Protocol of the Session on May 9, 2012

(Beifall bei den GRÜNEN - Was? bei der CDU)

Der Koalitionspartner FDP verbreitet hier Phrasen und Blasen und kommt in der Sache nicht auf den Punkt. Herr Dr. Hocker, der fehlende Netzausbau ist schon seit Jahren beklagt worden. Zum Beispiel haben die Windkraftwerksbetreiber beklagt, dass E.ON und andere Stromkonzerne sich geweigert haben, die Anschlussleitungen für neue Windkraftanlagen zu bauen. Das ist seit Jahren Thema. Die Verbände der erneuerbaren Energien machen seit Langem darauf aufmerksam. Aber die Landesregierung hat das lange nicht interessiert.

Jetzt sind auch Konzerne wie Siemens und andere große Investoren davon betroffen, dass die Netzbetreiber hier schlampen, dass sie nicht so arbeiten, wie sie arbeiten müssten, und die Netze nicht so ausbauen, wie es notwendig wäre.

Meine Damen und Herren, die Funktion des Netzes wird sich wandeln: weniger Durchleitungsfunktionen und stärkere Aufnahme und Verteilung von Strom aus regenerativen Quellen. Dezentral ist die Zukunft.

Die Realität ist durch vier Netzgesellschaften mit vier Einflusszonen geprägt. Dies hat erhebliche Effizienzverluste zur Folge. Die Realität ist auch

durch eine fehlende Verflechtung mit Skandinavien geprägt. Wir waren extra in Norwegen, um uns das anzusehen, und haben festgestellt, dass es erhebliche Chancen gäbe, wenn wir stärker auch mit Skandinavien kooperieren. Das war aber immer nicht im Sinne des Geschäftsmodells der großen Stromkonzerne. Auch hier gibt es massive Effizienzverluste.

Ich komme nun zu dem Punkt, an dem sich die beiden Koalitionspartner, die diese Landesregierung stellen, offensichtlich nicht einig sind. Herr Hocker fordert heute mehr Anreize für Private. In Ihrem Energiekonzept von vor wenigen Wochen heißt es, die Länder müssten die Netzbetreiber anweisen können, für dringend erforderliche Verbindungen zeitnah Anträge zu stellen. Herr Birkner hat Zweifel, ob das alles richtig geregelt ist, und macht vorsichtige Andeutungen in Richtung von mehr Staat. Der Ministerpräsident spricht von einer Verstaatlichung. Herr Dr. Hocker, wie Sie mehr Anreize für Private und eine Verstaatlichung der Netze zusammenbekommen wollen, halte ich für sehr interessant.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das kann der Minister gleich erklären!)

Es wäre eigentlich die Aufgabe der Landesregierung und der Regierungsfraktionen, hier nicht nur windige Reden zu halten, sondern Konzepte vorzulegen und dann auch tatsächlich umzusetzen; denn Sie haben im Moment die Mehrheit und stellen die Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: Sehr richtig!)

Leitungsgebundene Infrastruktur ist ökonomisch betrachtet ein natürliches Monopol und sollte daher wettbewerbsneutral gemanagt werden. Das ist in der Regel ein klassischer Fall für öffentlichrechtliche Verantwortung und öffentlich-rechtliche Kontrolle.

Schon vor längerer Zeit haben wir eine entsprechende Neuausrichtung eingefordert. Jetzt höre ich von Herrn Miesner, man dürfe Netze nicht nur kaufen, sondern müsse sie dann auch ausbauen. Das ist sehr richtig. Das Problem ist erkannt, aber der Koalitionspartner will offenbar in eine andere Richtung. Deswegen fordert Herr Miesner, neue Überlegungen anzustellen und Beteiligungen an der TenneT zu prüfen.

Das können wir gerne konkret angehen. Sie haben dabei unsere Unterstützung, wenn wir damit beginnen, mit der öffentlichen Hand Verantwortung

zu übernehmen und eine deutsche Netzgesellschaft auf den Weg bringen. Ich erlebe hier aber Zerrissenheit. Es wird mit Phrasen um sich gehauen, und man ist nicht gewillt, das Problem ernsthaft anzugehen. Herr Thiele, das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir sind gespannt, welche konkreten Vorschläge es von diesem Ministerpräsidenten gibt, um die Probleme zu lösen.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt Herrn Minister Dr. Birkner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs einiges zu den Vorrednern sagen. Sehr geehrter Herr Tanke, zur Sache haben Sie nichts gesagt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie haben die übliche Kritik wiederholt, die von Ihrer Seite im Hinblick auf die Energiewende und die Politik der Bundesregierung kommt. Zu dem konkreten Problem des Netzausbaus haben Sie aber keinen eigenen Beitrag geleistet und keinen eigenen Vorschlag unterbreitet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Im Gegenteil, Sie haben in Ihrer Kritik die Bundesregierung - damit meinten Sie sicherlich auch die Landesregierung - im Hinblick auf die energetische Sanierung kritisiert. Wir sind uns darüber einig, dass die energetische Sanierung eines der wesentlichen Elemente der Energiewende ist, um den Energieverbrauch zu senken. Was erleben wir aber auf Bundesebene? - Die von CDU/CSU und FDP getragene Bundesregierung schlägt ein entsprechendes Gesetz vor, um zu einer steuerlichen Absetzbarkeit zu kommen. Und wer blockiert es? - Sie! Es sind die SPD-geführten Länder im Bundesrat, die hier nicht vorangehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Detlef Tanke [SPD])

- Herr Tanke, Sie brauchen sich gar nicht so zu echauffieren. Ich sitze auch in der Runde des Vermittlungsausschusses. Es sind die A-Länder, die dort blockieren und nicht weitergehen.

(Zuruf von der CDU: Herr Tanke sitzt dort doch gar nicht!)

Ich meine, dass wir hier einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Netzausbau kommen. Wir sind uns darüber einig, dass der Netzausbau wesentlich für das Gelingen der Energiewende ist. Wir haben es geschafft, die erneuerbaren Energien auf der Erzeugungsseite voranzubringen. Es sieht so aus, als ob dies weiterhin gelingen wird. Uns fehlen aber die Netze, und zwar nicht nur auf der Übertragungsnetzebene - Herr Dr. Hocker hat den Ausbaubedarf angesprochen -, sondern auch auf der Verteilnetzebene. Auf dieses Problem sind wir politisch noch gar nicht in dem Maße eingegangen, es wird uns aber noch erheblich fordern.

Übertragungsnetze sind im Moment gerade im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Offshorewindenergie ein Nadelöhr. Das muss besser vorangehen. Das betrifft den Ausbau im Binnenland, aber auch die Netzanschlussfragen. Da treffen wir auf vielfältige Probleme, die zu Schwierigkeiten und Verzögerungen führen. Das eine ist die Akzeptanz. Wir haben es bei der Planfeststellung für die Strecke Wahle–Mecklar mit 22 000 Einwendungen erlebt. Die Landesregierung bemüht sich, durch transparente Planungs- und Entscheidungsprozesse sowie eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung auch diesen Bedenken und Besorgnissen vor Ort entgegenzukommen.

Herr Wenzel, ich würde mich freuen, wenn die Grünen auch vor Ort so aktiv für den Leitungsausbau streiten, wie Sie es hier tun,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

und sich nicht auf die Arbeitsteilung einließen, hier im Parlament zu versuchen, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, aber vor Ort die Dinge doch so laufen zu lassen und sich als Bewahrer der örtlichen Interessen zu gerieren. Das kann nicht seriöse Politik sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ein weiteres Problem besteht bei den Offshorenetzanschlüssen. Dort tun sich in besonderer Weise die Investitionsprobleme hervor, die sich vermutlich auch im Binnenland beim Netzausbau zeigen. Hier sind es insbesondere Finanzierungsfragen. Die Firma TenneT ist offensichtlich nicht in der Lage - wie sie auch selbst öffentlich bekannt gemacht hat -, genug Kapital zu beschaffen.

In diesem Zusammenhang ist die Bundesregierung und ist der Bundeswirtschaftsminister natürlich

bemüht, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dieser Investor in der Lage ist, zusätzlich entsprechende Gelder auf dem Finanzmarkt zu bekommen. Deshalb unterstützen wir die Überlegungen des Bundeswirtschaftsministers - die gestern auch in den Zeitungen standen -, auch durch Beteiligung der Stromerzeuger, wenn Systemdienstleistungen in Anspruch genommen werden, einen Beitrag zu leisten.

Das kann aber nur ein Beispiel sein. Herr Wenzel, deshalb ist das überhaupt kein Widerspruch. Wir müssen alle Möglichkeiten prüfen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wenn sich zeigt, dass die Firma TenneT auf den konventionellen Wegen nicht in der Lage ist, die notwendigen finanziellen Mittel auf dem Markt zu bekommen, dann müssen wir selbstverständlich auch darüber nachdenken, ob ein staatliches Engagement etwa über die KfW zielführend sein kann, weil es um Infrastrukturen geht. Das ist keineswegs eine Verstaatlichung privater Gesellschaften, sondern das ist das notwendige staatliche Engagement, um die für die Energiewende nötigen Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen.

In diesem Sinne sind auch die Vorschläge des Ministerpräsidenten sowie meine Vorschläge zu verstehen. Wir sind sehr wohl für staatliches Engagement offen. Wir müssen weiter beobachten, ob es gelingt, den Netzausbau in dem bestehenden System voranzubringen. Wenn das nicht gelingt, dann müssen auch solche Wege beschritten werden. Denn wir können es uns auf keinen Fall erlauben, dass die Energiewende am Netzausbau scheitert oder erheblich verzögert wird. Es gilt, hier voranzukommen und die Dinge gemeinsam in die richtige Bahn zu lenken.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist unseres Erachtens die einheitliche Netzgesellschaft, bei der es darum geht, aus den vier Übertragungsnetzbetreibern durch Gespräche mit den jeweiligen Gesellschaftern auf freiwilliger Basis eine einheitliche Gesellschaft hinzubekommen. Es geht darum, eine integrierte Planung sicherzustellen, nicht erst in mühsamen Abstimmungsprozessen aufeinander abzustimmen, was einzelne Gesellschaften gemacht haben, und letztendlich auch Finanzierungsfragen zu erleichtern. In diesem Sinne wird sich die Landesregierung weiterhin dafür einbringen, die Energiewende zum Erfolg zu bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um deutlich zu machen, dass es genau richtig ist, was Umweltminister Stefan Birkner vorgetragen hat. Die Art, in der Stefan Birkner dieses Thema voranbringt - zurückhaltend, ruhig, besonnen und immer an der Sache orientiert -, ist eine sehr angenehme Art. Das ist ein sehr schöner niedersächsischer Weg.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Schostok [SPD]: War das eine Kritik an Herrn Sander? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich möchte kurz auf die Redebeiträge von Herrn Wenzel, Herrn Tanke und Herrn Herzog eingehen. Alle drei Redner haben sich offensichtlich mit meinem Interview im Handelsblatt beschäftigt.

Herr Tanke, ich kann Ihre Kritik nicht ganz nachvollziehen. Denn wenn Sie mich kritisieren, dann kritisieren Sie im gleichen Atemzug auch die anderen norddeutschen Ministerpräsidenten, Ihre Parteigenossen Scholz, Sellering und Börnsen. Denn wir haben ja vor einigen Wochen zu fünft in Berlin mit TenneT zusammengesessen und ein gutes, offenes und ehrliches Gespräch geführt. Dabei ist deutlich geworden, dass TenneT aufgrund einer Unterkapitalisierung nicht in der Lage ist, die gigantischen Herausforderungen des Anschlusses der Offshorewindparks und des Netzausbaus für die nächsten Jahre so zu stemmen, wie es wohl alle Beteiligten wünschen.

Deshalb ist die deutsche Politik aufgefordert, pragmatisch zu handeln. Wir haben an dieser Stelle ein Problem, das wir lösen müssen. Das ist keine Frage der Ideologie, sondern man muss pragmatisch darangehen. Stefan Birkner hat es zu Recht gerade geschildert: Ob es am Ende eine einheitliche Netzgesellschaft auf freiwilliger Basis gibt oder andere Möglichkeiten - wir müssen da innovativ sein. Aber eines ist klar: Ob mit staatlicher Beteiligung oder ohne, indirekt oder direkt - das Problem muss gelöst werden. Das ist die Aufgabe der deutschen Politik.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Offensichtlich hat ein Teil dieses Hauses für jedes anstehende Problem sofort eine 100-prozentige Lösung in der Tasche. Wir wollen über dieses Thema am 23. Mai auch mit der Bundeskanzlerin reden, zu dem sie die Ministerpräsidenten aller Länder eingeladen hat. Herr Scholz und ich haben vereinbart, dass wir das gemeinsam als norddeutsches Anliegen auf die Tagesordnung bringen werden.

Wir brauchen also innovative Lösungen. - Übrigens, Herr Herzog, Sie haben mich, glaube ich, gefühlt zum ersten Mal inhaltlich gelobt. Bitte tun Sie das nicht noch einmal! Das schadet meinem Ansehen in der Christlich Demokratischen Union.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)