Protocol of the Session on June 20, 2012

In der Tat: Niedersachsen schreibt mit der EMS wirklich Medizingeschichte in Europa. Die neue Medizinische Fakultät wird mit 40 Studienplätzen beginnen. Die ersten Studierenden werden schon im kommenden Wintersemester 2012/2013 starten können. Darüber entscheiden wir hier und heute. Das kann uns alle richtig mit Stolz erfüllen:

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

40 neue Medizinstudienplätze im Nordwesten von Niedersachsen, direkt benachbart das hoch verschuldete SPD-Land Bremen. In Bremen kann man Medizin nicht studieren.

(Zuruf von der SPD: Bremen hat aber eine Exzellenzuniversität!)

Bremen ist als Standort aber wahrscheinlich etwas attraktiver für die Ärzte als die Fläche in Niedersachsen. Ich finde, da kann man mehr Verantwortung zeigen.

Die seit der letzten Debatte offenen Punkte sind alle geklärt. Es sind neue personelle Strukturen und Gremien geschaffen worden. Die Anhörung hat ergeben, dass intern sehr viele Veränderungen gestaltet und bewältigt werden müssen. Das ist nur zu verständlich; denn es sind zwei Hochschulstandorte, also in Groningen und in Oldenburg, grenzüberschreitend, es sind drei Lehrkrankenhäuser und es sind weitere Hausärzte sowie wissenschaftsnahe Einrichtungen zu koordinieren. Das ist anspruchsvoll und braucht klare Strukturen und Kommunikationswege.

Die Anhörung hat aber auch gezeigt, dass die EMS sehr engagiert und sehr gut vorbereitet wurde. Die neue Fakultät mit den beiden Forschungsbereichen bringt viele Veränderungen, die gewollt, aber auch notwendig sind. Sie fordert aber auch persönlich die in der Lehre eingebundenen Professoren und Experten wie auch viele weitere Beschäftigte der Hochschulen.

Aus meiner Sicht haben alle, die sich in den Diskussions- und Veränderungsprozess eingebracht haben, sehr zielgerichtet, sehr konstruktiv und sehr auf die neue Hochschule ausgerichtet gearbeitet. Dafür danke ich ihnen allen. Das ist ein Meisterstück und hat Vorbildcharakter. Es lässt im Übrigen auch durch die Besetzung des Beirates sehr viele Handlungsspielräume zu.

Die Studierenden werden mit neuer Studienstruktur in Oldenburg und Groningen studieren. Sie werden in Groningen den Bachelor und Master oder aber auch das deutsche Staatsexamen nach deutscher Approbationsordnung in Oldenburg machen. Schon der neue Bachelor eröffnet eine Qualifikation mit neuen Perspektiven. Ich meine beispielsweise, dass der demografische Wandel vor allem eines bietet: neue Chancen. Wir haben das Glück des langen Lebens in einem Land, in dem man gesund und aktiv alt werden kann. Der Bachelor hat deswegen beste Berufsaussichten.

Fast zum Schluss noch ein Gedanke zu Europa: Das Projekt ist ein echter Leuchtturm. Wir machen die Musik. Hier in Niedersachsen realisieren wir erstmalig in Europa diese Konzeption.

Meine Damen und Herren, stimmen Sie der Gesetzesänderung bitte zu! Die künftigen Akteure der EMS haben sehr viel Vorarbeit geleistet. Dafür nochmals meinen Dank! Sie haben einen breit angelegten Konsens schon mit der Startphase verdient. Ich wünsche der EMS und auch allen, die dort studieren, einen richtig guten Start.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Perli hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke hat sich frühzeitig grundsätzlich für eine Medizinerausbildung in Oldenburg ausgesprochen. Erstens bildet Niedersachsen unter seinem Bedarf

aus; zweitens gibt es keine Region, die so weit von einem Ausbildungsort entfernt ist wie der Nordwesten unseres Landes.

Dennoch wird die Linke den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung ablehnen. CDU und FDP haben zentrale Kritikpunkte aus der Anhörung und den Beratungen ignoriert. Sie hebeln die Mitbestimmung aus und schließen nicht aus, dass die Gründung der neuen Fakultät zulasten bestehender Fachbereiche geht.

(Beifall bei der LINKEN)

So haben Sie die Riesenchance verpasst, bei dieser Neugründung die gesamte Universität Oldenburg mitzunehmen. Das ist fahrlässig, und das ist bedauerlich!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, spätestens seit der SPD-Regierung unter Ministerpräsident Gabriel und Wissenschaftsminister Oppermann haben wir in Niedersachsen wahrlich keine Hochschulverfassung mehr, die sich durch besondere starke Mitbestimmungsrechte auszeichnet. Aber seitdem CDU und FDP regieren, hat es nicht eine einzige Novelle gegeben, mit der der Rest an Mitbestimmung nicht noch zusätzlich ausgehöhlt worden ist:

(Marianne König [LINKE]: Unerhört!)

bei der Novelle 2007, bei der Gründung der NTH, bei der Defusion der Fachhochschulen im Nordwesten, bei der kleinen NHG-Novelle im letzten Jahr und auch jetzt bei der Gründung der Medizin in Oldenburg.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Alles Märchen!)

Sie geben im Gründungsprozess alle Macht dem Präsidium oder dem eingesetzten Dekan. Die Hochschulgremien dürfen kommentieren, aber nicht entscheiden. Wo Sie ein Mitreden zubilligen, wollen wir ein Mitentscheiden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist der zentrale Unterschied zwischen uns und allen anderen Fraktionen in diesem Haus.

(Lutz Stratmann [CDU]: Das ist doch falsch, was Sie da sagen!)

Wir wollen ein Mitentscheiden beim Dekan, bei den Vizedekanen und bei der Besetzung des Beirats beim Akademischen Senat. Da machen Sie nicht mit. Dort soll nur ein Benehmen hergestellt werden. Ihr Vorgehen gipfelt darin, dass die Vertrete

rinnen und Vertreter der Statusgruppen im Beirat vom Präsidium vorgeschlagen werden. Sie billigen den Professoren, dem wissenschaftlichen Mittelbau, den Beschäftigten und den Studierenden nicht einmal das Recht zu, ihre eigenen Vertreter selbst zu benennen. Das ist Ihr Demokratieverständnis, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Wer so vorgeht, der darf sich nicht wundern, dass in Presseberichten bereits von „Unruhe“ und einer „Zweiklassengesellschaft“ gesprochen wird. Wir schlagen eine Zusammensetzung im Verhältnis von 9 : 3 : 3 : 3 vor, bei der die Statusgruppen ihre Vertreterinnen und Vertreter selbst benennen.

Ebenfalls nicht gefolgt sind Sie der Bitte aus dem Senat, den Beirat in „Medizinische Kommission des Senats“ umzubenennen, um zu verdeutlichen, was seine Aufgabe ist und wie seine Stellung zum Senat ist.

Zur zweiten zentralen Fehlkonstruktion: CDU, FDP und die Landesregierung haben immer davon gesprochen, dass die Gründung der Medizin nicht zulasten der Hochschule gehen werde. Es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln. Den Hauptgrund liefern CDU und FDP jetzt auch mit Unterstützung von SPD und Grünen: Sie verzichten auf eine Regelung, die die Mittel für die Medizin zumindest in der Aufbauphase dieses neuen Studiengangs vom Globalhaushalt der Universität trennt, so wie es beispielsweise auch in Göttingen der Fall ist. Das begründen Sie dann mit einem Vertrauensvorschuss für das Präsidium. Die Wahrheit aber ist: Sie wollen keine Transparenz!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, bei der Anhörung hat selbst die Präsidentin darauf hingewiesen, dass das Projekt auf Kante genäht sei. Dort hieß es auch, dass noch nicht alle Finanzierungsfragen und -risiken geklärt seien. An der Universität ist es ein offenes Geheimnis, dass zusätzliche Eigenmittel in die Medizin fließen müssen. Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade in der Aufbauphase die Finanzströme trennen.

Meine Damen und Herren, zu allen Kritikpunkten liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Linken vor. Diese Vorschläge sind allesamt auch in der Anhörung geäußert worden. Für uns ist nicht nachvollziehbar, dass SPD und Grüne im Laufe der Beratungen, ohne etwas Nennenswertes erreicht zu haben, auf die Position von CDU und FDP eingeschwenkt sind. Herr Wulf, die Stolperfallen, von

denen Sie gesprochen haben, sind im Gesetzentwurf allesamt noch enthalten. Ich habe darauf hingewiesen. Nicht einmal die Beschneidung der Rechte der Gleichstellungsbeauftragten haben Sie kritisiert, nicht einmal das.

Herr Kollege Wulf von der SPD hat vor wenigen Wochen in der taz noch von einem „autoritären Gesetzentwurf ohne demokratische Struktur“ gesprochen. So richtig das war, so unverständlich ist, dass Sie diesem Gesetzentwurf heute zustimmen wollen. Ihre Rede war viel Nebel. Letztendlich haben Sie aber nicht begründet, warum es bei Ihrer Position zu einem Wechsel gekommen ist.

Meine Damen und Herren, die Linke ist für einen Medizinstudiengang in Oldenburg. Wir wollen aber nicht, dass die Mitbestimmung an der Hochschule ausgehöhlt wird, und wir wollen nicht, dass die Gründung zulasten der bestehenden Fachbereiche geht. Deshalb werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen müssen. Wir werben für unseren Änderungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Perli hin hat sich der Kollege Wulf gemeldet. Bitte schön, Sie haben 90 Sekunden!

Meine Damen und Herren, dazu muss ich natürlich noch einiges sagen. Im gesamten Beratungsprozess im Ausschuss - das ist der Charakter einer solchen Beratung - haben wir das konkrete Interesse, einen Konsens zu erreichen. Man muss sich aufeinander zu bewegen.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Herr Perli hat gesagt, Sie seien umgefallen! - Hans-Henning Adler [LINKE]: Aufein- ander-zu-bewegen durch Umfallen!)

- Das ist das Politikverständnis der Linken: Immer nur fundamentalistisch und keine konkreten Hinweise darauf, wie man zusammenarbeiten kann. So geht es nicht!

(Beifall bei der SPD)

Natürlich hätten wir uns mehr vorstellen können, das ist überhaupt keine Frage. Das ist ganz klar. Das habe ich ja auch deutlich gemacht. Wir haben aber etwas erreicht in der Frage der Hinzuziehung eines dritten Dekans, in der Frage der Auflösung

einer konkreten Stellenbeschreibung für diese Position. Wir haben erreicht, dass auch die anderen Statusgruppen im Beirat vertreten sind. Die Parität hätten wir uns sicherlich anders vorgestellt.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Das ist ein Beirat!)

Wir haben natürlich auch eine klare Position zu den Finanzströmen. Unserer Ansicht nach ist das beim Präsidium gut aufgehoben; denn das Präsidium kann dies richtig und gut machen. Wir werden sehen, wie es weiter läuft. Dann kann man darüber nachdenken, ob man gegebenenfalls eine Trennung vornehmen sollte.