Protocol of the Session on December 7, 2011

Diese Doppelstruktur ist so teuer, dass nicht einmal die zusätzlichen 5,5 Millionen Euro dafür ausreichen werden. Den inklusiven Unterricht in den Regelschulen aber wollen Sie so mager ausstatten, dass er für viele Eltern von behinderten Kindern unattraktiv wird. Ich habe fast den Eindruck, dass das Absicht ist.

Viel zu wenig tun Sie dafür, die Lehrkräfte wirklich auf den inklusiven Unterricht vorzubereiten. Ihr Qualifizierungsprogramm, das Sie vorhin erwähnt haben und mit dem Sie einen Bruchteil der Grundschullehrkräfte in wenigen Tagen für den gemeinsamen Unterricht qualifizieren wollen, ist überhaupt nicht ausreichend.

(Ulf Thiele [CDU]: Es ist wie immer: „Es ist alles zu wenig, zu schlecht und zu dünn!“)

Aber Ihr wahres Desaster, Herr Althusmann, meine Damen und Herren von CDU und FDP, erleben Sie mit Ihrem Ganztagsschulkonzept light, das Sie immer als so tolle Lösung angepriesen haben. Seit 2004 versuchen Sie, Ganztagsschulen mit minimalen Kosten auf der Basis prekärer Dienstleistungsverträge zu betreiben. Spätestens seit 2008 - eigentlich schon vorher - musste Ihnen klar sein, dass diese Dienstleistungsverträge nicht nur unsozial, sondern in der Regel auch rechtswidrig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotzdem haben Sie noch jahrelang an diesen Verträgen festgehalten, weil Sie kein Geld für Steuern und Sozialabgaben bezahlen wollten - und das als Land! Das ist wirklich ein tolles Vorbild.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Erst jetzt, meine Damen und Herren, nachdem die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Kultusministerium immer dringender werden und nachdem die Deutsche Rentenversicherung und der Landesrechnungshof öffentlich gemacht haben, dass Ihre Dienstleistungsverträge zum größten Teil rechtswidrig sind, zieht der Kultusminister die Reißleine.

(Ulf Thiele [CDU]: So ein Unsinn!)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, es ist doch völlig offensichtlich, dass Ihr Ganztagsschulkonzept light von Anfang an ein Etikettenschwindel war.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das ist kein Konzept, sondern Flickschusterei auf dem Rücken der Beschäftigten und der Schulleitungen, und es steht sogar unter dem Verdacht des Sozialversicherungsbetrugs - einer strafbaren Handlung!

(Heinrich Aller [SPD]: So ist es!)

Wenn man wirkliche Ganztagsschulen schaffen will und nicht nur Ganztagsangebote, dann muss man Geld in die Hand nehmen, so wie wir es in unserem Haushaltsantrag ausgewiesen haben.

Herr Dr. Althusmann, Sie reden immer gern davon, dass Sie die Qualität verbessern wollen. Getan haben Sie dafür leider wenig, ich könnte auch sagen: nichts. Gerade das wichtigste Instrument der externen Qualitätssicherung an unseren Schulen wollen Sie kaputtsparen. Die Schulinspektion soll nur noch stichprobenartig in die Schulen gehen und nur noch das untersuchen, was der Minister gerade braucht.

(Björn Försterling [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

Bei der dringend nötigen Erhöhung der Zahl der Schulpsychologen passiert fast nichts. Acht mehr - das feiern Sie hier als Erfolg. Wir brauchen aber viel mehr.

Von einem ganzheitlichen Konzept der Sprachförderung ist immer noch nichts zu sehen. Die Mittel werden kein bisschen erhöht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Althusmann, als Sie Ihr Amt antraten, wollten Sie sich so gern ein Modernisiererimage zulegen, sofern das in der Niedersachsen-CDU überhaupt geht. Manche haben Ihnen das sogar abgenommen. Aber bereits nach anderthalb Jahren sind Sie mit allen Projekten gescheitert: Ihre Oberschule - kein Brüller, nur eine Übergangslösung. Die Inklusion - verzögert und ausgebremst.

(Ulf Thiele [CDU]: Wo leben Sie ei- gentlich?)

Die Eigenverantwortliche Schule - weitgehend kaputt gemacht und im Stich gelassen. Ihre Ganztagsangebote - darüber werden die Gerichte entscheiden. Sie können nicht ein einziges Glanzlicht vorweisen, nichts, wofür Sie eigentlich stehen. Das ist wirklich mager.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf die Gedenkstättenarbeit eingehen, die auch im Kultushaushalt abgebildet wird. Wir haben es fraktionsübergreifend endlich geschafft, dass im Haushalt 2012 neben den großen Ansätzen für die zentrale Gedenkstätte Bergen-Belsen auch dringend benötigte Mittel für die regionalen Gedenkstätten ausgewiesen werden.

Das ist gut; es ist aber auch wirklich das Mindeste. Denn wir können uns wirklich glücklich schätzen, dass wir in ganz Niedersachsen eine einzigartige Gedenkstätten- und Erinnerungskultur haben, die sich vor allem mit den Gräueln des Nationalsozialismus auseinandersetzt. Viele Menschen engagieren sich in örtlichen Initiativen. Aber sie brauchen fachliche Unterstützung. Alles nur ehrenamtlich zu machen, geht nicht.

Für diese fachliche Unterstützung werden wir uns weiterhin einsetzen; denn die Auseinandersetzung mit der Geschichte der NS-Zeit gerade am originären Ort ist ein ganz wichtiger Baustein im Kampf gegen den Rechtsextremismus, im Kampf gegen Antisemitismus und gegen den Rassismus in der Mitte unserer Gesellschaft.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Den Rest der Redezeit für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird Frau Staudte nutzen. Ich erteile Ihnen das Wort. Sie haben 3:11 Minuten.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einige Worte zum Thema Betreuungsausbau sagen. Wir können heute wieder nur konstatieren: Die Schlafmützigkeit dieser Landesregierung beim Betreuungsausbau ist bildungspolitisch, familienpolitisch und volkswirtschaftlich fatal.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Das Kultusministerium selbst hat noch im Juni dieses Jahres vorgerechnet, dass dann, wenn die Investitionsmittel für den U3-Ausbau aufgebraucht sein werden, immer noch 17 600 Plätze fehlen werden. Das nötige Angebot wird in Niedersachsen bis zum Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im Jahr 2013 sicherlich nicht erreicht

werden. Insofern müssen wir feststellen: Niedersachsen ist vielleicht ein Pferdeland, aber ganz sicher weder ein Kinderland noch ein Familienland.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Der Geburtenrückgang in Niedersachsen ist extrem. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern weist Niedersachsen hier den höchsten Wert auf. Um über 11 % ist die Zahl der Geburten in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Das ist insbesondere deshalb sehr dramatisch, weil die Erwerbstätigkeit der Frauen kontinuierlich ansteigt. 67,7 % der Frauen sind erwerbstätig. Das sind nur ungefähr 13 % weniger als bei den Männern. Diese Frauen bzw. diese Familien werden selbstverständlich nur dann Kinder bekommen, wenn auch der Betreuungsplatz gesichert ist.

Nun könnte man sagen, die Landesregierung sei aus dem Tiefschlaf der letzten Jahre etwas aufgewacht bzw. die Koalitionsfraktionen wollten 40 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Dann muss man aber auch betonen, dass diese 40 Millionen Euro ja auf zwei Jahre aufgeteilt sind. Es sind also letztendlich nur 20 Millionen Euro, von denen wir hier sprechen.

Außerdem sind die von Frau Heiligenstadt angesprochenen gleichzeitigen Kürzungen bei den Betriebskosten zu bedenken. Nun stellen Sie es so dar, dass das keine prozentuale Kürzung sei, sondern die demografische Rendite daraus, dass im Kindergartenbereich in den nächsten Jahren weniger Kinder betreut werden. Man muss aber, was die Betriebskosten insgesamt für die Kommunen angeht, auch berücksichtigen, dass Gruppen, die nicht mehr voll, sondern vielleicht nur noch halb besetzt sind, aufgrund der Fixkosten auch höhere Betriebskosten pro Kind verursachen.

Gestatten Sie mir noch einige Sätze zum qualitativen Ausbau. Wir haben schon den Eindruck, dass es, wenn Sie hier von frühkindlicher Bildung sprechen, wirklich nur leere Worthülsen sind. Im Kultusministerium wird ja jetzt ein neuer Orientierungsplan für den U-3-Bereich erarbeitet, sozusagen ein neues Curriculum. Genauso wie vor einigen Jahren bei den älteren Kindern ist es aber so, dass dafür keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Sie bleiben als Landesregierung also dabei, dass weiterhin 15 Wickelkinder von lediglich zwei Erzie

herinnen betreut werden sollen. Das hat nichts mit frühkindlicher Bildung zu tun.

Wir erwarten auch, dass Sie, was die Einnahmenseite eingeht, jetzt wirklich einmal engagierter auftreten.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. - Es kann nicht sein, dass Sie solche fatalen Fehlentscheidungen wie die des Betreuungsgeldes mittragen. Das Betreuungsgeld ist ein Kuhhandel auf Kosten der Kinder und der Familien in Niedersachsen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung von Stefan Schostok [SPD])

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Adler das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schon vielfach zitierten 5 Milliarden Euro im größten Einzelplan dieses Haushaltes scheinen auf den ersten Blick eine hohe Summe zu sein. Aber Sie werden mit dieser Summe die anstehenden Bildungsprobleme nicht lösen können.

Es nützt auch nichts, wenn Sie diesen Etatansatz mit dem früherer Haushalte vergleichen. Sie müssen nämlich den gesellschaftlichen Wandel im Laufe der Zeit zur Wissensgesellschaft beachten. Schulen mit Klassengrößen von 30 Schülerinnen und Schülern, die wir in Niedersachsen immer noch haben, werden der zunehmenden kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung von Bildung nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Schulsystem sollte nämlich auch Chancengleichheit gewähren. Nach Klasse 4, wenn die Kinder zwangsweise auf unterschiedliche Schulformen aufgeteilt werden, sehen wir, wie die soziale Schere im Bildungssystem aufgeht. An Realschulen stammen 14,1 % aus Hartz-IV-Familien; an Hauptschulen sind es 28,5 %, an Förderschulen sogar 43,7 %, und an Gymnasien sind es nur 4,2 %.

Meine Damen und Herren, mit Ihrer Schulpolitik bekommen reichere Kinder bessere Bildungschancen als ärmere Kinder. Sie selektieren Zehnjährige nach der Fülle des elterlichen Geldbeutels und rauben ihnen damit Bildungs- und Zukunftschancen.