Protocol of the Session on December 8, 2011

Zu Frage 2: Die Landesregierung hält an den Maßnahmen fest, die sie mit der niedersächsischen Strategie gegen die therapieassoziierten Infektionen und Antibiotikaresistenzen im Februar 2009 vorgestellt und in der bereits genannten Landtagsdrucksache ausführlich dargestellt hat. Die Landesregierung begrüßt darüber hinaus die Änderungen im Infektionsschutzgesetz des Bundes. Insoweit verweise ich auf meine Vorbemerkung.

Die Niedersächsische Hygieneverordnung für medizinische Einrichtungen auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Sie wird u. a. Vorgaben bezüglich der Erfassung und Bewertung von Infektionen und des Antibiotikaverbrauchs in Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulantes Operieren enthalten. Außerdem werden die Einrichtungen aufgefordert, die Patientinnen und Patienten, von denen die Gefahr einer Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, ausgehen könnten, frühzeitig zu erkennen.

Sowohl bei der Einhaltung der Hygiene als auch bei der Antibiotikatherapie handelt es sich um komplexe Sachverhalte, wie ich bereits mitgeteilt habe. Nur wenn die Regeln bekannt sind und auch verstanden werden, ist mit einer hinreichenden Umsetzung zu rechnen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, alle Akteure fachlich mit konkreten Hilfestellungen zu unterstützen, wie dies in Niedersachsen durch das Landesgesundheitsamt gewährleistet ist. Dies betrifft die konkrete Beratung im Einzelfall, die Fort- und Weiterbildung für Berufe des Gesundheitswesens, die Informati

on der Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit, die Begleitung des öffentlichen Gesundheitsdienstes bei der Überwachung sowie beim Aufbau von Kooperationen vor Ort im Rahmen der Netzwerkbildung.

Meine Damen und Herren, Antibiotika werden auch zur Behandlung von Tieren eingesetzt. Wie eine - zwar nicht repräsentative - Erhebung des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung, die Ende November 2011 veröffentlicht wurde, ausweist, werden in 83 % der überprüften Betriebe für Masthühner, in 92 % der Betriebe, die Puten aufziehen und mästen, in 68 % der Betriebe mit reiner Putenmast, in 77 % der Schweinemastbetriebe und in 100 % der Kälbermastbetriebe Antibiotika eingesetzt. Dieses Ergebnis weist auf eine landesweit breite Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung hin, die fachlich hinterfragt werden muss.

Dazu wird gerade mit den zuständigen Behörden eine Minimierungsstrategie umgesetzt, die sowohl die korrekte Verschreibung der Arzneimittel durch die Tierärzte als auch die korrekte Anwendung durch die Tierhalter überprüft und in Betrieben, die einen überdurchschnittlichen Einsatz von Antibiotika erkennen lassen, ein Reduktionskonzept von Tierhalter und Bestandstierarzt fordert.

Eine weitere Maßnahme ist die Entwicklung von Filteranlagen zur Vermeidung des Austrags von Keimen aus der Tierhaltung in die Umwelt. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) hat auf Initiative des Landwirtschaftsministeriums die Wirkung der Filteranlagen zur Reduktion staubgebundener Keime in ihre Anforderungen zur Zertifizierung aufgenommen. An der Zertifizierung der Filteranlagen für Geflügelbetriebe wird derzeit mit Hochdruck gearbeitet.

Um dem Vorsorgegedanken des Umweltschutzes Rechnung zu tragen und den Bedürfnissen der Nachbarschaft in besonderer Weise entgegenzukommen, wird derzeit ein gemeinsamer Runderlass des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums zum Einbau von Abluftreinigungsanlagen in größeren Schweinehaltungsanlagen vorbereitet.

Zu Frage 3: Wie ich einleitend erläutert habe, ist es wichtig, eine zielgerichtete Antibiotikatherapie zu erreichen, um den natürlichen Prozess der Resistenzbildung zu begrenzen. Die Landesregierung begrüßt daher die vorgesehene Einrichtung der Kommission „Antiinfektiva, Resistenz und Therapie“ (ART) am Robert-Koch-Institut auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes. Die Kommissi

on wird Empfehlungen mit allgemeinen Grundsätzen für Diagnostik und antimikrobielle Therapie, insbesondere bei Infektionen mit resistenten Krankheitserregern, erstellen. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass diese Empfehlungen in der Praxis umgesetzt werden.

Für Massentierhaltung ist der Landesregierung keine Definition bekannt. Eine im Hinblick auf diesen Begriff differenzierte Antwort ist deshalb nicht möglich. Des Weiteren weist die Landesregierung darauf hin, dass die Erhebung zum Einsatz von Antibiotika in der niedersächsischen Tierhaltung aus dem November 2011 den Status beschreibt und keine Interpretation zum Hintergrund der Antibiotikaanwendung - z. B. ungezielter Einsatz - zulässt.

Die Landesregierung misst dem Einsatz von Antibiotika in allen Tierhaltungen grundsätzliche Relevanz in Bezug auf ihre Bemühungen zur Reduktion der Resistenzentwicklung bei Keimen zu. Die Entwicklung von Resistenzmerkmalen und deren Übertragung untereinander gehört zu den natürlichen Reaktionen der Keime auf eine lebensunfreundliche Umgebung. Es müssen alle Maßnahmen zur Vermeidung der Ausbildung von Resistenzen getroffen werden, um die Wirksamkeit der Antibiotika zur Behandlung von Mensch und Tier auch in Zukunft zu sichern.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

In Bezug auf den Menschen kann durch die Reduktion der Anwendung von Antibiotika in Tierhaltungen nur ein kleiner Beitrag erwartet werden. Wie die Untersuchungen in den 34 Krankenhäusern in Niedersachsen gezeigt haben, stehen 78 % der MRSA-Keime, die bei weniger als 3 % der untersuchten Patientengruppe nachgewiesen werden konnten, nicht mit Tierhaltung in Verbindung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Zu einer ersten Nachfrage hat sich Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerin, Sie haben eben über die Verordnung gesprochen, zu der das Land laut Infektionsschutzgesetz des Bundes verpflichtet ist. Ich frage die Landesregierung:

Welche Vorgaben werden in dieser Verordnung stehen? Was plant die Landesregierung beispielsweise konkret zur Frage der Fachlichkeit, der Qualifikation der Hygienebeauftragten, zur Frage der Verpflichtung der Einrichtungen, hauptamtliche Hygienebeauftragte einzustellen? Sie müssen ja Vorstellungen dazu haben, wie das aussehen soll, ob das so unverbindlich bleiben soll wie bisher oder ob es wirklich nützliche Vorgaben für die Einrichtungen geben soll.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Ministerin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Frage.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Immer gerne!)

Wir haben an der Erstellung dieser Musterverordnung tatsächlich mitgearbeitet. Herr Dr. Feil aus meinem Ministerium war wesentlich an der Erstellung dieser Musterverordnung beteiligt, die Einfluss auf viele Verordnungen hat, die jetzt in den Bundesländern erarbeitet werden.

In unserer Hygieneschutzverordnung haben wir die wesentlichen Punkte aufgegriffen, die im Bundesinfektionsschutzgesetz stehen. Ich will ein paar Punkte erwähnen. Die Ressortbeteiligung wird gerade abgeschlossen; dann werden wir in die Verbandsanhörung gehen.

Wir sehen folgende Regelungen vor: öffentlichrechtliche Verpflichtung der Leitungen von medizinischen Einrichtungen, die anerkannten Regeln der Hygiene nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft einzuhalten; Sicherstellung personeller Voraussetzungen zur Einhaltung der Hygieneregeln durch Bestimmungen über die Ausstattung mit Hygienefachpersonal und deren Qualifikationen, insbesondere die Pflicht zur Einrichtung einer Hygienekommission im Krankenhaus sowie in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare Versorgung erfolgt; verbesserte Bedingungen für Beschäftigte zur Teilnahme an Fortbildungen und Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung für Hygienefachpersonal; frühzeitige Erkennung von Patientinnen und Patienten - z. B. durch Eingangsscree

nings -, von denen die Gefahr einer Weiterverbreitung von Krankheitserregern ausgeht, und dann Information über diese Gefahren; Vorgabe bezüglich der Erfassung und Bewertung von Infektionen und des Antibiotikaverbrauchs in Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulantes Operieren anhand von Vergleichsdaten anderer Einrichtungen; Pflicht zur Erstellung von Hygieneplänen in Arztpraxen, Zahnarztpraxen und Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe.

Sie sehen, das ist ein sehr umfangreicher Regelungskatalog. Zu der Überprüfung kann ich Ihnen sagen: Schon heute finden über die Gesundheitsämter Überprüfungen statt. Dieser breite Katalog, der jetzt in der Verordnung verbindlich geregelt ist, erleichtert es den Gesundheitsämtern sogar, ganz gezielt zu überprüfen. Im Schnitt wird ein Krankenhaus in Niedersachsen einmal pro Jahr von den Gesundheitsämtern besucht und überprüft. Das wird auch in Zukunft der Fall sein. Insofern werden diese verbindlichen Regelungen zusammen mit den Regelungen des Bundeshygieneschutzgesetzes zur Abrechnung von MRSA-Screenings für einen Zeitraum von zwei Jahren - beginnend ab 1. April 2012 - die Krankenhäuser in ihren Strukturabläufen weiter unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Die nächste Frage wird ebenfalls von Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren, so viel ändert sich dann ja eigentlich nicht am Status quo, weil eine Hauptamtlichkeit nicht vorgeschrieben wird.

Aber zu einem anderen Thema: In Niedersachsen werden besonders viele Antibiotika verordnet. Das müsste der Landesregierung bekannt sein. Das hat die TK in ihrem Gesundheits - - -

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt fragen!

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der TKGesundheitsreport ausgewiesen hat, dass in Niedersachsen 10 % mehr Antibiotika verordnet werden als im Bundesdurchschnitt, nämlich 5,7 Tagesdosen pro Patient und Kalenderjahr - das ist

übrigens gegenüber 2006 eine Steigerung von 16 % -, frage ich die Landesregierung, welche Maßnahmen sie für angezeigt hält, um das Verordnungsverhalten der niedergelassenen Ärzte zu ändern. Denn die unnötige Behandlung der Menschen mit Antibiotika ist eine der Hauptursachen dafür, dass sich Resistenzen bilden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eben schon ausgeführt, dass dieser Prozess jetzt sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich abläuft. Das eine ist, Erkenntnisse zu sammeln, zu gucken, welche Antibiotikaresistenzen in Niedersachsen vorhanden sind.

Das Zweite ist, das Personal insbesondere im stationären, aber auch im ambulanten Bereich entsprechend zu schulen und mit dem Erkenntnisgewinn aus den Erfassungen, die wir ja schon durchführen - ich hatte eben ARMIN angesprochen; das werde ich gleich noch einmal erläutern -, zielgerichtet Antibiotikatherapien durchzuführen.

Mit ARMIN haben wir einen bundesweit einmaligen Prozess eingeleitet. Mittlerweile arbeiten neun Großlaboratorien an diesem Projekt mit. Diese melden alle Laborbefunde insbesondere zu Antibiotikaresistenzen, sodass wir auf der Landkarte Niedersachsens aufzeigen können, wo es Antibiotikaresistenzen gibt. Nur wenn es Erkenntnisse gibt - auch für einen niedergelassenen Arzt -, wo es welche Antibiotikaresistenzen gibt, kann auch zielgerichtet behandelt werden. Das ist das eine.

Außerdem müssen wir das Fachwissen und das notwendige Fach-Know-how durch unser Landesgesundheitsamt an die niedergelassenen Ärzte weiterleiten.

Wir haben keine absoluten Zahlen über die Entwicklung der Antibiotikaresistenzen, aber wir stellen fest, dass der Einsatz von Antibiotika im ambulanten Bereich sinkt, und zwar sogar stärker als im stationären Bereich. Daran zeigt sich, dass die Aufklärungsmaßnahmen greifen. Es gibt kein Regelungsdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit hinsichtlich unseres Wissens über die Antibiotikaresistenzen.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Entschuldigung, aber meine Frage ist überhaupt nicht be- antwortet! Ich hatte nach dem Verord- nungsverhalten bezüglich Antibiotika gefragt!)

Frau Helmhold, Ihre Fraktion hat ja noch Möglichkeiten, nachzufragen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber wenn meine Frage doch nicht beant- wortet wird! - Gegenruf von Ulf Thiele [CDU]: Sie hat es Ihnen doch erklärt! - Patrick-Marc Humke [LINKE]: Frau Helmhold hat recht, Mensch!)

Meine Damen und Herren, die nächste Frage wird vom Kollegen Meyer, Bündnis 90/Die Grünen, gestellt. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass es im letzten Jahr im Agrarausschuss eine Unterrichtung zu dem Einsatz von Antibiotika und zu den MRSA-Keimen gab und Professor Witte vom Robert-Koch-Institut dort gesagt hat, dass bundesweit 10 % der Keime aus dem sogenannten landwirtschaftlichen Bereich kommen, frage ich jetzt noch einmal genau nach.

Die Frau Ministerin hat gerade gesagt, dass es nach der Krankenhausstudie in Niedersachsen mehr als das Doppelte ist, also 22 %. Deshalb frage ich die Landesregierung, wie sie sich das erklärt. Liegt in Niedersachsen ein besonderer Schwerpunkt von Keimen aus der Massentierhaltung - die Zahlen von Bund und Land sind nachzulesen -, oder ist der Trend so stark, dass wir uns besonders wegen der Keime aus dem Agrarbereich und die entsprechenden Resistenzen Sorgen machen müssen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es antwortet Herr Minister Lindemann. Bitte!

Herr Kollege Meyer, noch einmal, damit Sie die Mathematik richtig verstehen: In den von der Ministerin zitierten Landkreisen sind 4 900 Patienten