Protocol of the Session on February 22, 2012

Ich glaube nicht, dass man der früheren Landesregierung und der SPD - Wolfgang Jüttner ist hier im Raum - vorwerfen kann, dass sie den Elbvertiefungen in Nacht- und Nebelaktionen zugestimmt hätten. Das ist Unsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen! Deshalb sollten wir uns nicht so verhalten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn wir uns über das Thema Elbvertiefung unterhalten, dann müssen wir bedenken, dass die emotionale Angst der Menschen an der Elbe eine sehr handfeste Angst ist. Die Niederelbe-Zeitung hat in ihrer heutigen Ausgabe im Rahmen eines umfangreichen Berichts ein Deichbruchszenario aufgezeigt und eine Karte veröffentlicht, die sehr schön deutlich macht, was passiert, wenn der Deich bricht, und welche Gebiete im Landkreis Cuxhaven unter Wasser stehen werden. Ich glaube, dass diese Angst ernst genommen werden muss und wir uns nicht einfach nur hinstellen und die Menschen mit rechtlichen Erklärungen zufriedenstellen können. Das wird nicht funktionieren.

Eine erneute Elbvertiefung, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird im Landkreis Cuxhaven - in Cuxhaven selbst, aber auch in Otterndorf und in der ganzen Region - nicht akzeptiert. Warum wird sie nicht akzeptiert? - Weil in der Vergangenheit die zugesagten Maßnahmen nicht richtig umgesetzt worden sind. Prognosen, die zur letzten Elbvertiefung erstellt worden sind, sind nicht eingetreten, sondern negativ übertroffen worden. Alle zur letzten Elbvertiefung angestellten Prognosen zu Fließgeschwindigkeiten, Wasserhöchstständen, zur Verschlickung und zum Brackwasser haben sich als zu niedrig bzw. als falsch erwiesen. Deshalb hat der Kollege Klein recht, wenn er heute darauf hinweist, dass sich die letzte Elbvertiefung ohne Beweissicherungsberichte gar nicht beurteilen lasse. Ohne die Beweissicherungsberichte und ohne die Beurteilung der letzten Elbvertiefung können wir auch keiner erneuten Elbvertiefung zustimmen. Das ist doch ganz klar.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erwarte wie alle anderen Menschen an der Elbe von der Landesregierung, dass sie diese Beweissicherungsberichte veröffentlicht, damit wir sie uns anschauen können und damit wir mit Experten vor allem aus dem regionalen Bündnis gegen Elbvertiefung, die sich in den letzten Jahren wirklich mit Expertenwissen zum Thema Elbvertiefung ausgezeichnet haben, darüber diskutieren

können. Diese Unterlagen dürfen nicht nur behördenintern oder intern in den Ministerien geprüft werden, sondern sie müssen transparent gemacht werden, und alle müssen eingebunden werden. An dieser Transparenz - da hat der Kollege Klein recht - fehlt es bislang aber. Wir müssen in die aktuellen Planunterlagen Einsicht nehmen. Die Beweissicherungsberichte müssen endlich vorgelegt werden. Es muss geprüft werden, ob die Prognosen und die Berichte stimmen. Schließlich muss ein ordentliches und transparentes Verfahren zu diesem Thema durchgeführt werden. Anders kann man der Angst der Menschen nicht begegnen. Das kann sich dieser Landtag nicht leisten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Kollege McAllister, für mich ist das Maß aller Dinge immer noch die Otterndorfer Erklärung, die Sie persönlich mit unterschrieben haben. Dann müssen Sie auch dazu stehen. Sie leiden hoffentlich nicht wie Ihr Kollege und Freund Enak Ferlemann an Schizophrenie, der auf der einen Seite im Landkreis einer Resolution zustimmt hat und auf der anderen Seite als Mitglied der Bundesregierung die Elbvertiefung befürwortet hat. Das kann ja nicht sein. Wenn Sie nicht an Schizophrenie leiden, Herr McAllister, dann sollten Sie die Otterndorfer Erklärung weiterhin als Maßstab nehmen. Dort heißt es u. a., dass ein Fluss nicht beliebig ausgebaggert werden kann, dass die Natur Grenzen setzt, dass die regionale Deichsicherheit oberste Priorität hat und dass es im Grunde genommen keinen Bedarf für eine erneute Elbvertiefung gibt. Darin steht auch, dass endlich eine bessere Kooperation der deutschen Seehäfen notwendig ist. Denn warum streiten wir uns hier alle zehn Jahre über eine Elbvertiefung? - Weil es die norddeutschen Länder nicht schaffen, eine ordentlich abgestimmte Hafenkooperation vorzunehmen. Das wäre doch einmal eine Aufgabe.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese CDU/FDP-geführte Landesregierung hat seit neun Jahren Zeit, diese Hafenkooperation zwischen den norddeutschen Ländern voranzutreiben bzw. eine ordentliche Kombination vorzunehmen. Nichts ist passiert. Deswegen müssen wir uns mit diesem Thema, das die Region sehr belastet, immer wieder auseinandersetzen. Legen Sie die Fakten endlich auf den Tisch! Die Beweissicherungsberichte müssen her, und die Planfeststellungsunterlagen müssen für die Kommunen geöff

net werden. Dann können wir auch transparent entscheiden.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile nun dem Kollegen Herzog von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit etlichen Jahren hören wir beinahe stereotyp von Niedersachsens Ministerpräsidenten und den zuständigen Ministern zum Thema Elbvertiefung mehr oder minder identische Aussagen: Es müssen niedersächsische Interessen gewahrt bleiben. Die Deichsicherheit ist nicht verhandelbar. Die Existenz der Obstbauern muss gesichert bleiben. - Hans-Heinrich Sander forderte neue Gutachten, weil die Hamburger seiner Ansicht nach nicht seriös arbeiteten. Das war nie grundsätzliche Kritik. Da wurde nie das Projekt als solches angezweifelt. Das wäre auch fatal; denn an Weser, Ems und Mittelelbe verhielt sich die Landesregierung genauso wie die Hamburger Pfeffersäcke. Da war Wulff, McAllister, Hirche, Bode und Sander der niedersächsische Rock deutlich näher als der ressourcenverträgliche Blick auf ein arbeitsteiliges Ganzes.

Ich sage es noch einmal: Die maritimen Konferenzen Anfang der 2000er-Jahre hatten diesbezüglich den richtigen Ansatz. Diesen Weg haben aber alle Landesregierungen konsequent verlassen. Ministerpräsident McAllister hat nicht ein einziges Mal das Gesamtprojekt bewertet. Auch er versteckt sich seit Jahren hinter der Floskel „Wir werden sehr genau prüfen“. Dann wird wieder die große Salami herausgeholt, es wird auf Zeit gespielt. So titelte das Stader Tageblatt am 25. Januar „Niedersachsen will mehr“. Ein bisschen Altenbrucher Bogen - noch dazu als vorgezogene Maßnahme, sozusagen als leckere Vorspeise, um die Kröten des Hauptganges zu schlucken - reicht doch nicht. Dabei resultiert das dortige Deichproblem aus den vorigen Elbvertiefungen. Damit sind wir bei dem absolut wichtigen Punkt, der mangelnden Beweissicherung und Folgenbetrachtung der Elbvertiefungen ab Nr. 8 abwärts.

Auch die ungenügende Betrachtung des Umgangs mit den gewaltigen Baggermengen spricht für sich

und gegen das Projekt. Das mag für die Hamburger Wirtschaftsbehörde unbedeutend sein. Wir in Niedersachsen dürfen das nicht so hinnehmen. Steinschüttungen gegen fortschreitende Uferabbrüche sind keine Lösung.

Meine Damen und Herren, der Fluss zeigt schon lange der Gestaltungswut des Menschen die Grenzen auf. Das wird sich noch verstärken. Geschwindigkeitsbegrenzungen für die Containerriesen zum Schutz der Ufer wirken sich wieder negativ auf deren Manövrierfähigkeit aus und erhöhen die Havariegefahren. Die Teilsperrung der Medemrinne führt zur Verstärkung des Hauptwasserstroms und steigert damit die Erosionskräfte in diesem Uferbereich. Jede Maßnahme führt später zu einer kostenträchtigen Folge an einer anderen Stelle.

Viele Prozesse sind dabei zunächst einmal schleichend. Dabei sind die negativen Auswirkungen auf den Sauerstoffhaushalt z. B. gut messbar. Sie sind vorhanden. Bei der Salinität ist es schon schwieriger. Was aber, Herr Ministerpräsident, verbietet es eigentlich Niedersachsen, eigene Begutachtungen vorzunehmen? Wir wissen doch alle, dass es mit Gutachten so eine Sache ist - besonders wenn es nicht die eigenen sind, sondern die des Projektträgers. Wer hat denn seriös untersucht, wie weit sich die Brackwasserzone verschiebt und welchen Versalzungsgrad das Grundwasser letztendlich aufweisen wird?

Es gebe bis jetzt keine Garantieforderungen bzw. finanzielle Forderungen der Obstbauern gegenüber den Projektträgern, behauptet der Hamburger Senat in einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage im Januar. Wie verträgt sich das mit der Aussage der Landesregierung „Ohne Schadensersatzregelungen keine Zustimmung“? Wo bleibt die eigene Nutzen-Kosten-Betrachtung seitens der Niedersächsischen Landesregierung? Wo ist die Betrachtung, wie viel landwirtschaftliche Fläche allein durch Kompensationsmaßnahmen verloren gehen wird? Ich erinnere mich gut, wie empfindlich Sie diesbezüglich waren, als es um den Gewässerschutzstreifen ging.

Meine Damen und Herren, die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens ist belegt. Das beweisen gestiegene Marktanteile und der Spitzenplatz in der Reedergunst. Was aber diesem ganzen Verfahren einfach fehlt, ist eine seriöse Betrachtung von Alternativen, um ein ähnliches Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich frage Sie, Herr Ministerpräsident: Wo sind Ihre dahin gehenden Forderungen? Wir wollen, dass Sie aktiv, transparent und nachvollziehbar prüfen, anstatt sich passiv, scheibchenweise und klammheimlich von den eigenen Vorgaben der Vergangenheit zu verabschieden.

Wir wollen, dass Sie über eine aktive Folgenabschätzung der Vorgängervertiefung Beweis führen, wohin dieser ökonomische und ökologische Unsinn führt. Wir wollen, dass Sie das Einvernehmen aus schwerwiegenden Gründen versagen. Und die liegen weiß Gott zuhauf vor.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Dr. Birkner für Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir können bei dieser Debatte nahtlos an die Debatte vom Januar anknüpfen. Insofern bleibt es dabei, dass wir auch weiterhin die Interessen der Region, der Menschen vor Ort auch in diesem Verfahren vertreten, wobei auch klar ist, dass wir in uns in einem rechtlichen Verfahren befinden. Dabei ist auch klar, dass wir nur zu bestimmten Bereichen das Einvernehmen zu erteilen haben. Das sind die Bereiche der Wasserwirtschaft und der Landeskultur.

Im Bereich der Wasserwirtschaft, für den ich die fachliche Verantwortung trage, haben wir - das ist hier genannt und auch im letzten Plenum besprochen worden - mit dem Altenbrucher Bogen bzw. mit den Maßnahmen, die dort bereits realisiert werden, aber auch mit den Verträgen bezüglich der Unterhaltung der Uferstrecken schon Wesentliches erreicht.

Das verbessert insgesamt die Situation für Niedersachsen, für die Deichverbände und die Deichsicherheit dort. Es gilt aber natürlich auch, die weiteren Punkte im Rahmen der Einvernehmenserteilung und des Verfahrens dazu sorgfältig abzuprüfen.

Es ist hier schon gesagt worden, dass für die Landesregierung klar ist: Sorgfalt geht vor Eile. Wir werden das alles sehr, sehr gewissenhaft prüfen. Am Ende kann dabei auch herauskommen, dass

man sich hier nicht entsprechend zum Ende der Frist entscheiden kann, sondern dies gegebenenfalls verschieben muss.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zu den beiden Punkten, die jetzt wohl Anlass für die Diskussion in diesem Plenum sind - Veröffentlichung des Planfeststellungsbeschlusses und der Beweissicherung -, noch etwas sagen.

Was die Beweissicherung angeht, haben wir uns natürlich nachhaltig darum bemüht - so wie auch im Januarplenum angekündigt -, dass die Veröffentlichung erfolgt und dass das endlich vorgelegt wird. Es bleibt auch dabei - das ist hier schon mehrmals gesagt worden -: Ohne Vorlage der Beweissicherungsberichte wird es keine Einvernehmenserteilung geben können. Das ist doch völlig selbstverständlich. Ich kann zukünftig nicht etwas machen, ohne geklärt zu haben, was in der Vergangenheit passiert ist.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Es reicht nicht aus, wenn die einen Tag vorher vorliegen!)

- Herr Wenzel, regen Sie sich nicht so auf!

Deshalb ist es schon einmal positiv, dass die Wasserschifffahrtsdirektion Nord am heutigen Tag um 8.57 Uhr den Beweissicherungsbericht 2007 ins Internet eingestellt hat. Wir erwarten, dass auch der Beweissicherungsbericht bis 2010/2011 - für die weitere Phase - in etwa ein bis zwei Wochen vorliegen wird. Insofern wird diesem Wunsch der Transparenz, den wir auch gegenüber den Bundesbehörden geäußert haben, seitens des Bundes nachgekommen. Ich denke, das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens geht es um die Veröffentlichung des Planfeststellungsbeschlusses. Ich habe im Januar im Plenum gesagt, dass ich mich gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen werde, dass es zu einer Veröffentlichung kommt, weil wir es auch für richtig halten, hier mit größtmöglicher Transparenz zu arbeiten.

Das Bundesverkehrsministerium hat darauf geantwortet, dass es davon absehen möchte und uns auch bittet, davon abzusehen, weil es zum einen natürlich sein Entwurf ist, zum anderen aber auch die Sorge besteht, dass das Einvernehmensverfahren dadurch quasi nicht beschleunigt und verbessert, sondern verkompliziert werden würde. Insbesondere ist, denke ich, die Gefahr einer Prä

zedenzwirkung für andere Verfahren entscheidend, weil das dann natürlich im Grundsatz für alle Planfeststellungsverfahren gelten würde.

Insofern habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass es hier bei der Bundesregierung eine gewisse Zurückhaltung gibt. Ich will aber deutlich sagen: Ich hätte mir gewünscht, es wäre hier frühzeitiger zu einer Veröffentlichung gekommen - und nicht erst dann, wenn dies verfahrensmäßig vorgesehen ist. Aber wir akzeptieren dies, auch weil es sich um einen Entwurf des Bundes handelt. Damit wird man sich dann künftig, wenn die Veröffentlichung nach den gegebenen Fristen ansteht, auch öffentlich inhaltlich auseinandersetzen können.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Klein?

Ja, bitte!

Herr Minister, können Sie mir erläutern, auf welcher Rechtsgrundlage die Veröffentlichung untersagt worden ist? Würden Sie mir zustimmen, dass die Argumentation des Bundesverkehrsministeriums darauf hindeutet, dass das Ministerium selbst offensichtlich Zweifel an der Qualität des eigenen Entwurfs eines Planfeststellungsbeschlusses hat?

Herr Minister, bitte!

Nein, diese Auffassung teile ich nicht. Die von Ihnen angedeuteten Zweifel können daraus nicht abgeleitet werden, das ist so auch nicht gemeint gewesen.

Die Rechtsgrundlage für die Untersagung bzw. für die Bitte müssten Sie bei der Bundesregierung selbst erfragen.

(Zuruf von der SPD: Ach!)