Protocol of the Session on May 10, 2012

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Damit kommen wir zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Korter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Korter.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ganztagsschulpolitik dieser Landesregierung ist ein Musterbeispiel für den Etikettenschwindel, den sie in ihrer Schulpolitik betreibt. Das, was Herr Althusmann als Ganztagsschule bezeichnet, ist nicht mehr als ein unverbindliches Ganztagsbetreuungsangebot ohne Qualitätsstandards an wenigen Tagen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das ist ja ganz neu!)

So bleibt es weit hinter den pädagogischen Möglichkeiten einer Ganztagsschule mit Qualität zurück und ist für Berufstätige kein zuverlässiges Konzept.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das gleiche Thema hat- ten wir vor drei Tagen! Dasselbe Thema, die gleichen Aussagen!)

Meine Damen und Herren, dieses Ganztagsangebot ist auf prekären, in vielen Fällen wahrscheinlich rechtswidrigen Beschäftigungsverhältnissen aufgebaut. Die Staatsanwaltschaft prüft seit über einem Jahr Zigtausende von Arbeitsverträgen und hat die Landesregierung unter den Verdacht des Sozialversicherungsbetruges gestellt.

(Ulf Thiele [CDU] lacht)

- Solch eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung finde ich nicht witzig, Herr Thiele! - Ob Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegt, wird sich noch herausstellen.

(Astrid Vockert [CDU]: Das ist doch schon lange geklärt!)

Wir haben uns durch die Akteneinsicht unsere Meinung gebildet. Herr Althusmann wusste wie die Minister Busemann und Heister-Neumann schon vorher, seit Ende 2009, sehr genau um die Probleme. Aber er hat gewartet, bis der Staatsanwalt kam.

(Jens Nacke [CDU]: Irgendwie habe ich ein Déjà-vu! Das habe ich doch schon einmal gehört!)

Damit hat er rechtswidrige Verhältnisse jahrelang billigend in Kauf genommen und stattdessen ver

sucht, die Verantwortung auf die Schulleitungen abzuwälzen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Die gleiche Frau, das gleiche Thema, die gleiche Aussage!)

- Herr Klare, Sie müssen sich das ja nicht anhören! Gehen Sie doch hinaus, wenn es Sie langweilt!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, Herr Klare, dann finde ich das nicht witzig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben deshalb im September 2011 - - -

(Jens Nacke [CDU]: Ist es nicht bes- ser, wenn Sie aufhören zu reden, als wenn alle hinausgehen? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Dadurch läuft die Zeit weg. Herr Präsident, das ist ärgerlich!

Wir haben deshalb im September 2011 ein Konzept für die Einrichtung von Ganztagsschulen in den Landtag eingebracht - ein Konzept auf solider Basis für eine Ganztagsschule mit wirklicher Qualität. Unsere Zielsetzungen sind dabei: Die Bildungschancen aller Kinder unabhängig vom Elternhaus und vom Status der Eltern zu verbessern, für die Kinder, vor allem im Grundschulbereich, eine verbindliche und sinnvolle Förderung und Betreuung für den ganzen Tag zu garantieren, zugleich den Kindern und Jugendlichen aber auch Freiräume zu lassen; denn es soll nicht der ganze Tag von Schule verplant sein.

Unser Konzept sieht wie folgt aus: Alle Schulen werden in den kommenden zehn Jahren zu Ganztagsschulen weiterentwickelt. Der Ganztagsunterricht ist an vier Tagen in der Woche in einer Kernzeit von ungefähr 8 bis 15 Uhr verbindlich, der fünfte Tag bis mittags. So können Schulen ihren Tagesablauf rhythmisieren. So haben sie mehr Zeit für neue Lernformen und für die Inklusion. Das ist wichtig. So können Sie nämlich jedem Kind die Zeit für das Lernen geben, die es braucht. Das verbindliche Angebot wird durch freiwillige Angebote nach 15 Uhr und auch in den Ferien ergänzt, damit Berufstätige sich auf solche Betreuungsangebote verlassen können. Nach der Schule - das ist wichtig - gibt es keine zusätzlichen Hausaufgaben mehr.

Eine gute Ganztagsschule benötigt natürlich qualifiziertes Personal. Deshalb wollen wir sie wieder mit dem verbindlichen Personalzuschlag ausstatten. Gute Ganztagsschule braucht zudem gute räumliche Ausstattung. Angesichts zurückgehender Schülerzahlen dürfte das Problem der Zahl der Räume nicht bestehen. Wir haben leider in den nächsten Jahren bekanntlich leerstehende Räume. Die Räume müssen aber für Ganztagsschule und für die Lehrerinnen und Lehrer, die den ganzen Tag in der Schule sind, gut ausgestattet sein.

Eine Ganztagsschule ist natürlich auch nur so gut wie ihre Mittagsverpflegung. Für ein gesundes und attraktives Mittagessen wollen wir sorgen, indem sich das Land mit den Schulträgern auf Mindeststandards verständigt.

Es ist natürlich ein ehrgeiziges Ziel, alle Schulen zu Ganztagsschulen mit Qualität zu entwickeln. Das ist nicht von heute auf morgen zu schaffen; denn wir rechnen mit zusätzlichen Kosten von 350 Millionen Euro, wenn alle Schulen in zehn Jahren Ganztagsschulen sind. Diese Mittel sind natürlich nicht allein aus dem Landeshaushalt bereitzustellen. Aber wir können mit den ersten Schritten anfangen.

Zur vollständigen Umsetzung werden wir aber auch Gelder vom Bund - z. B. aus der Einführung einer Vermögensteuer - brauchen.

(Jens Nacke [CDU]: Ach so! „Jäger 90“!)

Meine Damen und Herren, CDU und FDP haben sich keine große Mühe gemacht, diesen Antrag zu beraten. „Nicht finanzierbar“ hieß es ebenso lapidar wie fantasielos.

(Jens Nacke [CDU]: Ja!)

Aber zugleich blocken CDU und FDP, Herr Nacke, alles ab, was die Einnahmesituation des Landes verbessern und Investitionen ermöglichen könnte.

(Jens Nacke [CDU]: Stellen Sie am besten doch den Plattenspieler an! Es ist immer das Gleiche!)

Das soll jemand verstehen, meine Damen und Herren. Die Wählerinnen und Wähler wenigstens tun es nicht. Sie wollen ja lieber Steuersenkungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir setzen darauf, dass sich die Kosten guter Ganztagsschulen schon sehr bald rechnen werden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und andere Institute haben ausgerechnet,

dass sich Investitionen in den Ganztagsbetrieb sehr schnell rentieren,

(Ulf Thiele [CDU]: Schreiben Sie doch mal auf, was Sie schon alles über die Vermögensteuer finanzieren wollen!)

weil sie mehr Eltern die Berufstätigkeit ermöglichen und zu mehr Steuereinnahmen führen. Wir brauchen alle Fachkräfte, gerade die gut ausgebildeten. Deshalb müssen wir auch endlich dafür sorgen, dass Frauen und Männer es hinkriegen, Kinder und Karriere zu vereinbaren.

Vor allem aber - und das ist uns wichtig - ist die gute Ganztagsschule eine der wichtigsten Maßnahmen, mehr Chancengleichheit in der Bildung und durch Bildung zu erreichen. Das ist für uns Grüne eines der wichtigsten Anliegen: Mehr Qualität in der Bildung und mehr Gerechtigkeit. Dafür setzen wir uns ein. Das werden wir ab 2013 in Niedersachsen auch umsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Reichwaldt zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gebundene Ganztag an allen Schulen, wie in diesem Antrag gefordert, wird die Ungerechtigkeit unseres gegenwärtigen Schulsystems, wenn es um gleiche Chancen für Kinder aller sozialen Schichten geht, allein nicht beseitigen können. Der grüne Antrag ist aber mit Sicherheit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

So beschäftigen wir uns folgerichtig seit gut vier Jahren immer wieder mit Anträgen aller drei Oppositionsfraktionen zum Ganztagsbetrieb an unseren Schulen. Überhaupt nicht zu verstehen ist allerdings die Ignoranz, mit der Sie, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, alle guten Vorschläge der Opposition zu diesem Thema abschmettern.

(Zustimmung von Pia-Beate Zimmer- mann [LINKE] und von Ina Korter [GRÜNE])

Sie haben immer noch mit Ihrem von Ihnen selbst ständig gefeierten Billig-Ganztags-Modell ein richtig großes Problem. Bei der Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt fiel mir meine Rede vom

26. Mai des letzten Jahres zum Antrag unserer Fraktion zum Ganztagsbetrieb in die Hände.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Uns fallen ganz viele dazu ein!)

Dem, was ich damals sagte - per Erlass werden die Schulen bei Genehmigung des Ganztagsbetriebs zum Verzicht auf eine vernünftige Personalausstattung gezwungen, Folgen sind ungerechte, schlechte Bezahlung, rechtswidrige Honorarverträge -, ist immer noch nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Auch das vom Kultusministerium in Auftrag gegebene Gutachten hilft nicht weiter. Beim Lesen finde ich sehr viel „vielleicht“. Honorarverträge könnten unter bestimmten Bedingungen möglich sein.