Dies ist bereits an unserer Finanzpolitik zu erkennen. Wir wollen die Schuldenbremse in der Verfassung etablieren und somit der von Ihnen angestrebten Politik auf Pump - „Freibier für alle!“ - einen Riegel vorschieben. Diese, liebe Kolleginnen und Kollegen, ginge allein auf Kosten der jungen Generation.
Mit Symboldebatten wie der Änderung des Wahlrechts ist niemandem geholfen. Wir machen Politik für die Menschen gleich welchen Alters.
Insgesamt gibt es weder plausible Gründe für die Abkoppelung der Wahlberechtigung von der Volljährigkeit noch Hinweise darauf, dass die Herabsetzung des Wahlalters zu einer Abmilderung der Politikverdrossenheit führen werde. Daher können Sie nicht mit der Zustimmung der CDU-Fraktion zu Ihrem Gesetzesvorhaben rechnen.
Zu dem Beitrag des Kollegen Adasch liegen zwei Meldungen zu Kurzinterventionen vor: von Frau Staudte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und von Herrn Perli für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Staudte!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Adasch, ich möchte auf das eingehen, was Sie gerade gesagt haben.
Zunächst zu dem Politikexperten Herrn Woyke, der heute in der Zeitung zitiert wurde. Wenn Sie einmal
recherchieren, mit welchen Themen er sich befasst hat, dann werden Sie feststellen, dass er sich um internationale Politik und so etwas gekümmert hat. Er ist definitiv kein Jugendexperte. Ich weiß nicht, warum gerade er befragt worden ist.
Sie haben auch gesagt, Sie wollten keine Experimente, was die Absenkung des Wahlalters angeht. Aber wir haben doch bei der Kommunalwahl das Wahlalter 16! Wollen Sie etwa sagen, dass das ein gescheitertes Experiment sei? Sie haben eben gerade gesagt, in Bremen und Brandenburg habe es keine nennenswerten Veränderungen bei den Wahlergebnissen gegeben. Das ist doch auch ein Argument dafür, dass es überhaupt nicht schädlich ist, mehr Menschen das Wahlrecht zu geben.
Ich muss auch sagen: Bei dieser Frage des Wahlrechts geht es nicht um die persönliche Befähigung. Sonst müssten wir einen Wahlführerschein einführen.
Man müsste dann z. B. sagen: Man darf erst dann wählen, wenn man lesen und schreiben kann. - Davon hängt es aber nicht ab.
- Ja, genau. Ich sage, dass wir das nicht machen dürfen. Ihre Argumentation aber würde dazu führen, dass wir uns die Frage nach der persönlichen Befähigung stellen müssten.
Vielen Dank, Frau Staudte. Die Zeit ist leider um. - Jetzt hat der Kollege Perli das Wort. Auch Sie haben eineinhalb Minuten. Bitte schön.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Kollege Adasch, Ihre Argumente waren nicht stichhaltig. Zu der Frage der Forscher ist einiges gesagt worden. Herr Hurrelmann, der anerkannte Fachmann für Kinder- und Jugendfragen, der die Shell-Jugendstudie veröffentlicht, sagt ganz klar: Es ist sogar
schon ab dem zwölften Lebensjahr die Befähigung gegeben, um Entscheidungen wie bei einer Wahl treffen zu können. Insofern ist das, was Herr Woyke sagt, absolut nicht stichhaltig.
Der Landesjugendring spricht sich heute in einer Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf ganz eindeutig dafür aus, dass der Niedersächsische Landtag diese Wahlalterabsenkung schon für die kommende Landtagswahl durchführen soll. Junge Leute wollen doch beteiligt werden. Das zeigen alle Erfahrungen aus der Arbeit des Landesjugendrings.
Dann ist von Ihnen gesagt worden, die Beispiele Bremen und Brandenburg hätten gezeigt, dass das gar nicht geht. „Das bringt gar nichts“, haben Sie gesagt. Das ist natürlich spannend: Brandenburg hat noch gar nicht gewählt. Sie haben es beschlossen, aber die 16- und 17-Jährigen dort haben noch gar nicht gewählt. Es geht da um die nächste Landtagswahl. Es wird sich erst noch zeigen.
In Bremen lautet die klare Aussage des Landeswahlleiters: Das hat sich gelohnt. Wir haben bei allen Altersgruppen eine zurückgehende Wahlbeteiligung. Nur bei den 16- bis 21-Jährigen steigt sie. Bei den Erstwählern steigt sie. Die jungen Leute wollen ihr Recht wahrnehmen.
Abschließend zitiere ich den heutigen Titel der Oldenburgischen Volkszeitung: „Breite Front für Wahlrecht ab 16“. Weiter zitiere ich daraus den JUVorsitzenden des Kreises Vechta, Harm Böckmann: „Eine sehr gute Idee“. Joachim Steinkamp aus Lohne, JU-Chef im Landesverband Oldenburg, hält das Wahlrecht ab 16 für denkbar. Alle schließen sie sich unserer Forderung an, nur die CDU und wahrscheinlich auch die FDP bleiben noch dem letzten Jahrhundert verhaftet.
Ich möchte gleich auf Herrn Perli eingehen. Wenn ich vorhin von Berlin gesprochen habe, bitte ich, das zu korrigieren. Ich meinte Bremen und Brandenburg. Möglicherweise habe ich da etwas Falsches gesagt.
eine Landtags-, Bundestags- oder Europawahl. Das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Es handelt sich hier um ein gesetzgebendes Organ, und das ist schon ein bisschen etwas anderes. Bei Kommunalwahlen geht es um Belange direkt vor Ort.
Frau Staudte und Herr Perli, ich sage das in Ihrer beider Richtung: Man kann nicht Experten oder Fachleute, die zu bestimmten Themen nicht Ihrer Meinung sind, einfach infrage stellen oder diskreditieren. Sie müssen schon irgendwo akzeptieren, dass es auch unterschiedliche Auffassungen gibt. Sie dürfen sich nicht immer nur die herauspicken, die Ihrer Meinung sind, und sagen, dass alle anderen unrecht haben. So funktioniert das in der Demokratie nicht.
Als nächster Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat Herr Tonne für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits zum zweiten Mal in dieser Wahlperiode diskutieren wir nun über einen Antrag zur Absenkung des Wahlalters. Vor drei Jahren kamen Bündnis 90/Die Grünen mit einem Vorschlag zur Absenkung auf 14 Jahre. Nunmehr fordern die Linken etwas moderater - was grundsätzlich überrascht - eine Absenkung auf 16 Jahre.
Vorab ist festzuhalten, dass es keinen formalen Grund gibt, wonach eine Absenkung des Wahlalters nicht möglich wäre. Genauso gilt: Jede Möglichkeit, die zu mehr Beteiligung an Wahlen und an politischen Prozessen führt, ist gut für unsere Demokratie und verdient daher erst einmal unsere Unterstützung.
Es ist also eine politische Entscheidung, ob wir das Wahlalter senken wollen oder nicht. Wir als diejenigen, die das zu entscheiden haben, müssen uns Gedanken darüber machen, wie man eine Absenkung des Wahlalters in die Struktur der Rechte und Pflichten für Jugendliche und Volljährige einfügt, ohne dass dort Brüche entstehen. Die Wahlaltersgrenze muss sich immer überzeugend in die Gesamtheit der Rechtsordnung einfügen. Wenn man sich dazu das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichtes anschaut, so sieht man, dass es sehr deutlich ausgeführt hat, dass es zulässig
und notwendig ist, das Wahlrecht als höchstpersönliches Recht an gewisse persönliche Mindestanforderungen - wie beispielsweise das Erreichen eines Mindestalters - zu knüpfen. Es hat aber nicht gesagt, wo dieses Mindestalter liegt.
Gleichwohl darf die Festlegung eines Mindestwahlalters nicht willkürlich sein. Die Ausübung des Wahlrechts setzt - so das Bundesverfassungsgericht - einen rationalen Akt der Entscheidung und damit die Fähigkeit zur selbstständigen und rational begründeten politischen Willensbildung und Willensentschließung voraus. Es ist für uns sicherlich schwer zu ergründen, in welchem Alter die Reife für eine begründete politische Willensentschließung eintritt. Ich kann mir auch vorstellen, dass das bei manchem Erwachsenen oder Volljährigen noch nicht der Fall ist. Mit einer Festlegung auf das Alter von 18 Jahren wird man einigen der Betroffenen sicherlich nicht gerecht, mit einer Festlegung auf ein Alter von 16 Jahren vermutlich ebenso wenig. Von daher müssen wir eine sehr sorgfältige Abwägung der Vorteile und Nachteile vornehmen.
Wenn man im Rahmen einer Anhörung zu dem Ergebnis kommt, dass sich die Gesellschaft im Allgemeinen und die Gruppe der 16- und 17-jährigen Jugendlichen im Besonderen im Unterschied zu den früheren Ansichten in dem oben genannten Sinne verändert hat, kann man eine entsprechende Gesetzesänderung angehen. Sehr geehrter Herr Kollege Adasch, da wäre auch der von Ihnen geforderte plausible Grund.
Wir müssen uns dann aber auch sehr genau mit der Frage auseinandersetzen, ob wir das Wahlrecht von der Volljährigkeit abkoppeln können und wollen. Das gab es früher schon für kurze Zeiten. Dann fand wieder eine Angleichung statt, welche seitdem etliche Jahrzehnte standgehalten hat. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern werden dabei sicherlich wertvolle Anregungen liefern und Auskunft darüber geben, ob eine Absenkung der Altersgrenze tatsächlich zu mehr Beteiligung von Jugendlichen an politischen Prozessen führt. Herr Kollege Perli, ich gehe einmal davon aus, dass die Beispiele Kuba und Nicaragua dabei auch nicht abschließend gemeint sind.
Ich weise darauf hin, dass wir durchaus einen vergleichenden Blick auf Regelungen im Zivilrecht und im Strafrecht vornehmen können. Herr Kollege Adasch hat die Strafmündigkeit angesprochen. Ich teile seine Einschätzung nicht, dass dann eine zwingende Absenkung der Strafmündigkeit erfor
derlich ist. Gleichwohl muss man in diesem Kontext auch die Diskussion führen, die bei uns von Fachpolitikern bzw. Fachleuten im Bereich der Jugendkriminalität bereits geführt wird. Sie sagen uns: Eigentlich müsste man die Anwendung des Jugendstrafrechtes eher ausdehnen als einschränken. Das begründen sie explizit mit verspäteter Reife im Vergleich zu früheren Jahren. Ich kann unter diesen Umständen aber nicht erklären, dass Jugendliche über politische Gestaltungsfragen des Landes mit entscheiden können, während ich ihnen das gleichzeitig hinsichtlich der Gestaltung des eigenen Lebens abspreche. Das ist, wie ich finde, eine sehr schwierige Frage, der man sich stellen muss.
Mir ist völlig klar, dass man im Einzelfall - egal, mit welcher Regelung: 18 Jahre, 16 Jahre - immer für subjektiv empfundene Ungerechtigkeiten sorgt. Trotzdem muss eine möglichst gute grundsätzliche Regelung gefunden werden. Alle kritischen Anmerkungen, die man dazu vorbringt, sind mit Sicherheit kein Ausschlussgrund für den Gesetzentwurf. Gleichwohl möchte ich, dass wir diese Aspekte im Rahmen der späteren Beratung mit diskutieren.
Allerdings finde ich, dass man bei der Frage, wie mit den Rechten und Pflichten von Kindern und Jugendlichen verantwortungsvoll umzugehen ist, die Wahlaltersabsenkung immer nur als einen Baustein in einer ganzen Reihe von politischen Handlungsmöglichkeiten darstellen kann. Wer lediglich die Wahlaltersabsenkung fordert, übersieht, dass wir die neuen Wählerinnen und Wähler in einem solchen Prozess darauf vorbereiten müssen, dass sie wählen dürfen.
Wir sollten daher den Mut haben, den eingebrachten Gesetzentwurf dann auch in einem größeren Kontext zu diskutieren. Nur auf diesem Wege werden wir - denn dabei geht es um eine neu aufgeworfenen Dimension der Veränderung des Wahlsystems - auch denjenigen gerecht, die bereits jetzt das Wahlrecht besitzen.
Hierzu gehört, dass wir uns Gedanken über die Einflussmöglichkeiten der Jugendlichen auf die Politik fernab von Wahlen machen müssen. Und hierzu gehören Fragen wie: Welche Chancen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich? Gibt es dabei Änderungsbedarf? Wie gehen wir an dieser Stelle mit Elementen direkter Demokratie um?
Hierher gehört selbstverständlich die Frage: Wie stärken wir politische Bildung insgesamt? - Eine zentrale Rolle muss hierbei eine Landeszentrale für politische Bildung spielen.
Ich weiß, dass die Regierungsfraktionen das nicht gern hören. Der Vorhalt von Fehlentscheidungen schmerzt halt immer wieder. Sie könnten diesen Fehler aber jederzeit korrigieren. Solange Sie das nicht machen, dürfen, werden und müssen wir Sie dafür kritisieren.