Protocol of the Session on May 8, 2012

Wir erwarten von Europa heute zweitens Regulierungen mit Augenmaß. Es kann nicht sein, dass die Europäische Kommission eine tragende Wand der Automobilindustrie in Europa einreißen möchte. Wir kämpfen deshalb vehement an der Seite der Landesregierung für den Erhalt des VW-Gesetzes. Die EU-Kommission bringt mit ihren Vorgaben ohne Not eine große Unruhe in ein wirtschaftlich äußerst erfolgreiches und stabiles Unternehmen. Dadurch wird das Vertrauen der Menschen in europäische Institutionen belastet. Der neue Vorstoß der Kommission führt auch dazu, dass einer unnötigen Euroskepsis Vorschub geleistet wird.

VW hat mit Katar bereits heute einen ausländischen Großaktionär. VW hat heute mehr Standorte außerhalb Deutschlands als innerhalb unserer Landesgrenzen. VW beschäftigt heute mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Ausland als im Inland. Dies alles ist und war mit dem VWGesetz möglich, und es soll auch in Zukunft möglich bleiben. Es gibt gar keinen Grund, das VW-Gesetz abschaffen bzw. es an dieser Stelle ändern zu wollen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Richtig ist auch: Europa profitiert in großem Maße von Volkswagen. - Deshalb ist es überhaupt nicht einsichtig, dass das Volkswagen-Gesetz gegen europäische Interessen verstoßen sollte. Deshalb sind wir froh und unterstützen es ausdrücklich, dass David McAllister, unser Ministerpräsident, nicht nur den Erhalt des VW-Gesetzes im Fokus hat, sondern dieses Thema zur Chefsache ge

macht hat und demgemäß schon lange Gespräche zur Rettung des Gesetzes in Brüssel und anderswo führt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Drittens. Wir erwarten von einem Europa von heute Regulierungen mit Augenmaß. Das erwarten wir auch in Bezug auf die EU-Arbeitszeitrichtlinie, weil es nicht sein kann, dass neue Arbeitszeitvorschriften der EU u. a. die Existenz der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland gefährden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Historisch gewachsene Strukturen wie die der Freiwilligen Feuerwehren, die es in anderen Mitgliedstaaten so nicht gibt, müssen vor dem Regulierungswahn der EU-Bürokraten geschützt werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist richtig, Arbeitnehmerrechte zu sichern; allerdings muss ehrenamtliches Engagement anders behandelt werden als normale Erwerbstätigkeit. Deswegen darf es diese Regelung nicht geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Viertens. Wir erwarten von einem Europa von heute, dass die gesellschaftliche Leistung der Landwirtschaft auch weiterhin honoriert wird.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU ist für Niedersachsen als Agrarland Nummer eins von besonderer zentraler Bedeutung; denn Niedersachsen ist der zehntgrößte Agrarproduzent innerhalb der EU. In Niedersachsen ist die Land- und Ernährungswirtschaft heute nach dem Fahrzeugbau der zweitwichtigste Sektor des produzierenden Gewerbes, in einigen Regionen sogar der größte. Deswegen ist es wichtig, dass durch die EU-Strukturförderung insbesondere im ländlichen Raum in diesen Branchen sichere Einkommen, Beschäftigung und Lebensqualität gesichert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bisher wurden aus EU-Mitteln jährlich Direktzahlungen von knapp 1 Milliarde Euro an niedersächsische Landwirte ausgezahlt. Das sind immerhin 60 % der landwirtschaftlichen Einkommen. Das unterstreicht die Bedeutung einer gemeinsamen europäischen Agrarpolitik insbesondere für den

Standort Niedersachsen. Eine weitere gute zukünftige Entwicklung in diesem Bereich ist unabdingbar damit verbunden, dass die EU-Strukturförderung weitergeführt wird, dass sie allerdings auch kritisch hinterfragt wird und dass es dort, wo sie sich möglicherweise nicht gelohnt hat, zu Veränderungen kommt.

Frau Emmerich-Kopatsch, Sie sagen, dass sich die EU-Strukturförderung hier zehn Jahre lang nicht bewährt habe und die Landeregierung Regionen vergessen habe. Das ist, wie Sie wissen, ein Teil aus einem Märchenbuch, den Sie erzählen können, wo Sie wollen, aber nicht hier, weil das schlicht und ergreifend falsch ist, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist Ihre Wahrheit!)

Herr Ministerpräsident McAllister hat heute das Europapolitische Konzept der Landesregierung vorgestellt. Er hat ausdrücklich dazu eingeladen, dieses Konzept in einem Dialog zu diskutieren und darüber zu sprechen. Dieses Angebot sollten wir alle hier in diesem Hause annehmen; denn eines ist klar: Nur gemeinsam können wir uns in Brüssel im Konzert der europäischen Regionen behaupten und Niedersachsen eine kraftvolle Stimme verleihen.

Konrad Adenauer hat einmal gesagt:

„Die Einheit Europas war ein Traum weniger. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für alle.“

Das, was damals richtig war, das ist auch heute noch richtig. Europa ist nicht die Frage, sondern Europa ist die Antwort.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sehr gut!)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Wenzel das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, wenn irgendwo in Europa gewählt werde, dann sei dies kein Grund, Verträge noch einmal neu zu beraten. Ich sage Ihnen dazu: Frankreich ist nicht irgend

wer. Frankreich ist die Achse zusammen mit Deutschland in Europa.

(Björn Thümler [CDU]: Das bleibt auch so!)

Deswegen lohnt es schon, hier mit den Franzosen zu sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der Haushaltsausschuss unseres Parlaments sollte in einer solchen Frage befasst werden, bevor die Landesregierung im Bundesrat zustimmt, weil es das Budgetrecht unseres Hauses, des Parlaments, betrifft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ansonsten, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, haben wir Ihrem staatspolitischen Vortrag sehr aufmerksam gelauscht. Wir teilen auch die These, dass Niedersachsen mitten in Europa liegt.

Aber im Ernst: Es ist schon bezeichnend, zu welchen Themen Sie im letzten Dreivierteljahr hier im Parlament keine Regierungserklärung abgegeben haben: keine Regierungserklärung zur Zustimmung Ihrer Regierung zu einer weiteren Elbvertiefung, keine Regierungserklärung zu der Affäre Wulff, keine Regierungserklärung zu dem für Niedersachsen untauglichen Entwurf eines neuen Endlagersuchgesetzes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Herr McAllister, Ihre Rede trägt die Überschrift „Niedersachsen in Europa: Verantwortung übernehmen, Interessen vertreten, Chancen nutzen, Herausforderungen bewältigen“.

(Zustimmung von Jens Nacke [CDU] und Christian Dürr [FDP])

Die Überschrift, Herr Nacke, hätte statt „Niedersachsen in Europa“ wohl besser lauten können: „McAllister in Niedersachsen: Verantwortung übernehmen, Interessen vertreten, Chancen nutzen, Herausforderungen bewältigen“. Aber so lautet Ihre Überschrift nicht, weil Sie es, Herr Ministerpräsident, in solchen Fragen lieber im Ungefähren lassen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn Sie über Europa reden, stellt sich doch sofort die Frage, welches Europa Sie meinen. Sind Sie für das Europa der Banken, der transnationalen Spekulanten und der Steueroasen, oder sind

Sie für das Europa der Solidarität und des sozialen Zusammenhalts?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Welches Europa wollen Sie, Herr McAllister? - Das hat Ihre heutige Erklärung nicht deutlich gemacht.

Interessant ist, dass Sie ausgerechnet zwei Tage nach dem Ende der postnapoleonischen Ära Ihres Freundes Nicolas Sarkozy

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD)

das Thema „Europa“ auf die Tagesordnung nehmen. In Paris haben die Konservativen vorweggenommen, Herr Nacke, was spätestens im Januar 2013 auch hier in Hannover passiert. Sie haben ausgespielt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in den letzten zwei Jahren der Krisenbewältigung wurde jeweils der kleinste gemeinsame Nenner zwischen CDU und FDP zum Maßstab für ganz Europa gemacht. Auf den Fiskalpakt konnten Sie sich noch verständigen, aber ein konsequentes Vorgehen bei der Transaktionssteuer traf auf den Widerstand der FDP.

Meine Damen und Herren, es ist doch ein Irrwitz, dass Spekulanten im schnellen Handel am Computer Immobilien, Schiffe, Rohstoffe und ganze Firmen kaufen können und noch immer keinen einzigen Cent Transaktionssteuer oder, besser gesagt, Spekulationsumsatzsteuer zahlen müssen, aber jede Verbraucherin und jeder Verbraucher und jeder Hartz-IV-Empfänger, wenn er Brot und Butter kauft, Mehrwertsteuer in erheblichem Umfang bezahlen muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)