Protocol of the Session on February 22, 2012

(Zuruf von der SPD: Ach!)

- Moment! Im Bund-Länder-Verhältnis muss man es respektieren und akzeptieren, wenn der Autor eines Entwurfes eines Planfeststellungsbeschlusses den Wunsch oder die eindringliche Bitte äußert, diesen nicht zu veröffentlichen. Das ist dann in Ordnung.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das ist ein öffentliches Verfahren und kein Roman!)

- Herr Klein, das ist doch ein rechtlich geordnetes Verfahren, in das auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung einbezogen ist. Zurzeit befinden wir uns im Einvernehmensverfahren, das ist ein - das finde auch ich misslich; aber das ist nun einmal so; das muss man akzeptieren - behördeninternes Abstimmungsverfahren. Wir von der Landesregierung würden uns mehr Transparenz wünschen. Wir haben dafür geworben. Von einer Seite ist das in dieser Phase nicht gewollt, was wir respektieren.

In diesem Verfahren werden wir als Vertreter der Interessen der Region und des Landes diese Interessen natürlich weiterhin intensiv einbringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ebenfalls zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich für die Landesregierung Herrn Landwirtschaftsminister Lindemann das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Klein, ich bin nicht wenig verwundert darüber, dass Sie das Reden und miteinander Verhandeln als „Schachern“ bezeichnen. Es bleibt meines Erachtens wirklich das Geheimnis der Grünen zu erklären, wie man ein Einvernehmen erreichen will, ohne miteinander zu reden.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Allerdings, meine Damen und Herren, ist es notwendig, dass die maßnahmebedingt entstehenden Beeinträchtigungen der Anlieger ausgeglichen werden. Das haben wir immer sehr deutlich gesagt.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Für die Bereiche des Obstbaus und der Viehwirtschaft wurden in den vergangenen Wochen konstruktive Verhandlungen mit allen beteiligten Akteuren geführt.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Es soll verhindert und nicht ausgeglichen werden, Herr Minister!)

- Sie werden es nicht schaffen, mich durcheinanderzubringen, Herr Klein. Versuchen Sie das aber ruhig weiter.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für den Obstbau werden im Bereich Kehdingen weitere Wasserspeicherbecken gebaut, um eine Frostschutzberegnung unabhängig vom Elbewasser zu gewährleisten. Eine 100-prozentige Finanzierung des Speichervolumens ist in diesem Bereich inzwischen sichergestellt; denn die Prognosen weisen eine ausbaubedingte Erhöhung der Salinität der Elbe für den Bereich Kehdingen aus.

Auch im Alten Land soll in weitere Speicherbecken zur Frostschutzberegnung der Obstbäume investiert werden. Darüber hinaus werden Schutzauflagen erarbeitet, die bereits in vielen Punkten einvernehmlich verhandelt werden konnten.

Die Landesregierung unterstützt die Position der Obstbauern bei den Verhandlungen mit dem Vorhabenträger und wird ein Einvernehmen ohne Berücksichtigung der landeskulturellen Interessen Niedersachsens - das ist ganz wesentlich unter diesem Aspekt der Obstbau - nicht erteilen.

(Zustimmung bei der CDU)

Für die Viehwirtschaft muss im Bereich Kehdingen eine Frischwasserleitung gebaut werden. Einzelheiten dazu werden zurzeit verhandelt. Zur Erteilung des Einvernehmens durch das Land Niedersachsen sind weitere Gespräche notwendig. Zurzeit ist noch keine Entscheidung über das Einvernehmen im Bereich der Landeskultur getroffen worden. Ob der Termin am 31. März 2012 zur Erteilung des Einvernehmens eingehalten werden kann, ist offen.

Meine Damen und Herren, unabhängig von der Herstellung des Einvernehmens ist aus der Sicht der Landesregierung ein weiterer wesentlicher Punkt zu bedenken. Die Firma Dow Chemical ist ein bedeutender Arbeitgeber in der Region und benötigt für den Produktionsprozess salzfreies Elbewasser. Sollte sich der Salzgehalt der Elbe in Zukunft in einem die Nutzbarkeit beeinträchtigenden Maße erhöhen, sind Investitionen in eine Wasseraufbereitungsanlage notwendig. Diese Kosten müssen im Bedarfsfall vom Vorhabenträger ausgeglichen werden. Zurzeit wird diesbezüglich ein Vertrag von der Wasser- und Schifffahrtsver

waltung und Dow Chemical ausgearbeitet, der in Kürze fertiggestellt werden soll.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir sind noch nicht durch das Problem durch, aber es gibt gute Ansätze, es zu lösen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 2 d beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 e auf:

Prekäre Arbeitsverhältnisse bei Discountern - Was ist das Jobwunder in Niedersachsen wirklich wert? - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4481

Hierzu hat sich Frau Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Weisser-Roelle.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn zum Monatsende die neuen Arbeitsmarktzahlen bekanntgegeben werden, spricht die Landesregierung gerne von einem Jobwunder. Die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen sei angeblich auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren,

(Björn Thümler [CDU]: Das ist so!)

die Quote liege derzeit nur bei 7 %, und auch in diesem Jahr werde mit einem weiteren Rückgang gerechnet. So äußerte sich zuletzt Wirtschaftsminister Bode in der Januarsitzung des Plenums.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eine dieser Tage veröffentlichte Studie des DGB Niedersachsen zeigt allerdings, dass die Realität auf dem Arbeitsmarkt anders aussieht. Tatsächlich haben nämlich derzeit 370 000 Menschen in Niedersachsen keine Arbeit, inklusive der 90 000 Arbeitslosen, die sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden. Das sind fast 100 000 Arbeitslose mehr als die Zahlen, die im offiziellen Arbeitsmarktbericht für Januar benannt wurden und die Herr Bode immer gern zugrunde legt.

Aber wie kommt eine solch große Differenz zustande? - Ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal;

ich habe es bereits im Januar gesagt. In der offiziellen Arbeitslosenstatistik gelten nur diejenigen Menschen als arbeitslos, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Arbeitslose hingegen, die sich in sogenannten Qualifizierungsmaßnahmen befinden, Praktikanten, die unbezahlt arbeiten, und Ein-Euro-Jobber zählen nicht hinzu. Hinzu kommen die alleinerziehenden Mütter und Väter, die gerne arbeiten würden, aber nicht können, weil sie keinen Kita-Platz bekommen, aber auch die vielen Menschen, die sich aus Resignation und Scham erst gar nicht mehr arbeitslos melden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Wie sieht es mit der Qualität der Arbeit sowie mit der Entlohnung der Menschen aus, die noch in Beschäftigung sind? Die Zahl der Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen tätig sind, ist in Niedersachsen besorgniserregend und massiv gestiegen, auch wenn Minister Bode gerne das Gegenteil behauptet; denn das angebliche Jobwunder beruht in hohem Maße auf einem Boom von Billigjobs, von denen man nicht leben kann. Das ist einfach nicht zu akzeptieren!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich könnte viele Beispiele aufzählen, muss mich aber aus Zeitgründen auf einige wenige beschränken. Besonders betroffen sind Einzelhandelsdiscounter wie Netto, Schlecker oder Lidl, aber bei Weitem nicht nur diese Bereiche. Die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter hat sich den Ergebnissen der jüngsten Studie des DGB Niedersachsen zufolge in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Mittlerweile sind 30 % der freien Stellen in Niedersachsen Leiharbeiterjobs. Der Missbrauch von Werkverträgen mit diskriminierenden Lohn- und Arbeitsbedingungen schreitet voran, und Bundes- und Landesregierung schauen tatenlos zu.

Vollzeitstellen hingegen wurden in großer Zahl abgebaut. Über 200 000 Beschäftigte in Teilzeitarbeit wünschten sich eine Vollzeitstelle; auch das sagt die Studie des DGB Niedersachsen aus.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das heißt im Klartext: Insgesamt sind in Niedersachsen über 570 000 Menschen entweder unterbeschäftigt oder arbeitslos! Das sind die Zahlen, die wir zugrunde legen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Minister Bode und auch die Landesregierung wissen all dies natürlich. Aber statt diese Fehlentwick

lungen zu benennen und für positive Veränderungen zu sorgen, wird die Mär eines Jobwunders verbreitet. Herr Bode, aktive Arbeitsmarktpolitik sieht anders aus. Die Zahlen des DGB belegen, dass Sie mit Ihrer Politik hier in Niedersachsen gescheitert sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Weiteres Negative lässt sich hier aufzählen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wo bleibt z. B. das Engagement der Landesregierung, wenn es um die Zukunft der insolventen Drogerieketten Schlecker und Ihr Platz geht? - Auch hier: Fehlanzeige! Allein in Niedersachsen sind 2 000 Menschen davon betroffen. Es sind überwiegend Frauen. Das sind 2 000 Einzelschicksale. Die müssen wir ernst nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung darf nicht tatenlos zuschauen. Alle Kraft muss dem Erhalt dieser Arbeitsplätze gehören.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Antrag auf Insolvenz bei Schlecker nur das Ende der Fahnenstange ist. Seit Jahren haben die Beschäftigten dort unter extremen Folgen unsäglicher Arbeits- und Lohnbedingungen gelitten. Dumpinglöhne, Drangsalierungen und Bespitzelungen waren an der Tagesordnung.

Schlecker ist kein Einzelfall; ich sagte es bereits. Wir könnten von Netto und Lidl sprechen - oder auch vom ÖPNV. 30 Busfahrer, die bei CeBus in Celle arbeiten, haben zum Jahreswechsel 30 % ihres Lohnes eingebüßt. Er sank für diese Busfahrer von 13,40 Euro auf 8,39 Euro im Wahlkreis von Herrn Bode. Das ist ein weiterer Skandal, der hier auch besprochen werden muss.