- Wenn es nicht ruhiger wird, sehe ich mich außerstande, den Redner der einbringenden Fraktion aufzurufen! - Von der Fraktion DIE LINKE spricht Herr Herzog. Herr Herzog, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon auffällig, dass sich Niedersachsen immer wieder negativ hervortut, wenn es um Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen geht. Das gilt für den Bereich der Atomenergie, aber auch für Altlasten jeder Art. Über Jahre beantwortete der Umweltminister Anträge, die zum Ziel hatten, diese Problematik endlich anzugehen und auch eine finanzielle Grundlage dafür zu schaffen, schlicht mit einem Achselzucken und dem Verweis auf die 90erJahre. So mussten erst andere Bundesländer handeln bzw. Gerichte solchem Treiben einen Riegel vorschieben.
Für Asbest gibt es keinen Schwellenwert. Fasern sind krebserzeugend. Dementsprechend gibt es ein Minimierungsgebot der Freisetzung. Nachdem das Lüneburger Oberverwaltungsgericht im Jahr 2009 auf Klage von Anwohnern und der Gemeinde eine Umlagerung nach Lahe unterband bzw. mit hohen Auflagen verband, war mit diesem Larifari zunächst einmal Schluss. Das OVG legte fest, dass die Asbestabfälle in geschlossenen, staubdichten Behältern geliefert und nicht abgekippt werden dürfen. Das muss im Übrigen auch jeder Hausbesitzer, der sein Eternitdach saniert: Fachkundige Mitarbeiter von Spezialfirmen rücken mit
Nur in Niedersachsen gehen die Uhren anders. In einem undurchsichtigen, aber zielgerichteten Geflecht von Firmengründungen schafft es die politische Mehrheit der Region Hannover mit Rückendeckung der zuständigen Landesbehörden, die Fulgurit-Nachfolge schadfrei zu halten und die Asbesthalde der Allgemeinheit zuzuschustern.
In diesem denkwürdigen Konstrukt indirekter Wirtschafsförderung gibt es Profiteure: der Asbesthalden-Verursacher, der entlastet wurde, als das Fulgurit-Gelände mit Ausnahme der Halde verkauft wurde, ohne Rückstellungen für Sanierungen einzufordern. Ebenso wurde bisher mit Rechtsnachfolgern verfahren.
Die Spedition profitiert, die ein Gewerbeareal - um es einmal sehr vorsichtig zu sagen - sehr günstig erwirbt, die sich zwar an den Sanierungskosten beteiligen soll, allerdings liegen diese deutlich unter den Bodenrichtwerten.
Auch die Spedition profitiert, die 7 700 LkwFahrten zu fernen Deponien übernehmen soll, und natürlich auch das Land, das mit seiner „Lex Wunstorf“, dem Merkblatt 23 der Bund-LänderArbeitsgemeinschaft Abfall, nicht nur Niedersachsen in die Asbest-Steinzeit zurückversetzt. Hierdurch wird die Gefahr der deutschlandweit Abermillionen Kubikmeter Asbestabfälle potenziert. Deshalb gehört das Merkblatt 23 in die berühmte Tonne.
Im Hinblick auf diese vielfältigen Verstrickungen wäre die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durchaus angebracht; denn bei diesen hochgefährlichen Massenbewegungen ist auch das Jonglieren mit Ausnahmebestimmungen ein Trick, der sachfremd und interessengelenkt ist.
Meine Damen und Herren, dieses niedersächsische Verhalten ist ein Präzedenzfall geworden. Deshalb fordert das Umweltbundesamt eine Gesetzesänderung auf Bundesebene mit einer Stärkung der Länderrechte und einer UVP-Pflicht für Gefahrguttransporte. Denn deutschlandweit warten noch geschätzte 900 Millionen m³ verbauten Asbestzements.
schlamm“ suggeriert, hier handele es sich um einen schönen, faserbindenden Zustand. Aussagen ehemaliger Mitarbeiter belegen aber, dass durchaus Asbeststäube aufgehaldet wurden. Auch das Altlastenkataster des LBEG geht von Stäuben aus. Da wird das unverpackte Transportverfahren kriminell bzw. die eindeutige Auflage des OVG Lüneburg zum Maßstab.
Vor diesem Hintergrund sind die sogenannten Testfahrten des TÜV ein Witz. Von sechs Fahrten ist bestenfalls eine Fahrt wertbar. Bei den anderen fünf Fahrten wurde eine wichtige VDI-Vorgabe schlicht nicht beachtet. Selbst bei dieser einen Fahrt wird deutlich, worauf das Rechtsgutachten des Landes Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich hinweist, nämlich wie hoch die Freisetzung der Fasern eigentlich ist.
Noch 2009 führte die Regionsverwaltung in ihrer Begründung für eine Umlagerung nach Lahe aus, eine Verbringung der Halde auf eine Deponie außerhalb der Region scheide aus wirtschaftlichen Gründen aus. Der Asbestmüll solle in Containerbags transportiert und in Lahe in den geschlossenen Bags abgelagert werden. Das sei Stand der Technik. - Heute: Amnesie im Amt!
Meine Damen und Herren, Asbestabfall ist nicht aus der Welt zu schaffen. Aber die Halde ist nach eingehender Betrachtung von Alternativen durchaus sanierbar. Die Abdeckung mit der bewährten Schicht Spritzmulch, die Sicherung mit Spundwand oder eine sarkophagartige Halle sind durch Toxikologen und Geologen als umweltunbedenkliche Lösungen durchaus belegt. Sie wären sogar inklusive der Kosten für jahrzehntelange Nachsorge und Überwachung erheblich preisgünstiger.
Sie würden die Gefahren der Freisetzung von krebserzeugenden Asbestfasern vermeiden, die beim Auskoffern für die Anwohner und Mitarbeiter entstehen. Außerdem würden 7 700 CO2maximierende Lkw-Fahrten unterbunden, deren Unfallgefährdungspotenzial gar nicht betrachtet wurde. Anwohner an der Transportstrecke würden geschont. Das unsägliche Abkippen der Asbestabfälle - unter Umständen Stäube, die schon das OVG untersagt hatte - bliebe Papier.
Was reitet die örtlichen Grünen und die örtliche SPD, so vehement für die Asbestkarawane einzutreten? - EU-Mittel für eine Sicherung vor Ort - ja, das wäre zu begrüßen. Aber der Transport auf simplen Kieslastern, deren tödliche Fracht dann
offen außerhalb Niedersachsens wie Hausmüll auf Deponien gekippt wird, ist rechtswidrig, gesundheits- und umweltgefährdend und teuer.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Sie wollen al- so, dass das in Wunstorf bleibt!)
Herr Birkner, das hat nichts mit mangelnder Solidarität zu tun, sondern schlicht mit fachlicher und rechtlicher Solidität. Verhalten Sie sich also rechtskonform! Geben Sie nach Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein als Land Niedersachsen diese Transporte endgültig auf!
Als nächste Rednerin hat sich Frau Stief-Kreihe von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Stief-Kreihe!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE hat einen Vorgänger. Der erste Antrag der Fraktion der Linken wäre sicherlich sinnvoller gewesen, da er Fragen enthält, die wir uns heute wohl alle stellen. Einen Teil hat Herr Herzog angesprochen. Aber leider hat der Populismus bei Ihnen die Oberhand gewonnen.
Mit Ihrem neuen Antrag interessieren Sie die offenen Fragen nicht mehr. Die Antworten darauf sind aber nicht nur für die Region Hannover von Bedeutung, sondern interessieren alle Kommunen, die mit den vielfältigen Problemen der Altlastensanierung zu kämpfen haben. Wir haben das wiederholt im Plenum angesprochen.
Meine Damen und Herren, wie stellt sich uns der aktuelle Sachstand dar? - Die Region Hannover und auch die Landesregierung waren nach Prüfung der Frage, ob eine Sicherung des Asbestzementschlamms und der Asbestzementscherben - insgesamt ca. 170 000 t - vor Ort in WunstorfLuthe wirtschaftlich und ökologisch sinnvoller sei, zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Deponierung vor Ort aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nur mit sehr großem Aufwand und vor allem mit einer nur begrenzten Haltbarkeit möglich sei. Da auch eine Verbringung des Asbestmülls auf eine
Deponie in der Region hinfällig wurde, entschloss man sich im Einvernehmen mit dem Land für eine Entsorgung des Materials außerhalb der Region.
Die Deponien Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern und Rondeshagen in Schleswig-Holstein boten die Annahme an und gaben die erforderlichen Annahmeerklärungen ab. Beide Deponien sind Sonderabfalldeponien und für die Aufnahme von gefährlichen Abfällen geeignet. In Ihlenberg lagert z. B. auch Asbestmüll aus Griechenland und Irland.
Erstens. Die gegenwärtig unterschiedlichen Rechtsauffassungen beziehen sich auf den Transport des Asbestmülls. Die Prüfung durch den TÜV Nord und die darauf basierende Genehmigung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Hannover vom 24. November 2011 kommen zu dem Ergebnis, dass der Asbesttransport nicht den Vorschriften des ADR - das entspricht der Gefahrgutverordnung - unterliegt. Es heißt wörtlich - ich zitiere -:
„Es sind keine belastbaren Gründe zu erkennen, die eine Untersagung des Transportes in loser Schüttung rechtfertigen würden.“
Das Büro Gaßner, Groth, Siederer & Coll. kommt in seinem von Mecklenburg-Vorpommern in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Ergebnis - ich zitiere -:
„Die vorgesehene unverpackte Beförderung des asbesthaltigen Schlamms verstößt ohne behördliche Ausnahmegenehmigung gegen die einschlägigen gefahrgutrechtlichen und gefahrstoffrechtlichen Vorschriften. … Für die Erteilung von Ausnahmen für die Beförderung sind die niedersächsischen Behörden zuständig …“
Mecklenburg-Vorpommern setzt noch eins drauf und erklärt, dass man auch in sogenannten Big Bags verpackten Asbestmüll verweigern werde. Das wird im Rechtsgutachten nicht weiter erwähnt.
„dass eine Gefährdung Dritter durch den Transportvorgang als solchen durch Freisetzung von Asbestfasern nicht bestehen wird.“
Für uns stellt sich also die Frage: Welche Rechtsauffassung ist richtig bzw. gibt es unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten des Abfallrechts und der Gefahrgutverordnung?
Zweitens. Nicht jedes Bundesland unterhält Sonderabfalldeponien für gefährliche und auch für toxische Abfälle. Aus diesem Grund gibt es entsprechende Länderkooperationen. Welche Verpflichtungen ergeben sich aber daraus? Welche Konsequenzen hat die Vorgehensweise von Mecklenburg-Vorpommern, wenn Bundesländer und Landkreise genehmigte - ich sage ausdrücklich: genehmigte - Transporte verweigern können? Welche Verbindlichkeit haben Länderkooperationen dann noch? Warum verweigern wir in Niedersachsen dann nicht die Annahme von Atommüll?
Drittens. Zu den Deponieverträgen gibt es unterschiedliche Darstellungen. Der Inhalt der Verträge, die Zuständigkeiten und Kontrollinstanzen müssen dargelegt werden. Unserer Kenntnis nach sind alle notwendigen Annahmevoraussetzungen erledigt worden und haben sich beide Deponien an den Ausschreibungen beteiligt. Nach Ihlenberg sind bereits drei Transporte gegangen. Die Annahme erfolgte, und auf der Deponie wurden schon Lagerflächen für die Aufnahme des Asbestmülls aus Hannover vorbereitet.