Protocol of the Session on May 8, 2012

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Thümler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über Europa reden, dann reden wir meistens über Krise: Schuldenkrise, Eurokrise, Finanzmarktkrise, Wirtschaftskrise, Sinnkrise usw. Richtigerweise sollten wir aber auch davon reden, dass Europa nicht nur Krise ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn wir heute über den Euro reden, dann reden wir meistens über Rettungsschirme, Umschuldung, Bankenkrise, Immobilienkrise usw. Richtigerweise sollten wir auch darüber sprechen, dass der Euro nicht nur ein Problem ist.

Es ist völlig klar, dass der Euro der Kern der Europäischen Union ist. Der Euro hält Europa zusammen. Er schützt und stärkt uns, er bewahrt uns vor Krieg; Staaten, die mit demselben Geld bezahlen, führen keine Kriege gegeneinander, meine Damen und Herren. Das muss uns heute, gerade am 8. Mai, Mahnung und Auftrag sein, diesen Euro zu erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn der Euro in der Krise ist, ist Europa in der Krise. Das ist Realität. Aber es gibt auch noch mehr zwischen Himmel und Erde, was uns Menschen bestimmt,

(Lachen bei der SPD)

politische Konstrukte zusammenhält und Identität schafft.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist eine Rede!)

Das sind Werte: Frieden und Freiheit, Wirtschaft, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es stellt sich dann die Frage: Warum brauchen wir Europa? - Weil wir, erstens, eine gemeinsame Geschichte haben und dasselbe kulturelle Erbe teilen. Daraus erwächst eine gemeinsame Verantwortung. Unser Kontinent hat zwei Ursprungsgeschichten: die Geschichte der griechischen Philosophie und die Geschichte der römischen Rechtslehre. Beide Ursprungsgeschichten wurden vom Christentum aufgenommen und bilden bis heute eine gemeinsame Synthese. Daraus ist ein europäisches Wertefundament entstanden. Dieses Wertefundament ist bis heute die Wurzel unseres gemeinsamen Europas.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dieses gemeinsame Wertefundament begründet auch unsere gemeinsame Verantwortung für Europa.

Deswegen ist es unverständlich, dass Sie mit Ihrer nörgelnden, wenig voranbringenden Kritik immer zielgerichtet genau an den Dingen vorbeigehen, ohne dass Sie wirklich auf den Punkt zu sprechen kommen, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Warum brauchen wir Europa? - Weil Europa, zweitens, der Garant für Frieden und Freiheit ist. Der europäische Entscheidungsprozess hat die Staaten Europas zusammenwachsen lassen, das Netz ist über Jahre so eng geworden, dass sich die einzelnen Fäden nicht ohne Weiteres herauslösen lassen würden.

Das, meine Damen und Herren, muss uns Mahnung und Auftrag - gerade an diesem Tag - sein. Da war es doch die Katastrophe, der Zusammenbruch - - -

(Zurufe von der SPD)

- Ich kann doch nichts für Ihre Geschichtsvergessenheit, meine Damen und Herren! Sie sollten sich einmal erinnern, dass 1945 der Zweite Weltkrieg in einer der schrecklichsten Katastrophen geendet hat, die dieser Kontinent je gesehen hat. Das kön

nen Sie so wegwischen. Wir tun das nicht. Wir erinnern daran, weil daraus etwas entstanden ist, auf das wir heute gemeinsam stolz sein können, meine Damen und Herren! Sie brauchen das ja nicht.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen war es eben nicht selbstverständlich, dass sich nach 1945, als Europa in Schutt in Asche gelegen hat, Staatsmänner zusammengefunden haben, die die Idee eines vereinten gemeinsamen Europas nicht nur gelebt haben, sondern auch weiter-, fort- und voranentwickelt haben.

Daran, meine Damen und Herren, müssen Sie bei allem, was Sie im finanzpolitischem Klein-Klein kritisieren, gelegentlich auch denken. Es gibt darüber hinaus etwas, was uns zusammenhält: Das sind die Werte, die ich vorhin beschrieben habe.

(Zuruf von der CDU: Richtig! - Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und drittens brauchen wir Europa, weil unserer Wirtschaft neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnet worden sind und uns allen ein noch nie dagewesener Wohlstand zuteil geworden ist.

Mit 500 Millionen Verbrauchern ist Europa einer der größten Absatzmärkte weltweit, größer noch als die USA. Dies ist insbesondere für unsere exportorientierte Wirtschaft und im Übrigen auch für Niedersachsen ein Segen.

Dazu kann ich Ihnen sagen, dass 2011 63 % der Exporte niedersächsischer Unternehmen in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegangen sind. Dies zeigt, wie eng wir miteinander verwoben sind. Das ist zugleich Chance, aber auch Auftrag für uns, Europapolitik richtig zu betreiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was erwarten wir heute von Europa? - Wir erwarten erstens einen stabilen Euro. Dafür brauchen wir stabile Finanzen in den Mitgliedstaaten. Das setzt voraus, dass die Mitgliedstaaten Stabilitätskriterien erfüllen. Deshalb ist es richtig, dass mehrere Staaten der Europäischen Union eine Schuldenbremse eingeführt haben.

Es geht darum, dass wir uns neue Spielräume verschaffen, um zu investieren und wichtige Projekte - auch europaweit - voranzubringen. Immer neue Schulden haben dazu geführt, dass ein immer größerer Anteil der öffentlichen Haushalte in

den Zinsdienst fließt und dass notwendige zukunftsgerichtete Investitionen nicht zur Verfügung gestellt werden können.

Dieses Problem mit weiteren Schulden lösen zu wollen, wie es gerade Frau Emmerich-Kopatsch hier dargestellt hat, ist ein absoluter Irrglaube, meine Damen und Herren;

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

denn klar ist, dass weitere Schulden das Problem verschärfen und es nicht lösen werden. Ein Neuverschuldungsverbot ist zudem eine Frage der Solidarität, und zwar im doppelten Sinne. Es ist eine Frage der Solidarität mit den kommenden Generationen, und es ist eine Frage der Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander.

Auf Schuldenbergen, meine Damen und Herren, können anerkanntermaßen Kinder nicht spielen. Deswegen muss dieses Problem in den Ländern gelöst werden, in denen die Schuldenberge entstehen. Solidarität erfordert also Subsidiarität, und Subsidiarität erfordert wiederum eigenverantwortliches Handeln, meine Damen und Herren. Das muss im Fokus unserer Politik stehen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das bedeutet für mich ganz klar, dass wir helfen. Wir helfen aber auch, damit Staaten wie Griechenland sich auf längere Sicht wieder selber helfen können. Deshalb sind politische Ansätze wie Eurobonds und weitere Transfergemeinschaften schlichtweg falsch, meine Damen und Herren. Auch die Abgabe von Souveränitätsrechten wie der Haushaltshoheit wäre ein solcher falscher Punkt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Es ist nicht solidarisch, Probleme umzuverteilen, sondern es ist unverantwortlich, und damit ist es unsozial, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen - ich unterstreiche das, was der Herr Ministerpräsident gesagt hat - ist es ein Gebot der Stunde, die Schuldenproblematik endlich in den Griff zu bekommen. Deswegen sind Schuldenbremsen - ob in Deutschland oder Spanien oder anderswo - in den Staatshaushalten richtig.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen brauchen wir auch in Niedersachsen rasch eine Schuldenbremse, und zwar nicht erst 2020, wie SPD und Grüne es wollen, sondern schon 2017, wie wir es vorgeschlagen haben;

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und das deswegen, meine Damen und Herren, weil wir nur dann glaubwürdig sind, wenn wir selber das leisten, was wir anderen abverlangen, unsere Hausaufgaben dann machen, wenn es von uns gefordert wird, und nicht um jeden Preis herumeiern, wie Sie, Herr Schostok es tun, nur um nicht zugeben zu müssen, dass Sie sich bei der Schuldenbremse in die völlig falsche Richtung verrannt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Wer eiert hier denn wohl herum?)

Wir erwarten von Europa heute zweitens Regulierungen mit Augenmaß. Es kann nicht sein, dass die Europäische Kommission eine tragende Wand der Automobilindustrie in Europa einreißen möchte. Wir kämpfen deshalb vehement an der Seite der Landesregierung für den Erhalt des VW-Gesetzes. Die EU-Kommission bringt mit ihren Vorgaben ohne Not eine große Unruhe in ein wirtschaftlich äußerst erfolgreiches und stabiles Unternehmen. Dadurch wird das Vertrauen der Menschen in europäische Institutionen belastet. Der neue Vorstoß der Kommission führt auch dazu, dass einer unnötigen Euroskepsis Vorschub geleistet wird.