Hauptkritikpunkt ist bereits angesprochen worden. Die Verunreinigungen wurden bereits im Jahre 2007 deutlich bzw. durch Proben festgestellt. Es wurden im Herbst zusätzliche Proben genommen, die die Werte bestätigten. Aber was ist danach passiert? - Nichts. Man hat ein Jahr, bis zum Sommer dieses Jahres, gewartet, um erneut Proben zu ziehen. Die Begründung, dass im Herbst 2007 auf den Flächen keine Beweidung und keine Mahd stattgefunden hätten und man deswegen keine weiteren Untersuchungen durchgeführt ha

be, klingt für die betroffenen Menschen in der Region wie Hohn.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es zugelassen, dass im Frühjahr alles wieder seinen gewohnten Gang ging. Sie haben es zugelassen, dass verseuchte Leber bereits auf den Tellern gelandet ist. Und dann sagt Herr Hahne noch - Herr Ehlen, ich weiß gar nicht, wie lange Sie das noch mitmachen -: Davon fällt man aber wirklich nicht tot um. - So viel Verharmlosung, so viel Menschenverachtung - ich sage es einmal ganz deutlich - sind wirklich nicht mehr zu ertragen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU)

Es gibt viele offene Fragen. Es wurde bereits angesprochen, dass die Unterrichtung im Ausschuss 14 Tage verschleppt wurde. Wir werden jetzt jedes Mal eine Unterrichtung beantragen, um den aktuellen Stand zu erfahren. Wir werden dieses Thema intensiv weiterverfolgen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herr Oetjen von der FDP-Fraktion hat um das Wort gebeten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon die Sprache, die für den Titel in dieser Aktuellen Stunde gewählt wurde, verrät ja, was Sie bezwecken, Herr Kollege Meyer. Nicht wissenschaftliche Daten und Fakten sollen in dieser durchaus sensiblen Frage - das stelle ich nicht in Abrede - in den Mittelpunkt gestellt werden. Angst machen und polemisieren sind wieder einmal das Geschäft der Grünen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle versuchen, die Vorgänge um die Dioxinfunde an der Ems in eine chronologische Reihenfolge zu bringen. Wegen eines BSE-Verdachtsfalls wurden bei einem Betrieb im Landkreis Leer Futtermittelproben gezogen - also nicht wegen Dioxin-Verdachts, sondern wegen eines BSE-Verdachtsfalles. Diese Futtermittelproben wiesen eine Überschreitung des Aktionswertes - also nicht des Grenzwertes - für dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle auf. Weitere Proben in den Überschwemmungsgebieten dieses Betrie

bes ergaben Grenzwertüberschreitungen im Grasschnitt. Da diese Flächen jedoch am Vortag überschwemmt wurden, also mit Schlamm vermengt waren, konnte das Ergebnis nicht als repräsentativ angesehen werden. Es mussten weitere Proben zur Bestätigung genommen werden - so die Aussage des LAVES -, um klare Ergebnisse zu bekommen. Nachdem diese wiederum Grenzüberschreitungen erbrachten, wurde beschlossen, weitere Proben zu ziehen, sobald das Gras wieder wächst. Frau Kollegin Stief-Kreihe, Sie haben ja gerade angesprochen, dass dies dann im folgenden Jahr geschah. Das war notwendig, um fachlich fundierte Ergebnisse vorweisen zu können. Mittlerweile war es seinerzeit nämlich bereits Oktober. Im Oktober wächst bekanntlich kein Gras mehr. Da die beprobten Flächen nicht zur Futtermittelwerbung herangezogen wurden, mussten und konnten letztendlich auch keine Grassilagen weggeschmissen werden.

Ich möchte an dieser Stelle einfügen, dass ich mir durchaus gewünscht hätte, dass eine Behörde wie das Landesamt für Verbraucherschutz zu diesem Zeitpunkt sein zuständiges Ministerium als Fachaufsicht informiert. Dies ist zwar rechtlich nicht vorgeschrieben, hätte aber zur Einordnung der Lage aus meiner Sicht auch nicht schaden können. Hier sollten unsere Beamten in Zukunft sicherlich mehr Sensibilität walten lassen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte den Blick nun aber nach vorn richten; denn die Rückschau hilft uns ja nicht immer. Nachdem in diesem Jahr weitere Proben genommen wurden, hat sich herausgestellt, dass sich die Grenzüberschreitungen für Dioxine und dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle nicht auf einen kleinen Bereich beschränken, sondern sich auch an weiteren Stellen an der Ems nachweisen lassen. Nachdem diese Ergebnisse vorlagen, wurden im Rahmen des Futtermittelrechts und des Lebensmittelrechts schnell und zielgerichtet die notwendigen Maßnahmen eingeleitet. Als Erstes wurden flächendeckend Milchproben untersucht. Frau Kollegin König, Sie haben dies hier angesprochen. Das, was Sie gesagt haben, entspricht nicht der Realität. Hier gibt es eine absolute Unbedenklichkeit. Das haben alle Proben gezeigt. Diese Ergebnisse werden auch durch das jahrelange Monitoring der niedersächsischen Milchwirtschaft bestätigt. Meine Damen und Herren, das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens. Bei Grenzwertüberschreitungen im Grasschnitt werden Fütterungsverbote hinsichtlich der betroffenen Flächen eingeleitet. Man hat gute Erfahrungen an der Elbe gemacht, wie man damit umgehen muss. Das Problem ist im Griff.

Drittens. Zu den Aalproben: Der Aal ist ein sehr fetter Fisch, in dem sich die Dioxine am ehesten anreichern würden. Auch die Aalproben haben keine Grenzwertüberschreitungen ergeben.

Kommen wir nun noch auf die Lebern und auf Fleisch zu sprechen. Die Lebern von Schafen und Rindern im betroffenen Gebiet dürfen nicht mehr verwertet werden - das ist auch gut so -, da sich in der Leber als Klärwerk des Körpers, wie es so schön genannt wird, die Dioxine anreichern. Weitere Proben von geschlachteten Tieren werden kontinuierlich untersucht. Jedes Tier aus der Region muss angemeldet werden, wenn es geschlachtet wird.

Ich habe gerade schon gesagt, dass wir auch von unseren Erfahrungen an der Elbe profitieren. Die Landwirte an der Ems können sich darauf verlassen, dass ein zielgerichtetes Management der Flächen umgesetzt wird und dass für Futtermittel, die nicht genutzt werden können, vom Land Niedersachsen ein Ausgleich erfolgt. Das ist für uns eine klare Aufgabe.

Mir ist es besonders wichtig, heute darauf hinzuweisen, dass alle betroffenen Fachbehörden in dieser sensiblen Frage Hand in Hand arbeiten müssen. Herr Kollege Meyer, bei den Gesprächen ist das MU über seine Behörde NLWKN immer eingebunden gewesen. Das muss man auch betonen. Insbesondere im Hinblick auf die Ursachenforschung liegt noch eine große Aufgabe vor uns. Der Umgang mit den Problemen ist das eine. Dabei sind wir gut aufgestellt. Herauszufinden, worin das Problem seine Ursache hat, ist jetzt die Aufgabe, der sich das Umweltministerium mit seiner vollen Kraft widmen wird. Herr Kollege, für die FDPFraktion ist klar: Wir müssen schnellstmöglich herausfinden, woher diese Belastungen an der Ems stammen. Das sind wir den Menschen in der Region schuldig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Thiele von der CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Funde von dioxinähnlichen polychlorierten Biphenylen und Dioxinen an der Ems haben bei der Bevölkerung und bei den betroffenen Landwirten zu großer Sorge und Verunsicherung geführt. Das Thema ist ernst. Ich finde, es ist viel zu ernst, um es für politische Profilierung zu missbrauchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist wirklich der Standardsatz an dieser Stelle!)

Ich kann mich der Darstellung von Herrn Oetjen betreffend die Fakten hier lückenlos anschließen. Auf eines will ich insbesondere hinweisen. Weil hier in der Aktuellen Stunde auf die Frage abgezielt wird, ob irgendein Versäumnis vorliegt, will ich auf die Abläufe im vergangenen Jahr und in diesem Jahr deutlich hinweisen: Das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat festgestellt, dass es zunächst in einer einzigen Probe, die, wie dargestellt, aus anderen Gründen genommen wurde, bei einem Landwirt in der Gemeinde Jemgum eine Belastung gab. Daraufhin wurde versucht, eine Verifizierung vorzunehmen und anhand weiterer Proben festzustellen, ob es sich um einen Einzelfall handelt. Auch das hat stattgefunden.

(Zuruf von der FDP: Im letzten Jahr!)

- Genau, im letzten Jahr. - Man muss selbstverständlich die natürlichen Gegebenheiten in der Region an der Ems berücksichtigen, wenn man das Ganze wissenschaftlich vernünftig aufbauen will. Auf Flächen Grasschnitte zu beproben, auf denen das Gras nicht vorhanden ist, das man dafür bräuchte, wäre wissenschaftlich schlicht und ergreifend eine Unmöglichkeit. Die weiteren Proben und wissenschaftlichen Maßnahmen, die notwendig waren