Protocol of the Session on September 16, 2008

Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Herr Ministerpräsident Wulff zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte drei Gedanken in die Debatte einbringen. Erstens freue ich mich über die Einigkeit hier im Haus bezüglich des VW-Gesetzes und auch der eigenständigen VW-Satzung, die vor dem Gesetz in Kraft war, auf einer freiwilligen Vereinbarung der Aktionäre beruht und deswegen unabhängig vom VW-Gesetz Gültigkeit behalten muss.

Wir setzen jetzt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs um. Das bedeutet eine Zäsur für Volkswagen: Die Entsendemandate entfallen. Das Höchststimmrecht entfällt. Aber die Sperrminorität muss bleiben. Sie ist zulässig; Herr Rickert hat darauf hingewiesen. Das deutsche Aktienrecht sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, von den 25 % nach oben abzuweichen, wie es Porsche für sein Unternehmen macht, oder nach unten abzuweichen, wie es Volkswagen macht, damit der eine Großaktionär den anderen nicht überstimmen kann, nämlich - auf die beiden Unternehmen bezogen - die Familie Piёch die Familie Porsche oder die Familien Porsche/Piёch das Land Niedersachsen.

Wenig hilfreich ist das, was aus Europa von Kommissar McCreevy kommt. Wenig hilfreich ist auch die Einlassung des wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion Wend, der daraufhin forderte, das VW-Gesetz jetzt in der Beratung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates zu ändern. Wenig hilfreich sind die Einlassungen von Herrn Verheugen, des Kollegen Oettinger und anderer, die sich zum Teil äußern, ohne das Urteil des Europäischen Gerichtshofs überhaupt von Anfang bis Ende gelesen zu haben. Das europäische Gericht ist der Kommission, was die Sperrminorität angeht, gerade nicht gefolgt. Es hat nicht gesagt, dass die Sperrminorität isoliert gegen europäisches Recht verstoßen würde. Zum europäischen Recht gehören das Gesellschafts

recht oder das Aktienrecht ohnehin nicht; das ist nationales Recht. Von daher teile ich auch die Kritik an dem Zeitpunkt und dem Inhalt der Äußerungen aus Europa. Das dient nicht der Europafreundlichkeit, wie wir sie uns alle gemeinsam wünschen müssen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Jeder Aktionär weiß, worauf er sich einlässt, von welchem Unternehmen er Aktien kauft. Das wusste auch die Porsche AG.

Zweite Bemerkung. Der Einstieg von Porsche ist von mir im Jahre 2005 mit drei Sätzen versehen worden: Erstens. Wir begrüßen das Interesse von Porsche am Einstieg. Zweitens. Wir sehen dadurch mögliche Vorteile für VW. Drittens. Wir sehen Konflikte, wenn die Interessen des Konzerns und die Interessen der Porsche AG nicht deckungsgleich sind.

Deswegen habe ich damals - sehr zur Kritik auch vieler Sozialdemokraten und durchaus auch bei Kritik der Mitarbeitervertretung - einen sogenannten Ausschuss für Aktionärsbeziehungen durchgesetzt, der im Einzelnen kontrolliert, wie die Geschäftsbeziehungen beispielsweise zwischen Audi und der Porsche AG verlaufen.

Ich teile deswegen auch das am letzten Freitag von der Arbeitnehmerschaft vorgebrachte Anliegen. Ich hatte in der vorletzten Sitzung verhindert, dass das Ansinnen abgelehnt wurde, indem die Entscheidung darüber vertagt worden ist. Ich habe in dieser Sitzung dafür plädiert, dass rechtliche Fragen ausgeräumt werden sollten, also beispielsweise klargestellt werden sollte, dass der Aufsichtsrat nicht in das operative Geschäft des Vorstands eingreifen darf. Ich habe eine Arbeitsgruppe mit dem Vorstand vorgeschlagen, um Doppelzuständigkeiten der verschiedenen Ausschüsse und damit Ineffizienzen zu vermeiden. Ich finde, es ist ein hohes Gut, zu einmütigen Entscheidungen im Aufsichtsrat zu kommen. Die meisten DAXUnternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass einstimmige Beschlüsse gefasst werden. Das muss auch bei Volkswagen wieder einkehren.

Dritte Bemerkung. Volkswagen ist eine Erfolgsgeschichte; darauf ist hingewiesen worden. Vor fünfeinhalb Jahren lag der Aktienkurs bei 34 Euro. Er beträgt im Moment 210 Euro. Das ist ein Wertzuwachs um mehr als 500 %. Allein der Landesanteil ist um fast 10 Milliarden Euro gestiegen. Dahinter steckt eine enorme Erfolgsgeschichte der Beschäf

tigten. Es besteht Aussicht, dass wir bald Platz zwei in der Welt sind. Wir wollen Platz eins in der Welt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Entwicklung ist nicht trotz der Mitbestimmung und trotz des Landesanteils eingetreten, sondern auch wegen der Mitbestimmung und wegen des guten Miteinanders bei Volkswagen sowie der Ruhe, die der Landesanteil für Volkswagen in unruhigen Zeiten bedeutet.

Meine Äußerung „Wenn wir müssten, könnten wir; aber wir müssen nicht“ ist für manche eine intellektuelle Überforderung gewesen; das habe ich anschließend auch erlebt.

(Heiterkeit - Zuruf von Kreszentia Flauger [LINKE])

Gleichwohl ist die Aussage „Wir könnten, wenn wir müssten; aber wir müssen nicht“ in der Versammlung in Berlin jedenfalls von allen Beteiligten sehr wohl verstanden worden; angesichts des Wertzuwachses unseres Anteils erklärt sie sich auch leicht.

Wir bauen jetzt Fabriken in den USA, in Indien und in Russland. Wir weiten Kapazitäten in China und anderenorts aus. Daher sind die Beteiligten aufzurufen, gemeinsam an dem Ziel zu arbeiten, Nummer eins in der Welt vor Toyota zu werden. Ich fordere gerade die Porsche AG zum wiederholten Male auf, in diesem Sinne auf das Management, den Betriebsrat und die Mitarbeiter zuzugehen.

Gern sage ich auch etwas zu dem, Herr Kollege Jüttner, was die Süddeutsche Zeitung schreibt. Es sind mit großen Honoraren - ich kenne die Summen nicht im Einzelnen - Agenturen beauftragt worden, gut Wetter für Porsche zu machen. Das ist eine Auseinandersetzung, die auch bei mir immer wieder zu verblüffenden Ergebnissen, zu neuen Erfahrungen und Erkenntnissen sowie zu Horizonterweiterungen führt. Wir sollten darauf gefasst sein, dass in den nächsten Wochen noch verschiedentlich darüber spekuliert werden wird, was wir tun würden, wenn wir etwas entscheiden müssten. Wir sollten da nicht alles glauben. Wir wollen, dass alle starken Persönlichkeiten an Bord bleiben: Wolfgang Porsche, Wendelin Wiedeking, Ferdinand Piёch und auch Herr Hück und Herr Osterloh als die Vorsitzenden der Betriebsräte. Ich sehe eine Möglichkeit, in der Frage der Mitbestimmung zu einer Einigung zu kommen, wenn alle Beteiligten guten Willen zeigen und nicht nur reden, sondern auch aufeinander zugehen. Ich sehe auch

Möglichkeiten der Einigung, was die Satzung und das Gesetz angeht. Wir müssen jetzt allerdings zusammenstehen.

Am Freitag wird eine wichtige Zwischenetappe sein. Es haben sich in den Bundesratsausschüssen auch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg der Stimme enthalten. Es sind da also nicht alle in schwarz und weiß einzuteilen; das gilt auch für Länder mit SPD-Ministerpräsidenten. Ich sehe den Freitag als wichtige Station an. Es ist wichtig, dass im Bundesrat ein eindrucksvolles und deutliches Votum für das novellierte VW-Gesetz erfolgt. Die Entscheidung am Freitag in Berlin ist wichtig. Dann muss der Bundestag ein ebenso eindrucksvolles Votum abgeben. Ich bin recht zuversichtlich, dass wir die etwa 60 Abgeordneten aus Niedersachsen beieinander haben. Zwar brauchen wir etwa 300. Aber auch da bin ich zuversichtlich, dass wir im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für den Gesetzentwurf von Frau Zypries und der Niedersächsischen Landesregierung hinbekommen. Er dient den Interessen von Niedersachsen und Volkswagen am allermeisten. Um diese sollte es uns hierbei gehen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 1 c und rufe Tagesordnungspunkt 1 d auf:

Giftskandal an der Ems - Versagen der Landesregierung beim Umwelt- und Verbraucherschutz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/452

Das Wort hat Herr Meyer von der Grüne-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Funde von krebserregenden Dioxinen und PCB in Überschwemmungsgebieten auf beiden Seiten der Ems machen vielen Menschen zu Recht Sorgen. Der Umwelt- und Verbraucherschutz des Landes hat wieder einmal versagt. Herunterspielen, kleinreden und vertuschen war und ist bis heute die Maxime der beteiligten Ministerien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da werden am 23. Juli letzten Jahres erstmals PCB und Dioxin in Futtermitteln entdeckt. Dann wird im August und Oktober - wohlgemerkt 2007, letztes Jahr - erneut nachgemessen, und alle neuen Werte liegen deutlich über dem Grenzwert. Trotzdem informiert niemand Landkreis, Landwirte, Landtag oder Verbraucher, obwohl dort Kühe und Schafe weiden. Hatte die Landesregierung die Hoffnung, im darauffolgenden Jahr würde das dort liegende Krebsgift von allein verschwinden, oder wollte man vor der Landtagswahl nicht auf eine schwere Umweltbelastung hinweisen? Was wurde in dieser Zeit getan, um das grundsätzliche Problem der Dioxin- und PCB-Belastung zu lösen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dieser Verschleierungspolitik hat die Landesregierung bewusst oder unbewusst den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher schwer gefährdet, und das bei einem Krebsgift, das von der Bundesregierung aufgrund neuer Erkenntnisse über erhebliche Gesundheitsgefahren erst im Jahre 2006 mit einem Grenzwert versehen wurde. Aber Gefahren für die Verbraucher oder die Überschreitung verbindlicher Grenzwerte spielen für die Landesregierung ja keine Rolle. Ich zitiere dazu den Sprecher des Agrarministeriums vom 13. August:

„Ein Grenzwert ist wie das Mindesthaltbarkeitsdatum beim Joghurt. Man soll ihn nicht mehr verkaufen, kann ihn aber noch gefahrlos essen.“

Wenn das Ihre Einstellung zum Verbraucherschutz ist, dann haben Sie aus dem Asse-Desaster und diversen Gammelfleischskandalen wirklich nichts gelernt!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber es geht noch weiter. Was erklärt das Agrarministerium zum möglichen Verzehr belasteter Leber und belasteten Rindfleischs? - Ich zitiere: Davon falle man schließlich nicht gleich tot um.

Für meine Fraktion steht daher fest: Das Vertrauen in eine neutrale Ursachenforschung durch das MU und das ML ist dahin.

Alle meine diesbezüglichen Fragen im Agrarausschuss, der sehr spät getagt hat, wurden nicht beantwortet. Wir Grünen haben daher einen eigenen Antrag eingebracht, in dem wir ein klares Konzept zum Umgang mit Giftbelastungen und eine unab

hängige Ursachenforschung fordern. Nur so kann das verschwundene Vertrauen in der Region wieder hergestellt werden. Das Umweltministerium von Herrn Sander ist als Antragsteller und Genehmigungsbehörde für Eingriffe in die Ems befangen. Dass er ernsthaft das Giftproblem lösen will, bezweifeln nicht nur wir. Dazu zitiere ich die Ostfriesen-Zeitung vom 26. August 2008, also vier Wochen nach der Veröffentlichung der ersten Funde:

„Jetzt muss endlich die Suche nach der Ursache starten. Da ist das Umweltministerium gefragt. Aber irgendwie kommt man dort nicht in die Gänge. Selbst dann nicht, wenn man eingeladen ist. Dabei war Minister Sander schon hier - doch beim Sommerstau wusste er noch nicht mal, dass das Dioxin auf beiden Uferseiten zu finden ist. Da tun sich Untiefen auf.“

So weit ein Zeitungskommentar aus der Region.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir fragen uns daher: Was haben Sie eigentlich zu verbergen, und wen wollen Sie mit dieser langatmigen Aufklärungsarbeit schützen? Warum wurden Entschädigungsregeln für die Landwirte erst so spät getroffen? Wie soll es mit der Landwirtschaft dort weitergehen? Warum wird die Ursachenforschung bis nach dem Sommerstau am 27. September verschleppt? - Es besteht der Verdacht, dass die Funde auf den Überschwemmungsflächen etwas mit dem Fluss zu tun haben könnten. Eine zusätzliche Aufstauung und Verwirbelung der Ems darf daher unserer Ansicht nach nicht stattfinden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Fraktion fordert eine flächendeckende und systematische Ursachenforschung bezüglich der gefährlichen Giftstoffe, die Entschädigung der Betroffenen, vor allem der Landwirte, und ebenso klare Regeln für die Information der Öffentlichkeit. Für uns Grüne stehen dabei der Umwelt- und Verbraucherschutz und intelligente Lösungen im Umgang mit den Giftbelastungen an erster Stelle.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau König von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schade, der Saal ist wieder nicht voll!

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Auch in der Kirche waren heute Morgen nicht alle Abgeordneten dabei. Deshalb möchte ich die Worte unseres Landesbischofs Prof. Dr. Weber wiedergeben. Er hat von uns Abgeordneten Zivilcourage eingefordert und über das Vertrauen gesprochen. Ich meine, das waren gute Worte für die heutige Sitzung und für dieses Thema.

Das Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern ist dahin. Es ist unerträglich, dass nun zwar verstärkt Fleisch, Futter und Bodenproben untersucht werden, aber die eigentliche Ursache der Verseuchung immer noch nicht bekannt ist. Es ist für die Menschen unerträglich, erst aus der Presse zu erfahren, dass die Weiden an der Ems und im Landkreis Emsland betroffen sind. Auch die jetzt endlich laufenden Untersuchungen ergeben kein einheitliches Bild, sondern man muss eher zu dem Schluss kommen, dass das kein Phänomen nur an der Ems ist, sondern dass das große Teile der Landwirtschaft in den niedersächsischen Flussauen betrifft.