Protocol of the Session on December 8, 2011

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Hagenah das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau König, wenn Sie doch auch bei den Wirtschaftsdaten ein bisschen mehr auf den Bundestrend geschaut und dem Plenum dann erläutert hätten, dass wir uns über die Jahre, in denen Sie regieren, im Wesentlichen im Bundestrend entwickelt haben! Woran mag das wohl liegen? Was ist 2003, 2005 passiert? - Damals gab es auf Bundesebene erhebliche Reformen.

(Christian Grascha [FDP]: Von denen wollen Sie doch heute nichts mehr wissen! - Zuruf von Gabriela König [FDP])

Entsprechend gab es einen ordentlichen Aufschwung. Davon haben auch Sie profitiert. So etwas nennt man Windfall Profits, glaube ich. Aber das sind sicherlich - da gebe ich dem Kollegen Hoppenbrock recht - im Wesentlichen die Erfolge

der wirklich sehr erfolgreichen niedersächsischen Wirtschaft, der ich hier auch ausdrücklich danken möchte, und auf keinen Fall - ausweislich Ihrer Leistungen - besondere Verdienste dieser Landesregierung. Sie sind einfach mitgesegelt. Das ist es.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU und von Gabriela König [FDP])

Diese Landesregierung ist auch in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik mit ihren Konzepten in der Vergangenheit hängengeblieben, Frau König. Ich will Ihnen das erläutern.

Ihr Glaube an Fortschritt und Wohlstand mithilfe von Luft- und Raumfahrt sowie natürlich mithilfe des Automobils ist weiterhin ungebrochen, als sei weltweit nichts passiert. Dort setzen Sie Schwerpunkte im Haushalt, auch wenn dadurch von Ihnen zumindest verbal vertretene Ziele, wie die Mittelstandsförderung, der Klimaschutz oder die Bewältigung des demografischen Wandels, komplett unter die Räder kommen.

(Gabriela König [FDP]: Wie bitte? Was machen wir denn im Moment mit der Elektromobilität?)

So ist das. Anders, Herr Hoppenbrock, lässt sich die absurde Situation nicht erklären, dass Minister Bode 30 Millionen Euro reinen Landesgeldes zusätzlich in die Luft- und Raumfahrt investiert und auf 10 Millionen Euro GRW-Mittel, die der Bund uns anbietet wie sauer Bier, schlichtweg verzichten will.

(Zurufe von der SPD)

Zur Erinnerung: Nach millionenteuren Fehlsubventionen einigten sich Rechnungshof und Wirtschaftsministerium erst vor wenigen Monaten, bei der GRW-Förderung in Zukunft sicherzustellen, dass das Geld nur jene erhalten, die es wirklich brauchen.

Das Einigungspapier scheint Minister Bode jetzt dazu veranlasst zu haben, die Finger von diesem Geld zu lassen. Das ist ihm ein zu enger Rahmen. Seine Spendierlaune will der Minister jetzt lieber mit Landesgeld bei Luft- und Raumfahrt ausleben und schenkt der Branche nach dem Förderpaket von vor drei Jahren in Höhe von 100 Millionen Euro jetzt noch einmal zusätzliche 30 Millionen Euro. Das ist eine Mehrfachförderung und eine Förderung von Unternehmen, die selbst in der Lage sind, ausreichend zu investieren. Nach GRW wäre das nicht möglich, Herr Bode. Das ist klar.

Also: Landesgeld hinein - aber in eine gut verdienende Branche, die das auch locker selber aufbringen könnte. Offensichtlich haben CDU und FDP nämlich versäumt, die 100 Millionen Euro, die sie schon gegeben haben, so mit Gegenleistungen der Industrie abzusichern, dass von ihr tatsächlich auch gegen- und mitfinanziert wird. Sonst müssten doch die mit öffentlichen Geldern geschaffenen Institutionen von selber laufen, weil die Industrie sie nutzen kann.

Bei der engen Haushaltslage ist es ein großer Fehler, das sinnvoll für den Mittelstand einsetzbare GRW-Bundesgeld liegen zu lassen und stattdessen so viel Landesgeld erneut nur für eine Branche in die Hand zu nehmen. Wir Grünen stehen dagegen für eine transparente Förderung unter Beteiligung der Verbände und ohne Mitnahmeeffekte. Dazu wollen wir die Umwandlung in verbilligte Kredite und Beteiligungskapital, anstatt immer direkte Zuschussförderung zu betreiben.

Das Gegenteil geschieht leider auch beim neuen Programm „Zukunft und Innovation Niedersachsen“. Nachdem im Jahr 2011 der gescheiterte Innovationsfonds aufgelöst worden war, fließen nun jährlich 2 Millionen Euro in eine Art BodeFinanzierungstopf. Dafür hat Herr Minister Bode auch eine Mini-Vergabeinstitution geschaffen, der er selbst vorsitzt, und handverlesene Unternehmer hinzugezogen, die ihm als Beirat dienen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das ist aber geschickt gemacht!)

Die Kammern in diesem Land, auf die wir noch hören - Sie ja nicht mehr -, kritisieren das als Förderung nach Gutsherrenart, gepaart mit wenig Lust auf Transparenz. Ein besseres Urteil könnten wir auch nicht ausstellen.

Unsere Haushaltsvorschläge korrigieren diese Fehlentwicklungen liberaler Förderpolitik und stärken dagegen die NBank als zentrale Förderbank, in die wir auch NGlobal eingliedern wollen, anstatt immer neue halb private Gesellschaften zu schaffen, die nicht mehr ausreichend kontrolliert und gesteuert werden können - zumindest nicht vom Parlament.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der augenblickliche Höhenflug auf dem Arbeitsmarkt sollte Ihnen, Herr Minister, auch nicht den Blick auf das überproportionale Anwachsen von Teilzeitjobs und prekärer Beschäftigung bei uns verstellen. Trotz des demografisch bedingt bereits jetzt mancherorts angezeigten Fachkräftemangels

ist weiterhin eine große Zahl junger und älterer Menschen in Niedersachsen auf der Suche nach auskömmlich bezahlter Arbeit und Qualifizierung.

Deshalb wäre es dringend geboten, das Rotstiftdiktat von Frau von der Leyen in Niedersachsen abzufedern. Es kann nicht sein, dass wir bei einem unverändert hohen Sockel von Langzeitarbeitslosen weiterhin viele Jugendliche in Übergangssystemen parken. Es ist ebenso falsch, bei einem Anteil der Leiharbeit von mehr als einem Drittel und angesichts der offenen Stellen hierzulande die Mittel für Arbeitsmarktförderung und Qualifizierung, die sogenannten DIA-Mittel, um 3 Millionen Euro zu kürzen. Jährlich qualifizieren z. B. unsere Jugendwerkstätten bisher rund 5 000 Jugendliche, an die fast niemand mehr geglaubt hat. Das Streichkonzert von Frau von der Leyen gefährdet jetzt die Jugendwerkstätten, und unser Land schaut im Augenblick noch tatenlos zu. Wir Grünen legen dagegen ein Programm auf, damit alle Menschen über Arbeit an der Gesellschaft teilhaben können und der Platz für die Ausbildung von Benachteiligten gesichert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch an anderer Stelle stießen wir bei den Haushaltsplanberatungen auf einen schwarz-gelb gemachten Systemfehler, hier - oh Wunder - zum Vorteil des Straßenbaus alter Schule und zum Nachteil des zukunftsträchtigen Schienenverkehrs in Niedersachsen. Bisher glaubten wir bei der Begrifflichkeit „Auftragsverwaltung des Bundes“ zum Bau und Betrieb der Bundesstraßen und Autobahnen immer an einen klar definierten Auftrag mit Leistung und angemessener Gegenleistung.

In Wirklichkeit ist das System in Niedersachsen aber unter Ihrer Ägide, Herr Minister, in eine komplette Schieflage zulasten der Landeskasse geraten. Von den 197 Millionen Euro Jahreskosten dieser sogenannten Auftragsverwaltung beträgt der Finanzierungsbeitrag des Landes - nun raten Sie einmal - 90,6 Millionen Euro. Das Land zahlt also gut 45 % zu dem, was an unseren Autobahnen und Bundesstraßen und für sie gemacht wird. Damit gibt Niedersachsen pro Jahr mehr Geld für Straßen des Bundes aus als für den Erhalt der eigenen Landesstraßen. Das ist doch völlig absurd.

Zu allem Überfluss nimmt sich die Landesregierung auch noch jedes Jahr einen weiteren Betrag fast der gleichen Größenordnung aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes zur Finanzierung des Schienennahverkehrs, um damit den Landes

anteil für den Schülerverkehr zu finanzieren, der aber - das wissen alle hier - zum Großteil über unsere Straßen läuft. Einseitige, straßenorientierte Politik zulasten der Schiene und des ÖPNV hat in Niedersachsen zwei Farben: schwarz und gelb.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Marianne König [LINKE])

Nicht genug damit, dass dem Ausbau des Schienenverkehrs alleine hierdurch in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Millionen Euro vorenthalten wurden - selbst die am Ende nicht für die Schublade erstellten Straßenplanungen gehen fast voll auf Kosten der Landeskasse. Das muss man sich einmal vorstellen: Während das Land mit nur 2 % bis 3 % der Baukosten abgespeist wird, verhandelt das Unternehmen DB AG - in Bundesbesitz - derzeit mit dem Bund über 18 % der Baukosten als Planungsmittel. Wir bekommen 2 % bis 3 %, die Bahn verlangt - zu Recht, wie ich sagen muss - bei Tiefbauarbeiten 18 %. Sie können sich vorstellen, was da auf Kosten der Landeskasse geplant wird.

Das heißt also: Hier in Niedersachsen ist quasi die Planung jeder Bundesstraße und jeder Autobahn zu 80 % bis 90 % mit Landesgeld bezahlt.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das ist aber richtig investiert!)

- Das ist genau die alte Haltung der CDU, wie ich sie mir nicht besser vorstellen kann. Danke, Herr Hoppenbrock. So sehen Sie das.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Und die Y-Trasse wird noch gebaut!)

Nun leben wir nicht in Zeiten, in denen durch eine schlichte finanzielle Gleichstellung von Schiene und Wasserwegen ein Ausgleich zur bisherigen Bevorzugung der Straße herstellbar wäre. Das wäre ja denkbar; dazu fehlt aber natürlich das Geld. Deshalb ist es angesichts des wachsenden Problems beim Gütertransport im Hafenhinterlandverkehr einfach alternativlos, dass wir Geld aus den bisherigen Straßenplanungen abziehen und damit den Schienenausbau und auch den Wasserwegeausbau in unserem Land endlich voranbringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Übrigens, Herr Hoppenbrock, Frau König: Die vorhandenen Straßen werden durch diese Umschichtung nicht in Mitleidenschaft gezogen. Im Gegenteil: In dem von uns vorgeschlagenen Haushalts

ansatz - das werden Sie erkennen, wenn Sie genauer hinsehen - ist nämlich für den Substanzerhalt mehr Geld vorhanden als bei Ihnen.

(Gabriela König [FDP]: Bitte?)

Aber wir schenken uns schlichtweg die Neubauten. Ihr besonderes Hobby, nämlich im Straßenbereich immer noch neue Substanz zu schaffen, die nicht gebraucht wird und die man auch nicht erhalten kann, weil das Geld dafür nicht da ist, schenken wir uns. Dafür bauen wir Schienen- und Wasserwege besser aus.

Unsere Einsparungen und vielen weiteren Umschichtungen - z. B. für mehr Verbraucherberatung oder für einen Altlastenfonds, der den Kommunen bei der Bewältigung ihrer zum Teil gewaltigen Altlastenprobleme hilft - sind mehr als kostendeckend im Vergleich zum Entwurf der Regierungsfraktionen.

Es wäre gut für unser Land, wenn die grünen Vorschläge schon morgen hier im Haus eine Mehrheit erhalten würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Hagenah, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Klar, wenn Sie die Uhr anhalten. Wer hat denn eine Frage?

Die halten wir an. Herr Thiele, bitte!

Herr Hagenah, nur - das sage ich offen - damit wir das bei der Arbeit vor Ort auch richtig zitieren können: Haben wir Sie richtig verstanden, dass Sie als Grüne auch die Ausgaben, die wir im Haushalt für den Neubau von Radwegen vorsehen, ablehnen?

Im Gegenteil, Herr Thiele: Die haben wir alle übernommen - genauso wie die Erhöhung der Mittel für die Erhaltung der Straßen. Denn Sie wissen es vielleicht nicht: Wir müssen die Straßenerhaltung noch fünf weitere Jahre in der gleichen Höhe durchfinanzieren, damit wir wieder den Standard erreichen, den Sie 2003 übernommen haben. Unter Ihrer Ägide sind die Straßen verkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Sie wissen, dass Sie in Ihrem Haushaltsantrag durch den Ansatz einen Strich ge- macht haben?)

- Nein, Herr Thiele, schauen Sie bitte einmal genauer hin.

Wenn Sie den besseren Vorschlägen von unserer Seite dieses Mal nicht zustimmen, dann werden sie spätestens in 15 Monaten umgesetzt. Da bin ich ganz sicher. Dann werden wir hier neu gestalten.

Vielen Dank.