Protocol of the Session on March 20, 2012

Frau Korter, um es aber nur einmal auf den Punkt zu bringen: Der Elternwille in Niedersachsen - auch von Eltern mit Kindern mit Behinderungen -

(Filiz Polat [GRÜNE]: Haben Sie den Gesetzentwurf nicht gelesen? - Ge- genruf von Ina Korter [GRÜNE]: Nicht verstanden!)

gilt in beide Richtungen: sowohl in Richtung der allgemeinbildenden Schule als auch in Richtung des geschützten Raumes einer Förderschule. Genau diesen geschützten Raum einer Förderschule wird eine Vielzahl von Eltern gerade von Kindern mit schweren Behinderungen ausdrücklich anwählen und auch wollen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Ina Korter [GRÜ- NE])

Deshalb liegt Ihrer Auffassung, wir verstießen mit diesem Gesetzentwurf gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, auch ein ausdrückliches Missverständnis, eine Fehlinterpretation dieser Konvention zugrunde.

Ich darf nur einmal daran erinnern, dass jedes Grundrecht, jedes Menschenrecht seine Schranken in den gegebenenfalls entgegenstehenden Grund- und Menschenrechten der anderen findet.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das geht doch jetzt auch schon!)

Ich will das einmal auf einen Punkt bringen.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Jetzt wird es interessant!)

Wenn ein möglicherweise zu Gewalt neigendes Kind, das bisher unter sozial-emotionalen Entwicklungshandicaps litt, zu einer Gefahr für die Kinder in seiner Klasse wird,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Dann kann es schon jetzt herausgenommen wer- den!)

dann wird mit entsprechenden Beratungen, mit entsprechenden Förderungen alles dafür getan, dass diesem Kind geholfen werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber wenn es für dieses Kind und das Wohl aller Kinder in dieser Schule nicht sinnvoll ist, dass es dort weiter beschult wird, ist es doch im Sinne aller Kinder - und das gilt auch für nicht behinderte Kinder -, dass man dann über einen anderen Förderort nachdenkt. Das ist vernünftig, liebe Frau Korter.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Inklusion beginnt im Kopf.

(Ina Korter [GRÜNE]: Ja, in der Tat!)

Inklusion ist nicht nur ein Bildungsthema. Man muss es wirklich wollen. Wir wollen es.

(Zustimmung bei der CDU)

Und der Weg in die inklusive Schule in Niedersachsen ist vermutlich die größte bildungspolitische Herausforderung für die kommenden zehn Jahre in unserem Bundesland.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wird kein leichter Weg, um es deutlich zu sagen. Es gibt schon heute eine Vielzahl von Bedenken aus der Lehrerschaft und auch von Eltern über das, was zum Teil angeblich viel zu schnell jetzt nach vorne gebracht werden würde. Dies gilt es ernst zu nehmen.

Wir werden in den nächsten zehn Jahren Schritt für Schritt die Inklusion umsetzen und sie sowohl personell als auch finanziell unterlegen. Immerhin geht es um rund 44 Millionen Euro im Gegenwert von fast 1 000 Stellen für die nächsten Jahre bei diesem Gesetzentwurf. Das ist nicht irgendetwas.

Ich bin den Fraktionen von CDU, FDP und SPD ausdrücklich dafür dankbar, dass man hier einen klugen Mittelweg gefunden hat, was die Ausgestaltung des Elternwahlrechts und der Inklusion und letztendlich der Übersetzung in ein Landesgesetz betrifft. Ich glaube, Niedersachsen ist damit das fortschrittlichste Land in Deutschland, das in Wahrheit den überzeugendsten Gesetzentwurf von allen Bundesländern vorgelegt hat. Die Fehler von Bremen und Hamburg haben wir hier nicht wieder

holt. In Niedersachsen haben die Fraktionen hier einen Benchmark für die Zukunft gesetzt.

Der niedersächsische Gesetzentwurf - davon gehe ich zurzeit aus; ich kann das ein wenig beurteilen, da wir die Federführung für die 16 Bundesländer in der KMK im letzten Jahr hatten, und zwar für genau das Thema Inklusion - wird der Mustergesetzentwurf für alle Ländergesetze in den nächsten Jahren. Das ist ein Riesenerfolg für die Kinder in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz nebenbei ist es in Niedersachsen im Übrigen erstmalig gelungen, dass die Konnexität, die für die Kommunen eine Rolle spielt, dem Grunde nach anerkannt wird. Alle anderen Länder, die das auf den Weg gebracht haben, haben das nicht anerkannt. Wir sind das erste Bundesland, das auch die Frage der Kosten berücksichtigt. Natürlich kostet Inklusion auch viel Geld. Wir investieren auch viel Geld, weil wir davon überzeugt sind, dass dieses Geld richtig und gut angelegtes Geld ist, weil wir wollen, dass Kinder mit und ohne Behinderungen verstärkt in der Schule unterrichtet werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bin auch froh und dankbar, dass wir auf dem aufbauen, was wir schon haben. Wir beginnen ja nicht im Niemandsland. Es ist doch nicht so, dass wir heute nicht schon eine Vielzahl von guten Beispielen von Schulen - ob im Landkreis Uelzen, in Rotenburg, in Verden oder anderswo - hätten, die seit Jahren im Prinzip inklusiv beschulen. Wir bauen also auf dem auf, was wir haben, und beginnen nicht im Niemandsland. Dieses setzen wir jetzt qualitativ fort. Dabei wird es auf Folgendes ankommen: professionelle Umsetzung der Inklusion in Niedersachsen, Lehrerfortbildung, Lehrerausbildung, Schulen darauf vorbereiten.

Und eines möchte ich zum Schluss sagen: Das Kindeswohl war für uns von Anfang an der maßgebliche Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen niemanden überfordern: Wir dürfen die Kinder nicht überfordern, wir dürfen die Eltern nicht überfordern, und wir dürfen auch die Lehrer an unseren Schulen nicht überfordern, sondern wir werden sie Schritt für Schritt darauf vorbereiten. Dann wird Inklusion zu einem Erfolg. Ich hoffe sehr, dass niemand nach der Landtagswahl am 20. Januar 2013 versuchen wird, diesen Gesetz

entwurf wieder zu ändern. Es ist ein hervorragender Gesetzentwurf. Ich bin ausdrücklich auch der SPD dafür dankbar, dass sie in einigen Punkten über ihren Schatten gesprungen ist und sich am Ende mit eigenen Beiträgen dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen angeschlossen hat. Das ist ein wichtiges Signal an die behinderten Kinder in unseren Schulen in Niedersachsen.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Korter hat zusätzliche Redezeit beantragt. Sie haben zwei Minuten.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Es hilft doch nichts! Es hilft doch nichts! Du weißt immer alles besser als alle anderen! - Wilhelm Hogrefe [CDU]: Es ist doch schon alles gesagt worden!)

- Meine Damen und Herren, Frau Korter hat noch gar nichts gesagt. Lassen Sie sie doch erst einmal reden, und wenn Sie möchten, können auch Sie im Anschluss daran noch das Wort nehmen. - Frau Korter, bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Minister Althusmann, ich muss sagen: Je persönlicher und beleidigender Sie werden, umso mehr müssen Sie sich unter Druck fühlen.

Das fand ich wirklich etwas merkwürdig: Unser Gesetzentwurf liegt inzwischen drei Jahre vor. Wie können Sie jetzt immer noch behaupten, dass wir alle Förderschulen abschaffen wollten? - Entweder haben Sie noch nie in unseren Gesetzentwurf und auch nicht in unseren Änderungsantrag hineingeguckt, oder Sie haben es nicht verstanden. Gelesen haben sollte man das schon, wenn man sich hier darüber auslässt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir haben nämlich gesagt: Förderschulen für Kinder mit Sinnesbeeinträchtigungen, für Kinder mit einem Förderbedarf in den Bereichen geistige Entwicklung sowie körperliche und motorische Entwicklung bleiben so lange erhalten, wie Eltern sie in ausreichendem Umfang haben wollen. Es ist völlig klar: Sie haben da offensichtlich noch nie hineingeguckt.

Herr Althusmann, Sie haben gesagt: Inklusion beginnt im Kopf. - Ja, genau. Ich erwarte von Ihnen, dass Inklusion bei Ihnen im Kopf, aber auch im Herzen beginnt und Sie damit wirklich anfangen, aber nicht nur so ein ganz kleines bisschen.

(Zurufe von der CDU)

Ich möchte jetzt noch einmal darauf hinweisen, warum Sie nicht wirklich damit anfangen: Sie statten die Integrationsklassen schon jetzt deutlich schlechter mit Förderstunden und Stunden für Sonderpädagogen aus als die Förderschulen. Das ist in der Antwort auf meine Anfrage deutlich nachzulesen. Das sind die Zahlen der Landesregierung. Sie haben seit Jahren nicht dafür gesorgt, dass es in diesem Bereich ausreichend große Studienkapazitäten gibt. Wir haben einen gravierenden Mangel an Förderpädagogen. Nichts haben Sie dafür getan!

(Editha Lorberg [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie haben auch nichts getan, um die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen vernünftig vorzubereiten, sondern Sie haben nur eine kleine Qualifizierungsmaßnahme aufgelegt. Das reicht aber nicht. Wir konnten in Niedersachsen zum letzten Einstellungstermin im Februar noch nicht einmal die Stellen, die an Förderschulen ausgeschrieben waren, mit Förderpädagogen besetzen. Nur 70 % der Stellen konnten besetzt werden. Wo wollen Sie denn jetzt die Stellen für Inklusion hernehmen, wenn Sie alle Systeme parallel aufrechterhalten wollen?

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

So fahren Sie die Inklusion gegen die Wand. Deshalb muss hier eingebessert werden. Wir werden entsprechende Einbesserungen einfordern.

(Beifall bei den GRÜNEN)