Protocol of the Session on May 9, 2012

Leider hören und lesen wir da nichts von Ihnen. Stattdessen setzen Sie sich immer an die Spitze der Bewegung - das hat der Herr Kollege Dr. Hocker auch schon ausgeführt -, die gegen Stromleitungen protestiert, frei nach dem Motto: Warum Stromtrassen bauen? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose!

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen in dieser Frage wesentlich mehr Ehrlichkeit. Sie verkündigen sonntags den Atomausstieg und demonstrieren montags bis samstags gegen

neue Stromtrassen. So wird die Energiewende nie gelingen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Strom muss zu den Verbrauchern. Hier muss die Devise lauten: Mehr Miteinander statt Gegeneinander!

Was wir brauchen, ist ein Schulterschluss aller Kräfte, die diese Energiewende wirklich wollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Was wir aber auch benötigen, ist, dass die Netzbetreiber ihren Auftrag erfüllen. Es kann nicht sein, dass Netze gekauft werden, dann aber nicht in einen Ausbau investiert wird. Wir erwarten, auch wenn es sich um ein niederländisches Unternehmen handelt,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Was heißt denn das?)

dass man seine Hausaufgaben macht und seiner unternehmerischen Verantwortung gerecht wird. Wir erwarten von der TenneT: Bauen Sie die Netze endlich aus! Sorgen Sie für eine zügige Anbindung der Offshorewindkraftanlagen! Tragen Sie dafür Sorge, dass Erdkabel dort verlegt werden, wo der geringe Abstand zur Wohnbebauung dies erfordert!

Der Ausbau der Stromnetze ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Wir kommen nur dann zügig ans Ziel, wenn Bund und Länder ihre jeweiligen Kompetenzen in die Planung und Realisierung des Netzausbaus einbringen. Wenn Netzbetreiber erkennbar nicht in die Gänge kommen, dann müssen neue Überlegungen angestellt werden dürfen, wie das Ziel erreicht werden kann.

Wir begrüßen daher die Initiative unseres Ministerpräsidenten, der sich für eine Beteiligung des Bundes an der TenneT ausspricht. Wer für die Netzanbindung der Offshorewindparks statt der erforderlichen 15 bis 20 nur 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen kann, muss sich kritische Fragen stellen und neue Überlegungen gefallen lassen.

Am 30. April dieses Jahres lasen wir in der Wirtschaftswoche, was der Geschäftsführer der TenneT, Herr Lex Hartman, dazu zu sagen hat. Unter der Überschrift „Sofort anfangen“ schrieb er zu der Frage, wie er die Netzanbindung realisieren will: „Mit den richtigen Rahmenbedingungen“. Er plädierte für „eine Lösung dafür, wie die zukünftig nötigen, milliardenschweren Investitionen auf mehrere Schultern verteilt werden“. Nicht ohne Grund

sagte er: „… es sind auch andere Beteiligte denkbar, zum Beispiel … die KfW“.

Dies hat auch unser Ministerpräsident David McAllister vorgeschlagen. Wir brauchen hier also mehr Zusammenarbeit. Es dürfen ruhig neue Ideen entwickelt und neue Überlegungen angestellt werden,

(Rolf Meyer [SPD]: Das ist doch eine ganz alte Idee! Das ist doch nichts Neues!)

um letztendlich den Netzausbau zu realisieren. Ebenso erwarten wir positive Forschungsergebnisse in der Richtung, dass auch die Hochspannungsgleichstromleitungen, die sogenannten HGÜ-Leitungen, an den Masten installiert werden können, an denen die Wechselstromleitungen installiert sind. Das ist technisch nicht ganz einfach. Aber darauf setzen wir, um die Leitungen letztendlich zügig zu verlegen und den Strom in die Verbrauchszentren zu transportieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Herzog von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Liberale, es wird nicht besser, je öfter Sie es wiederholen. Im Gegenteil, es wird schlimmer, weil Ihre Beiträge einprägsam zeigen, dass Ihre technologische und politische Lernkurve eine Flatline ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Fehler bleiben Fehler, erst recht wenn sie schon bei den Grundannahmen und der zugrunde gelegten Gesamtkonzeption gemacht werden, weil sie dann nämlich zu systematischen Fehlern werden, die gegen Korrekturen immun sind.

„Neue Ideen für den Netzausbau“ - wie Sie Ihren Antrag zur Aktuellen Stunde recht hochtrabend nennen - müssen zunächst einmal mit der irrigen Annahme aufräumen, es würde ausreichen, einfach irgendwo viel Energie zu erzeugen und sie dann mit dicken Leitungen quer durch die Republik zu schaffen. Übrigens: Je weiter, desto größer der Verlust, verehrte Neudenker!

(Jens Nacke [CDU]: Mann, bin ich froh, wenn ich Ihre albernen Reden nicht mehr hören muss!)

Nach wie vor erkennen Sie nicht, dass es weder auf Bundes- noch auf Länderebene ein abgestimmtes Energiekonzept gibt, Herr Nacke. Wer Energieerzeugung klug verteilt anlegt, der spart nämlich viele Kilometer Leitungen.

Ich sage es Ihnen noch einmal - vielleicht verirrt es sich ja einmal zwischen Ihre ideologischen Scheuklappen -: Wenn die Bundesländer sich darauf einigen könnten, 2 % ihrer Landesflächen für Onshorewindkraft zur Verfügung zu stellen, wie es schon einige tun, nur Niedersachsen nicht, dann gäbe es laut Berechnung des Fraunhofer-Instituts mit fast 200 GW das achtfache Windpotenzial an Land, verglichen mit den - daran gemessen - recht mageren 25 GW auf See. An Land, gut über Deutschland verteilt, ist das aber alles viel schneller umsetzbar, halb so teuer und belastet - hören Sie gut zu! - viel weniger die gescholtene EEGUmlage.

Trotzdem will Rösler noch mehr Geld in Offshore stecken und die Haftung herunterfahren. Eine bahnbrechende neue Idee!

Übrigens, Herr Ministerpräsident: Ihre Weisheit „Der Wind bläst im Norden“ wird bei anderen Länderchefs sicherlich nicht nur auf Gegenliebe stoßen.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Gefallen, Herr McAllister, hat mir allerdings Ihr Plädoyer für staatliche Verantwortungsübernahme und Lenkung bei den Netzen. Da müssen Sie schon mächtig sauer auf TenneT gewesen sein. Der zeitliche Engpass und der technologische Flaschenhals sind in der Tat die Netzbetreiber selbst.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie schaffen es auch nicht, endlich Systemdienstleistungen fürs Netz zu nutzen. Da bauen die Windmüller die entsprechende Technik in ihre Mühlen, sie rüsten die älteren sogar nach. Aber Netzbetreiber rufen das gar nicht ab.

Auch das ist Rösler egal. Er will deren Versagen kostenmäßig auf Wind- und Solarenergieerzeuger abwälzen - ein geradezu revolutionärer Blindflug eines Ministers auf Abruf.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Christian Meyer [GRÜNE])

Dabei geht es nicht nur um übertragene Ampere, Herr Hocker, sondern auch um regelbare Wirk- und Blindleistung, Frequenzregelung und Oberschwingungsdämpfung. Genau das führt paradoxerweise dazu, dass aus Gründen der Netzsicherheit manchmal Hunderte von Windanlagen gedrosselt werden müssen. Effizient ist etwas anderes.

Die Netzbetreiber hinken in allem hinterher: bei den Investitionen, der technologischen Modernisierung und der intelligenten Netzplanung. Lassen Sie uns also, Herr McAllister, Ihren Vorschlag zu Ende denken! Kommen wir zu großräumiger Bündelung des Netzbetriebs

(Zustimmung bei der CDU)

- danke, dass Sie klatschen - in öffentlicher Hand statt Gerangel um zerstückelte Kompetenzen!

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Ingrid Klopp [CDU])

Dieses Kompetenzgerangel bewirkt übrigens teilweise fatale Reibungsverluste und widersprüchliche Reaktionen der verschiedenen Netzbetreiber in ihren einzelnen Kraftwerken.

Meine Damen und Herren, wer Lastmanagement wirklich ernst nimmt und endlich, wissenschaftlich untermauert, umsetzt, z. B. durch produktionsunschädliches Verschieben der Lastspitzen von Großverbrauchern um nur wenige Stunden, der spart Kraftwerkskapazität und vor allem überdimensionierte Netztrassen. Wer endlich auf Freileitungsmonitoring setzt, Wind, Temperatur usw. berücksichtigt, der kann 50 % mehr Leistung durch Leitungen schicken. Wer mit Aluminiumleitern arbeitet, der kann mit diesen Hochtemperaturseilen 50 bis 100 % mehr Strom transportieren. Die denaStudie II empfiehlt zwar die Prüfung solcher Optimierungsmaßnahmen, ohne sie aber in ihre Berechnungen einzubeziehen.

Ja, wir werden für eine gewisse Übergangszeit ergänzende fossile Kraftwerke brauchen, aber eben nicht Kohledreckschleudern, sondern hocheffiziente Gaskraftwerke, die dorthin gesetzt werden, wo der Verbrauch hoch ist, und nicht als Feder am Hut von Landesfürsten dienen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Last, but auf keinen Fall least schafft die dezentrale Koppelung von Erzeugung und Verbrauch Identität und Wertschöpfung vor Ort, und sie spart Hochspannungsleitungen. Dies sei - O-Ton Rösler - nicht in jedem Fall zutreffend, aber eben doch meistens. Alles andere ist utter nonsense, wie ich vom Ministerpräsidenten gelernt habe.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Wenzel das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Was für alberne Reden sind das immer!)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Antrag der FDP zur Aktuellen Stunde ist wieder einmal ein interessantes Lehrstück. Zum einen muss man feststellen: Das Energiekonzept der Landesregierung, das erst wenige Wochen alt ist, ist an einem entscheidenden Punkt offenbar veraltet. Zum anderen muss man feststellen: Die beiden Koalitionspartner sind sich in einer zentralen Frage nicht einig.

(Beifall bei den GRÜNEN - Was? bei der CDU)