Protocol of the Session on February 23, 2012

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine weitere Wortmeldung mehr vor. Damit sind wir am Ende der Beratungen angelangt.

Ich komme zur Abstimmung.

Die auf Ablehnung lautende Beschlussempfehlung ist die weitestgehende Empfehlung. Wir stimmen daher zunächst über diese ab. Nur falls sie abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über den Änderungsantrag ab.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/4129 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt.

Damit ist zugleich der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/4494

nach § 39 Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Abschließende Beratung: a) Keine Abschiebung ins Elend - Wintererlass für Minderheiten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4349 - b) Keine Winterabschiebung in den Kosovo - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4359 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 16/4472

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, die Anträge abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Damit treten wir in die Beratung ein. Zunächst hat sich Frau Dr. Lesemann zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort, Frau Dr. Lesemann. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben erst im Januar-Plenum über das Thema Abschiebung in den Kosovo und in die Nachfolgestaaten Jugoslawiens gesprochen. Seitdem sind wieder Menschen abgeschoben worden, darunter das Ehepaar Berisha. Seit mehr als 20 Jahren hat es seine Heimat hier in Deutschland gefunden. Es handelt sich um Ramiz Berisha, 58 Jahre alt, und Fatmire Berisha, 53 Jahre alt. Ramiz Berisha ist wegen schwerer Erkrankung in regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Wie das Ehepaar ohne die Unterstützung seiner acht Kinder, die allesamt hier in Deutschland leben, im Kosovo überleben und auskommen soll, ist völlig unklar. Immer wieder haben wir an dieser Stelle auf die prekäre Lebenssituation im Kosovo hingewiesen. Aufgrund dieser Situation und aufgrund der fehlenden Kontakte - Verwandtschaft etc. existiert dort nicht mehr - ist es fraglich, wie die Zukunft des Ehepaars im Kosovo aussehen wird.

Unser Protest aber richtet sich vor allem auch gegen die menschenverachtende Art der Durchführung der Abschiebung. Eine Ankündigung des Abschiebetermins erfolgte nicht. Ich habe mit dem Anwalt der Familie gesprochen. Die Familie besaß eine Duldung bis zum 9. April 2012. Daher hatte der Anwalt der Familie versichert, dass eine Abschiebegefahr für sie nicht bestünde. Morgens um

4.30 Uhr stand dann eine halbe Armee, so der Anwalt, vor der Tür und forderte das Ehepaar auf, seine Sachen zu packen. Erst Stunden später erreichte die Kanzlei der Widerruf der Duldung.

Diese Art des Umgangs mit Abschiebungen stößt auf den Protest zahlreicher Menschen, weil diese Vorgehensweise fatale Erinnerungen weckt.

(Beifall bei der LINKEN - Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, wo bleibt denn die erst kürzlich versprochene gesteigerte Sensibilität im Umgang mit Flüchtlingen? - Wir erleben insbesondere bei Abschiebungen keine Änderung. Die Familie Berisha hat fast ein Vierteljahrhundert hier in Deutschland gelebt. Jetzt wurde sie in einer Nachtund-Nebel-Aktion abgeholt, von ihren Kindern getrennt und in das Armenhaus Kosovo geschickt, wo sie als mittellose Flüchtlinge im Alter von fast 60 Jahren kaum eine Chance auf ein menschenwürdiges Leben haben.

Meine Damen und Herren, Ende April soll eine Delegation des Landtags die Möglichkeit erhalten, sich ein Bild vor Ort zu verschaffen. Ich gebe hier zu bedenken: Eine Reise von vier Tagen reicht kaum aus, um festzustellen, ob es Abschiebehindernisse gibt. Solche Reisen sind voll mit offiziellen Tagesordnungspunkten. Wir haben aktuelle Hinweise des UN-Flüchtlingswerks und anderer Organisationen auf die wirtschaftliche Not und die gesellschaftliche Diskriminierung der Roma und anderer Minderheiten im Kosovo. Diese Menschen haben dort keine Lebensperspektive. Drei von vier rückgeführten Romakindern gehen dort nicht zur Schule. Die Arbeitslosenquote liegt bei 90 %. Personen ohne Ausbildung und ohne albanische Sprachkenntnisse sind dort perspektivlos. Wir wollen verhindern, dass Niedersachsen diese Menschen ins Verderben schickt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es derzeit aufgrund bundesrechtlicher Regelungen nicht möglich ist, einen generellen Abschiebestopp durchzusetzen, dann sollten die Abschiebungen in den Kosovo wenigstens im Winter ausgesetzt werden. Wenn Sie sich damit nicht einverstanden erklären können, so ordnen Sie doch wenigstens eine strenge Einzelfallprüfung an! Vermeiden Sie Familientrennungen, Abschiebungen von älteren, traumatisierten und kranken Menschen! Nutzen Sie doch alle landesrechtlichen

Spielräume aus, damit sich die Flüchtlingspolitik Niedersachsens am Ziel der Humanität orientiert!

(Beifall bei der SPD)

Über dieses Thema haben wir soeben ausführlich diskutiert: Wir müssten an dieser Stelle nicht immer wieder über das gleiche Thema sprechen, wenn es einen anderen Umgang mit dem Bleiberecht gäbe. Die Innenminister von Bund und Ländern müssen sich endlich auf eine humane, stichtagsunabhängige Regelung einigen. Es darf nicht mehr verlangt werden, dass Geduldete mit einem Aufenthaltsstatus auf Probe den eigenen Lebensunterhalt sichern müssen, um ein langfristiges Aufenthaltsrecht zu bekommen. Daran scheitern viele Roma, die durch Vorurteile bei der Jobsuche benachteiligt werden, aber auch andere.

Und - um es gleich vorwegzunehmen - die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wollen keine Roma abschieben, können sich aufgrund anderslautender bundesrechtlicher Regelungen aber nicht davon freimachen. Entsprechende Wintererlasse gibt es inzwischen auch in Hamburg. Diese Bundesländer haben eine strikte Einzelfallprüfung angeordnet, sodass Härten vermieden werden sollen. In Niedersachsen ist weder ein Wille noch ein Bemühen zu erkennen, ähnlich zu handeln.

Heute hat der Niedersächsische Landtag die Gelegenheit, ein anderes Signal zu setzen. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Jetzt hat sich Frau Kollegin Polat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir haben mit einem Entschließungsantrag auf die besondere Situation in den Wintermonaten im Kosovo aufmerksam gemacht. Sie wissen, auch wir fordern einen generellen Abschiebestopp für Minderheiten aus dem Kosovo. Die Meinungen gehen hierbei auseinander. Die Landesregierung, die selbst eine Delegation in den Kosovo geschickt hat, kommt trotz einer kritischen Würdigung in ihrem Reisebericht - in diesem Bericht leuchtet ja durch, dass dort Diskriminierung stattfindet - zu dem Schluss, dass eine teilweise Rückführung von Minderheiten möglich ist.

Wir sehen das anders. Wir schließen uns den Berichten von Amnesty International, Pro Asyl, Human Rights Watch und auch vieler kirchlicher Organisationen sowie der UN-Hilfsorganisation UNICEF an, die einen besonderen Bericht über Romakinder aus dem Kosovo veröffentlicht und im letzten Jahr noch einmal aktualisiert hat. Frau Dr. Lesemann ist darauf eingegangen.

Dort gibt es eine flächendeckende Diskriminierung. Wir wissen, dass sich viele Roma aufgrund einer faktischen Diskriminierung nicht registrieren können. Die Regierung gibt das natürlich nicht offiziell zu. Wenn jemand im Kosovo nicht registriert ist, hat er keinen Zugang beispielsweise zu sozialen Leistungen und kann auch ansonsten nicht am Gesundheitssystem teilhaben.

Ich selbst war, wie Sie wissen, mit meiner Kollegin Georgia Langhans im Jahr 2006 im Kosovo. Auch wir waren nur vier Tage dort, haben uns aber gemeinsam mit dem damaligen Verbindungsbüro ein unserer Meinung nach ausgewogenes Programm selbst erstellt. Wir waren in der Neurologischen Abteilung und in der Traumaabteilung der örtlichen Klinik. Wir haben ein Folterzentrum besucht. Wir haben mit Juristinnen verschiedener Ethnien gesprochen. Außerdem haben wir mit der damaligen Übergangsregierung UNMIK und auch mit der KFOR gesprochen, die die Sicherheitsbedingungen manchmal anders als die Innenpolitiker hier in diesem Land einschätzen. Dort wurde sehr, sehr deutlich, dass es insbesondere den Minderheiten äußerst schlecht geht. Wir waren damals auch in dem bleiverseuchten Lager in Nord-Mitrovica, in dem viele Kinder auch heute noch unter den Folgen leiden.

Wir haben uns entschlossen, ähnlich wie andere Bundesländer einen Abschiebestopp zu fordern. Wir könnten uns aber zumindest - das wird in diesem Antrag nicht so deutlich - darauf einlassen, dass Sie eine konkretere Einzelfallentscheidung durchführen, ähnlich wie es Baden-Württemberg bereits beschlossen hat. Es ist einfach wichtig, dass wir diese Menschen nicht ins Elend abschieben. Sie sehen das anders. Wir haben es selbst erlebt. Ich selbst habe in diesen Lagern mit Kindern gesprochen, die aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen kamen. Ich hoffe, dass zumindest die Delegationsreise Sie vielleicht doch noch umstimmen kann. Ich bin mir dessen aber nicht sicher.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Götz für die CDUFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Götz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon bei der ersten Beratung der beiden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion, im Winter keine Abschiebungen in den Kosovo vorzunehmen, habe ich auf die sorgfältigen, auf den Einzelfall bezogenen Verfahrensabläufe der Behörden bei uns in Niedersachsen hingewiesen. In der Zwischenzeit haben wir eine eingehende und sorgfältige Beratung im Innenausschuss erlebt. Mittlerweile ist der Winter fast vorbei, und Regelungen könnten erst im Winter 2012/2013 greifen.

Wir haben uns aber auch an anderen Bundesländern zu orientieren. Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland mit einer eigenen Organisation einen Besuch im Kosovo durchgeführt. Man hat in diesem Fall nicht den Berichten des Bundes vertraut und wollte sich ein eigenes Bild machen. Die Situation, die dort vorgefunden wurde, war wesentlich besser, als es UNICEF oder Human Rights Watch beschrieben hatten.

Um überhaupt in den Kosovo abschieben zu können, haben die rechtlichen Voraussetzungen allein nicht ausgereicht. Das wissen wir alle. Aus diesem Grunde wurde im Kosovo das Rückkehrprojekt URA II gegründet. Auch Niedersachsen ist an diesem Projekt beteiligt. Dabei geht es darum, die Rückkehr gleichzeitig zu einem Neuanfang zu machen. Dabei muss auch geholfen werden. Dazu gehören eine Unterstützung bei der Wiedereingliederung und eine psychotherapeutische Beratung. Zu diesen Hilfen gehören beispielsweise: Wohnungssuche, Unterstützung bei Behördengängen, Familienzusammenführung, Teilerstattung der Fahrtkosten, einmaliges Überbrückungsgeld bis zu 50 Euro pro Person, Erstattung der Kosten für Medizin, Gewährung von Mietkostenzuschüssen und die Übernahme von Einrichtungskosten. Weiterhin gehören umfassende Integrationsangebote dazu. Diese möchte ich jetzt aber nicht weiter ausführen. Wenn man weiß, was dort getan wird, dann muss man sagen: Mehr kann man vor Ort nicht tun. Mehr kann man dort nicht helfen.

Das Innenministerium von NRW hat die Situation in Serbien untersucht. Sicherlich sind die dortigen Lebensverhältnisse und die klimatischen Bedingungen mit den Verhältnissen im Kosovo vergleichbar. Das Ministerium hat festgestellt: Die

Kälte ist kein Kriterium, die Rückführung nach Serbien auszusetzen. Bekannt ist auch, dass Minister Jäger in NRW nur mühsam unter dem Druck der Flüchtlingsräte bereit war, einer Winterregelung zuzustimmen.

An meiner Ansicht, die ich vor einem Monat hier im Plenum vorgetragen habe, hat sich nichts geändert. In Niedersachsen wäre nur eine kleine Zahl von einer Winterregelung betroffen. Es gilt auch die Regelung, dass möglichst kontinuierlich über das Jahr verteilt abgeschoben wird. Dies ist auch im Sinne der URA-II-Projekte.

Meine Damen und Herren, wir haben nun eine weitere Regelung für uns in Niedersachsen abgesprochen. Vertreter aller Fraktionen werden in der letzten Aprilwoche in den Kosovo reisen. Wir wollen uns dort vor Ort ein Bild machen. Darauf haben wir uns im Ausschuss geeinigt und verständigt. Wir von der CDU-Fraktion werden einen Wirtschaftsprüfer, einen Landwirt und einen Polizisten dorthin schicken. Ich denke, diese Personen haben genügend Lebenserfahrung und Vorstellungsvermögen, um in etwa feststellen zu können, wie es im Winter aussehen würde und in welche Unterkünfte die Abzuschiebenden eingewiesen werden könnten. Nach Rückkehr aus dem Kosovo werden wir sicherlich noch einmal über dieses Thema beraten und dann entscheiden. Wir sind ergebnisoffen, welche Empfehlung wir für den kommenden Winter abgeben werden. Wir werden uns, wie gesagt, ein Bild vor Ort machen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss: Wir stehen für eine humane, an christlichen Werten ausgerichtete Flüchtlingspolitik. Das alles geht aber nur im Rahmen der geltenden Gesetze.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Oetjen das Wort. Bitte schön!

Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vieles ist schon gesagt worden. Deswegen will ich versuchen, meine Ausführungen einigermaßen kurz und prägnant zu halten.

Das Land Baden-Württemberg hat eine eigene Delegationsreise in den Kosovo geschickt. Diese Delegation war, wenn ich es richtig sehe, mit Ver

tretern aller Fraktionen besetzt. Das gilt genauso für die Delegationsreise, die wir planen. BadenWürttemberg hat sich danach entschieden, auch im Winter weiter in den Kosovo abzuschieben und die Abschiebungen nicht auszusetzen. Insofern glaube ich, dass wir uns dieser Entscheidung, die auf einer soliden Basis beruht, anschließen können. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Kollegen aus Baden-Württemberg, wenn man sich das Programm anschaut, dort in irgendeiner Art und Weise einseitig informiert worden sind. Von daher denke ich, dass das auch für uns eine Entscheidungsgrundlage sein kann.

Man muss an dieser Stelle noch einmal sagen, dass das Land Nordrhein-Westfalen pro Jahr mehr Roma abschiebt als das Land Niedersachsen. Insoweit sind wir da gegenüber der Minderheit der Roma nicht in irgendeiner Art und Weise besonders hart, sondern das ist einfach der Situation geschuldet. Es geht dabei darum, an welcher Stelle sich die Roma angesiedelt haben, nachdem sie damals vor dem Bürgerkrieg geflüchtet sind.