Protocol of the Session on July 3, 2008

Man darf nicht immer nur über die Defizite reden, sondern man muss auch die Chancen hervorheben, den Erfolg, den wir haben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist mir an dieser Stelle besonders wichtig. Alle von uns ergriffenen Maßnahmen beginnen zu greifen. Das ist ein ganz toller Erfolg. Das macht Mut und hilft den jungen Menschen, die in der Schule sind, positiv auf ihren Schulabschluss zuzusteuern in der Erwartung, dass sie eine Lehrstelle bekommen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kommt die Zusatzfrage der Abgeordneten König.

Frau Ministerin, ich frage Sie: Wie werden Sie die Kommunen auffordern, jährlich eine Berichterstattung über die Armutsverhältnisse offenzulegen?

(Gudrun Pieper [CDU]: Wieso denn die Kommunen?)

Frau Ministerin Ross-Luttmann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kommunen haben nicht das Datenmaterial, um das machen zu können, sondern wir werden bei unserer handlungsorientierten Sozialberichterstattung auf die Daten des Landesbetriebes für Statistik zurückgreifen, der diese Daten regelmäßig erhebt. Das ist der richtige Ort.

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Ross-Luttmann, Sie haben gerade durch Ihre ausschließliche Fokussierung auf die Arbeitslosenstatistik gezeigt, wie dringend wir eine Armutsberichterstattung brauchen.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Vor dem Hintergrund, dass wir diese bereits seit 2004 im Landtag fordern und der Deutsche Kinderschutzbund jedes Jahr auf die bundesweit steigende Zahl von Kindern in Armut aufmerksam gemacht hat, frage ich Sie: Wann wollen Sie Ihre handlungsorientierte Sozialberichterstattung fertig

haben, damit Sie noch in dieser Legislaturperiode mit Maßnahmen beginnen können?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin Ross-Luttmann!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zitieren. Unter der Überschrift „Der Armut von Kindern und Familien vorgebeugt“ wird gesagt, sozial- und familienpolitische Transferleistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Elterngeld reduzierten die relative Einkommensarmut von Familien deutlich. Aufgrund der sozial- und familienpolitischen Transferleistungen sinke das Armutsrisiko von Kindern insgesamt im Jahre 2005 von ursprünglich 34 % vor Sozialtransfers auf 12 % und liege damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 19 %.

Das sind die Daten aus dem Armutsbericht, der 2008 von der Bundesregierung verabschiedet wurde, basierend auf Zahlen von 2005. Das zeigt mir eines immer wieder ganz deutlich: Es ist schwierig, mit einer Berichterstattung, die ja immer eine gewisse Vorlaufzeit hat, aktuell zu sagen, wo wir gerade stehen. Deshalb werden wir uns bei der handlungsorientierten Sozialberichterstattung auf die Daten stützen, die wir zu den von mir eben genannten Bereichen haben, und mit den Kommunen und den Wohlfahrtsverbänden losgehen; denn ich möchte das gerne gemeinsam mit den vor Ort handelnden Akteuren machen und nicht gegen sie. Der Verband der Familienverbände hat zugesagt, dass er uns dabei positiv begleiten wird. Das war für mich der erste und wichtigste Schritt. Der zweite Schritt ist die Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände. Sobald wir deren Zustimmung haben, werden wir auch mit den Untersuchungen beginnen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Die Frage war nach dem Zeitraum!)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Herzog von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen der Tatsache, dass laut Studien in etlichen Bereichen Niedersachsens deutlich mehr als 20 % der Kinder in Armut leben - in Lüchow-Dannenberg konkret 23 % -, frage ich Sie, Frau Ministerin: Wird die Landesregierung die Praxis fortsetzen, über sogenannte Zielvereinbarungen finanzschwache Kommunen zu zwingen, ihre Ausgaben im Bereich der freien Jugendarbeit - speziell Ferienfreizeiten - zu verringern, zu deckeln und zurückzufahren?

Eine zweite Frage. Lüchow-Dannenberg hat eine der höchsten Quoten überschuldeter Personen. Konkret sind es 14 %. Was wird die Landesregierung tun, um die Unterversorgung bei der Schuldnerberatung im ländlichen Raum zu verändern?

Die Beantwortung der beiden Fragen übernimmt Frau Ministerin Ross-Luttmann.

Zur ersten Frage: Mir ist nicht bekannt, dass die Kommunen zu etwas gezwungen werden.

Zur zweiten Frage: Der Bereich der Schuldnerberatung ist natürlich ein ganz wichtiger Bereich. Wir haben diesen Bereich in den letzten Jahren gestärkt. Wir haben in diesem Jahr zusätzliche Mittel in Höhe von 200 000 Euro bekommen, um uns mit den Schuldnerberatungsstellen darüber auszutauschen, was man gerade für Kinder und Jugendliche tun kann. Man muss ja feststellen, dass auch diese schon verschuldet sind. Es sind ja nicht nur Eltern verschuldet. Leider Gottes gehen auch Kinder mit ihrem Taschengeld manchmal so um, dass sie mehr ausgeben, als sie tatsächlich haben. Ich erwähne in diesem Zusammenhang beispielsweise die Handynutzung, den Internetzugang und den Fall eines leichten Knopfdrucks, der zum Abschluss von irgendwelchen Verträgen führt, deren Tragweite Kinder und Jugendliche gar nicht kennen. Wir werden deshalb Mittel dafür einsetzen, um auch mit den Schulen darauf hinzuwirken, dass Kindern und Jugendlichen geholfen wird, nicht in die Schuldenfalle zu geraten.

(Kurt Herzog [LINKE]: Ich bitte, meine erste Frage zu beantworten!)

Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Flauger von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass am 26. Juni in der Wildeshauser Zeitung in einer dpa-Meldung der DGB-Landesvorsitzende Hartmut Tölle mit der Aussage zitiert wird, es gebe zwar im September 2007 gegenüber Dezember 2006 14,6 % weniger Arbeitslose, aber nur 1,8 % mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, frage ich die Landesregierung, welche Erkenntnisse ihr dazu vorliegen, wie sich die negativen Verschiebungen in der Struktur der Arbeitnehmereinkommen auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Menschen in Niedersachsen auswirken.

Ich schließe eine zweite Frage im Hinblick darauf an, dass Frau Ministerin Ross-Luttmann erwähnt hat, sie wolle Armut nicht verwalten, sondern ganz gezielt handeln und von Zahlen, Daten und Fakten wegkommen. Was will die Landesregierung tun, um der negativen Entwicklung bei der Struktur der Einkommen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entgegenzuwirken?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Ministerin Ross-Luttmann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den vorläufig hochgerechneten Ergebnissen von Ende April 2008 stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 58 053 bzw. um 2,5 % auf rund 2,4 Millionen Menschen. Damit lag das Beschäftigungswachstum in Niedersachsen auf einem ähnlichen Niveau wie in den anderen westdeutschen Bundesländern.

Sie haben des Weiteren gefragt, wie sich die Struktur im Allgemeinen darstellt. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, dass der Anteil der Beschäftigten in Midijobs - das sind Jobs mit Einkommen zwischen 400 und 800 Euro - bei nur 3 % liegt. Der Anteil der Ein-Euro-Jobber unter allen Beschäftigten lag 2006 bei 1 %. Der Anteil der geringfügig Beschäftigten unter allen Beschäftigten lag bei rund 14 %. In den Jahren 2003 und 2004 lag er bei 13 %. Insofern ist in diesem Bereich ein leichter Anstieg zu verzeichnen.

Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten unter allen Beschäftigten liegt bei 29 %. Man muss sagen, dass der größte Teil der Teilzeitbeschäftigten im

mer noch Frauen sind. Von daher ist es ganz wichtig, auch der Frage nachzugehen, warum sie einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Tun sie es, weil sie es wollen und die Arbeit so mit ihrer Familienplanung vereinbaren können, oder tun sie es, weil sie es müssen? Das sind interessante Fragen. Wir haben unsere Koordinierungsstellen gerade deshalb eingerichtet, um Frauen zu qualifizieren und um sie in hochwertige Jobs zu bringen. Auch die FIFA-Programme dienen dazu, Frauen ganz gezielt zu unterstützen.

Wir haben auch Erfolge zu verzeichnen. Die Zahl der Abiturientinnen liegt bei über 50 %. Die Zahl der Studienabsolventinnen liegt ebenfalls bei 50 %. Das ist ein Erfolg,

(Zustimmung bei der CDU)

wenn man sich die Geschichte der Gleichberechtigung einmal ansieht, beginnend mit unserem Grundgesetz von 1949, in dem es in Artikel 3 heißt: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. - Es ist auch ein Erfolg, dass wir in Niedersachsen nach meinem Kenntnisstand einen Anteil der weiblichen Professoren von 20 % haben. Das ist der höchste Anteil unter allen Bundesländern. Das sind Erfolge, an die wir anknüpfen müssen und auf denen wir aufbauen müssen. Das ist etwas, was mich motiviert zu sagen, dass wir in diesem Bereich auf einem wirklich guten Wege sind.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schwarz von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Frau Ministerin, angesichts der Tatsache, dass Ihre Landesregierung Sozialberichterstattung fünf Jahre lang u. a. mit der Begründung abgelehnt hat, die Daten lägen alle bei den Kommunen vor, hat mich Ihre Aussage von eben gewundert, die Daten lägen dort nicht vor. Mich interessiert erstens, wann sich dieser neue Erkenntnisstand bei der Landesregierung durchgesetzt hat.

Eine zweite Frage. Ihre sogenannte handlungsorientierte Sozialberichterstattung haben Sie hier eben weitgehend unter dem Fokus der Kinderarmut vorgetragen. Ist es ein falscher Eindruck, dass sich dies nur auf Kinderarmut begrenzt? Wenn der Eindruck falsch ist, würde ich gern wissen, was die handlungsorientierte Sozialberichterstattung alles umfassen wird.

Frau Ministerin Ross-Luttmann!

Sehr geehrter Herr Schwarz, bei den Kommunen liegen die Zahlen aus dem Bereich der Jugendhilfe und die Jugendhilfestatistiken sicherlich vor. Bei den Kommunen liegen sicherlich auch Zahlen darüber vor, wie viele Sozialhilfeempfänger es gibt. Damit ist aber nicht das ganze Feld abgedeckt. Armut betrifft ja ein viel weiteres Feld.

Wenn Sie ansprechen, dass wir uns in den vergangenen Jahren geweigert hätten, einen Bericht vorzulegen, so darf ich nur einmal daran erinnern, dass die Landesregierung der SPD in all den Jahren Ihrer Regierungszeit nur ein einziges Mal - nämlich 1998 - einen Reichtums- und Armutsbericht vorgelegt hat. Sie waren bis Anfang 2003 in der Regierungsverantwortung. Sie hätten den Armutsbericht jährlich fortschreiben können. Das haben Sie nicht getan. Sie haben es wahrscheinlich auch aus gutem Grund nicht getan, weil nämlich die Daten klar sind.

Ich möchte mich mit Ihnen hier nicht über die Frage streiten, wo relative Armut beginnt und wo sie aufhört. Ich möchte mit Ihnen vielmehr darüber diskutieren, was wir konkret tun können. Wenn wir schon über die Frage der relativen Armut diskutieren, müssen Sie, wie ich meine, auch die statistischen Daten zur Kenntnis nehmen, die ganz klar belegen, dass die relative Armut auch von Kindern zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen ist. Das ist natürlich auch eine Folge der guten Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Zu Ihrer zweiten Frage. In einem haben Sie natürlich recht: Es gibt nicht nur Kinderarmut. Wir müssen uns auch mit der Frage auseinandersetzen, wie sich die Situation unserer älteren Generation darstellt, und zwar auch in der Zukunft. Das ist eine überaus wichtige Frage, die wir natürlich nicht beiseiteschieben dürfen. Ich persönlich bin sehr froh, dass wir für ältere Menschen eine Grundsicherung eingeführt haben. Ältere Menschen, die keine Rente erhalten, welche ihre Existenz sichert, können diese Grundsicherung bekommen, ohne dass das Einkommen und Vermögen von ihnen oder von den Kindern angerechnet wird. Das ist eine gute Errungenschaft. Hierauf müssen wir aufbauen.

Ich finde auch die Diskussion, die auf Bundesebene darüber geführt worden ist, was mit den Menschen ist, die viele Jahre gearbeitet haben, aber eine Rente unterhalb des Existenzminimums beziehen, gut. Das sind Fragen, um die man sich auch auf Bundesebene kümmern muss. Ich meine aber, dass wir uns selbstverständlich auch in Niedersachsen mit dieser Frage auseinandersetzen müssen. Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich mit sehr, sehr alten Menschen rede, die den Krieg erlebt haben, die Deutschland aufgebaut haben und vielleicht nicht die Chance hatten, durchgängig zu arbeiten. Das betrifft gerade Frauen. Ich meine die verschämte Altersarmut, Frauen, die sich nicht zum Sozialamt trauen und die diese Sozialleistungen nicht annehmen. Ich meine, dass wir uns um diese Menschen ganz besonders kümmern müssen,

(Beifall bei der CDU)

indem wir mit der Grundsicherung dafür sorgen, dass das Einkommen und das Vermögen nicht angegriffen werden. Deshalb meine ich, dass wir uns mit diesen Menschen intensiv beschäftigen müssen, um offensiv und öffentlichkeitswirksam zu sagen: Ihr habt hierauf einen Anspruch. Nehmt ihn wahr! - Nichtsdestotrotz stellt sich für mich nach wie vor die Frage: Was ist mit den vielen Menschen, die viele, viele Jahre gearbeitet haben und deren Einkommen zur Deckung ihres Lebensunterhaltes nicht ausreicht? - Um diese Menschen müssen wir uns kümmern.

(Beifall bei der CDU - Gerd Ludwig Will [SPD]: Mindestlohn!)