Protocol of the Session on May 10, 2012

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Aber nicht regelmäßig!)

Ansonsten darf ich vielleicht noch etwas Vermittelndes sagen. Der Antrag der Grünen zur Frage des Ausbaus der Ganztagsschulen in Niedersachsen enthält eine Vielzahl von Elementen, über die man sicherlich nachdenken kann und die zum Teil auch wünschenswert wären.

Ich bitte aber zu berücksichtigen, das wir uns nach unserer Kenntnis bei Ihrem Vorschlag über rund 10 000 zusätzliche Stellen im Schulsystem unterhalten. Solche Dimensionen können derzeit in einem Landeshaushalt unter der Maßgabe der Schuldenbremse 2017 einfach nicht geleistet werden, und zwar egal, wer hier ab 2013 weiterregiert.

Wir geben zurzeit 96 Millionen Euro für den Ganztagsbetrieb in Niedersachsen aus, einschließlich der 200 Sozialpädagogen. Die andere Landesregierung möchte ich sehen, die mal eben jährlich 350 bis 400 Millionen Euro - nach unseren Berechnungen sind es sogar noch weit mehr - für ein ausgebautes gebundenes Ganztagsschulsystem zur Verfügung stellen könnte!

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Aller?

Ja, bitte sehr!

Herr Aller!

Herr Kollege Althusmann, wir sind jetzt am Ende des dritten Plenartags. Vor dem Hintergrund der Debatten, die gestern und vorgestern gelaufen sind, frage ich Sie, wie Ihre Aussage, dass die 10 000 zusätzlichen Lehrerinnen- und Lehrerstellen unter dem Diktat der Schuldenbremse nicht haltbar seien, damit zu vereinbaren ist, dass die Kollegen aus Ihren Regierungsfraktionen gesagt haben, dass jeder Euro im Bildungssystem erhalten bleibe.

Herr Minister!

Herr Aller, vor dem Hintergrund, dass Sie einmal Finanzminister waren, will ich Ihnen nicht zu nahe treten.

(Zuruf von der CDU: Schuldenminister!)

Aber es gibt einen Unterschied zwischen der Frage, ob man Stellen, die frei werden, weil die Schülerzahlen zurückgehen, im System belässt - so wie wir es vorhaben - oder ob man noch 10 000 Stellen auf das ohnehin schon Bestehende draufsetzt. Da gibt es ein Delta, und das beträgt 10 000 Stellen, sehr geehrter Herr Aller. Das hätten Sie wissen können. Aber ich sehe es Ihnen nach: Sie sind schon länger aus dem Amt raus, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss nur eine einzige Frage stellen. Diese Frage sollten Sie, die Sie sich auch vor Ort an unseren zum neuen Schuljahr 1 500 niedersächsischen Ganztagsschulen mit Lehrkräften, Kollegien sowie Eltern und Schülern in Gesprächen befinden werden, sich ebenfalls einmal stellen. Sie sagen ja immer, unsere Politik sei völlig desolat, sei in die falsche Richtung gelenkt und könne überhaupt nicht funktionieren. Aber wie kommt es dann, dass trotz des Verzichts auf die Zurverfügungstellung weiterer Ressourcen in den letzten Jahren unserer Regierungszeit fast die Hälfte aller Schulen in Niedersachsen einen Antrag auf Ganztagsschule nach unserem Modell gestellt haben?

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn denn das Modell der Ganztagsschule, so wie wir es in Nr. 8.2 des entsprechenden Erlasses notwendigerweise formuliert haben, weil wir die Haushaltslage berücksichtigen müssen, den Untergang des Abendlandes für die Ganztagsschulen in Niedersachsen bedeutet hätte, dann hätte nicht die Hälfte aller Schulen in Niedersachsen diesen Zuschlag beantragt und würde ihn nehmen.

Ich kann Ihnen sagen, ich habe viele gute, hervorragende, pädagogisch und qualitativ hochwertige Ganztagsschulen auch unter den offenen Ganztagsschulen in Niedersachsen angetroffen. Das pauschal zu diffamieren wird der guten Arbeit unserer Ganztagsschulen in Niedersachsen in keinem Fall gerecht.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Sehr gut!)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat Frau Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Sie haben zwei Minuten. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Minister Althusmann, nach welchem Erlass hätten die Schulen denn sonst Ganztag beantragen können, wenn nicht nach Nr. 8.2 Ihres Erlasses? Sie können ja nur dieses Billigmodell beantragen. Etwas anderes bleibt ihnen gar nicht übrig. Dann nehmen sie lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Das ist wirklich kein Argument.

Erstens. Ich möchte etwas dazu sagen, dass Sie meinten, wir hätten unbelegte Behauptungen aufgestellt. Nach unserer Akteneinsicht konnte man klar sehen, dass Sie seit Ende 2009 genau wussten, welche Problematik die Honorarverträge bergen. Ein Erlass sollte erstellt werden. Das ist auch geschehen. Aber er ist nie in Kraft getreten, weil die Landesschulbehörde überlastet war.

Frau Kollegin Korter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele? - Das wird nicht auf Ihre Zeit angerechnet.

Wenn ich fertig bin, kann ich das gern noch beantworten. Aber ich möchte das gern erst zu Ende ausführen, Herr Thiele. Vielleicht hören Sie erst einmal zu, dann wird sich das vielleicht aufklären.

Der Erlass ist nicht in Kraft getreten, weil die Landesschulbehörde überlastet war. Sie musste nämlich die ganzen Erlasse für die Oberschule schreiben. Erst als der Staatsanwalt Anfang 2011 in das Kultusministerium kam, hat es einen Erlass gegeben. Also ist die Behauptung, dass Herr Althusmann nichts getan hat, bis die Staatsanwaltschaft kam, aus den Akten belegt.

Zweitens zum Gutachten zu den Rentenversicherungsbeiträgen. Herr Minister, Sie haben ein Gutachten für 210 000 Euro oder 320 000 Euro - ich habe die Zahl im Moment nicht im Kopf - erstellen lassen. Aber Sie hätten nur die Rentenversicherung nach § 7 a SGB IV um Überprüfung zu bitten

brauchen. Das ist der übliche Weg. Das haben Sie nicht getan. Oder haben Sie es inzwischen gemacht?

Drittens. Sie wollen bis zu 120 Stellen in die Landesschulbehörde geben, damit sie dort diese merkwürdigen Honorarverträge prüfen. Warum nehmen Sie nicht nur 20 Stellen, die Honorarverträge für Kooperationspartner prüfen, und geben 100 Stellen in die Ausstattung von Ganztagsschule? Das hielte ich für viel sinnvoller.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz herzlichen Dank, Frau Kollegin Korter. - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/3802 ablehnen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Abschließende Beratung: Streikrecht für Beamte europarechtskonform gestalten - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3300 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 16/4744

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Adler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum sollen Beamtinnen und Beamte streiken dürfen? - Die Antwort ist ganz einfach: Weil das Streikrecht ein Menschenrecht ist, das allen in abhängiger Beschäftigung Stehenden zusteht,

(Beifall bei der LINKEN)

und zwar unabhängig davon, wie das jeweilige Rechtssystem ausgestaltet ist, in dem sie arbeiten - ich meine damit entweder Arbeitsrecht oder

Beamtenrecht -; denn das Streikrecht hat den Sinn, den Einzelnen zu schützen, da der Einzelne im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber, solange er vereinzelt ist, immer unterlegen ist. Nur mithilfe der Solidarität, mithilfe der Organisationsfreiheit, mithilfe der Gewerkschaften und mithilfe des Streikrechts kommt er überhaupt in die Lage, auf Augenhöhe um angemessene Arbeitsbedingungen zu streiten.

Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert das Streikrecht in Absatz 1 und enthält in Absatz 2 Einschränkungen z. B. in Fragen der nationalen und öffentlichen Sicherheit. Deshalb gilt das, was ich jetzt sage, nicht für Polizeibeamte oder Angehörige der Bundeswehr. Aber es gilt für alle übrigen Beschäftigten, die nicht zum sogenannten Sicherheitsbereich gehören. Diese haben ein Streikrecht.

Darüber entscheiden gegenwärtig die Gerichte unterschiedlich. Es gibt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 2010, das einen streikenden Lehrer nicht disziplinieren wollte. Dieses Urteil ist vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 7. März 2012 aufgehoben worden. Leider war das Oberverwaltungsgericht so feige, die Revision nicht zuzulassen

(Ulf Thiele [CDU]: Wie bitte?)

- ja, „so feige“, sage ich -,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

obwohl es dazu durchaus Anlass gegeben hatte. So hatte z. B. das Verwaltungsgericht Kassel am 27. Juli 2011 im Sinne eines streikenden Beamten entschieden und wollte ihn nicht sanktionieren.

Aber was waren die Argumente, die vor diesen Gerichten ausgetragen wurden? - Ich will kurz darauf eingehen. Das Hauptargument des Oberverwaltungsgerichts war Artikel 33 Abs. 5, die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums enthielten nun einmal ein Streikverbot. Dieses habe höheren Rang als die Europäische Menschenrechtskonvention, die nur im Range eines einfachen Gesetzes stehe.

Dieses auf den ersten Blick plausible Argument ist aber nicht überzeugend, weil Artikel 33 Abs. 5 geändert worden ist und es dort nun heißt, dass die hergebrachten Grundsätze weiterzuentwickeln sind. Das ist die neue Formulierung.

Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus vordemokratischer Zeit stammen und

natürlich im Lichte der Verträge ausgelegt werden müssen, die die Bundesrepublik Deutschland geschlossen hat. Dazu gehört auch der Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Im Sinne dieser Verträge - wenn man die hergebrachten Grundsätze europarechtskonform auslegt - kann man zu ganz anderen Ergebnissen kommen.

(Beifall bei der LINKEN)