Protocol of the Session on December 6, 2011

Reden Sie nicht nur, sondern handeln Sie! Und lassen Sie solche Äußerungen, wie wir sie vonseiten der CDU in der Vergangenheit hören mussten, dass die Regelsätze und damit die Kosten für Mobilität von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssten. Das ist aus unserer Sicht menschenverachtend und entspricht nicht dem Sozialstaatsgedanken oder gar christlichem Gedankengut.

Tun Sie etwas für die Menschen, die laut OECD aufgrund des Einkommens, der Arbeitszeit und der sozialen Entwicklung in die Armut getrieben worden sind! Mobilität ist für uns ein Menschenrecht. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Humke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Helmhold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Linken stellt weitreichende Forderungen an die Kommunen und an das Land, das bis zu 75 % der Kosten einer flächendeckenden Sozialcard übernehmen soll. Im September-Plenum war die Rede von 95 Millionen Euro, im Sozialausschuss dann von 10 Millionen Euro, in den ersten drei Jahren allerdings 50 Millionen Euro. Die Berechnungen, die der Kollege im Sozialausschuss vorlegte, haben das Ganze nicht wirklich nachvollziehbar gemacht und nicht überzeugt.

Fakt bleibt: Es wäre sehr viel Geld aufzubringen. Wenn das Land die Kommunen verpflichten würde, griffe die Konnexität. Wer unter den derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen solche ungedeckten Schecks ausstellen will, handelt aus meiner Sicht fahrlässig an den kommenden Generationen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt gute Beispiele aus verschiedenen Kommunen, die bereits Sozialtickets anbieten. Aber sie tun dies im Rahmen freiwilliger Leistungen und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit.

Das Land kann den Euro nur einmal ausgeben, und das Geld wächst auch in Niedersachsen nicht auf den Bäumen. Deshalb müssen wir Prioritäten setzen.

Für uns bedeutet das: Wir wollen erst einmal einen flächendeckend vernetzten ÖPNV schaffen. Denn was nützt das schönste Sozialticket, wenn der Besitzer an der Haltestelle steht und kein Bus kommt?

Daneben finde ich weiterhin, dass das Problem an einer ganz anderen Stelle verursacht ist, nämlich

bei der völlig unzureichenden Berechnung der Regelsätze.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Hier ist also der Bund in der Pflicht, den Regelsatz so zu erhöhen, dass er ein soziokulturelles Existenzminimum abbildet, das Mobilitätsausgaben enthält. Weder Land noch Kommunen können und sollten hier eine Ausfallbürgschaft übernehmen.

(Glocke der Präsidentin)

Eine andere Bundesregierung allerdings muss neben auskömmlichen Regelsätzen nach 2013 auch für Mindestlöhne, eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine Besteuerung großer Erbschaften und eine Vermögensteuer sorgen; denn dann wird unser Staatswesen hoffentlich so finanziert sein, dass es die immensen Zukunftsaufgaben angehen kann.

Letzter Satz!

Das Land bezahlt nämlich für den Stillstand in der Koalition in Berlin auf wesentlichen reformbedürftigen Feldern mit Stillstand. Es ist sehr schade, dass wir das noch bis zum Herbst 2013 aushalten müssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Danke schön. - Auf Frau Kollegin Helmhold hat sich zu einer Kurzintervention Herr Humke von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, für anderthalb Minuten!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ich sehr bedauerlich finde, sind besonders drei Punkte.

Erstens. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass die billigsten verbilligten Tickets in den Verkehrsverbünden 30 Euro pro Monat kosten. Damit ist die kleinste Tarifzone gemeint, und es geht um Schülerinnen und Schüler, die diesen Preis dann gegebenenfalls zahlen müssen. Das liegt also deutlich über den von uns vorgeschlagenen 18,50 Euro.

Zweitens. Sie blenden vollkommen aus, dass Sie daraus Einnahmen in Höhe von 16,5 Millionen Euro generieren können. Es gibt das Beispiel aus der Region Hannover - die Region Hannover ist mehr als die Landeshauptstadt Hannover. Sie ist nämlich in der Fläche ländlich geprägt. Dort ist dieses Modell, das ein Leitmodell unseres Konzepts ist, ein Erfolgsmodell gewesen, bei dem wirklich mehr als 5 Millionen Euro Mehreinnahmen generiert werden konnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Es ist unpolitisch, einfach zu sagen, man dürfe den kommenden Generationen nicht Schulden hinterlassen, und dann in dem Zusammenhang auch noch Beifall dafür zu klatschen und zu erheischen. Sie wollen ein Kreditverbot. Das ist ein Unterschied zu dem Schuldenverbot. Das müssen Sie den Menschen auch einmal sagen.

Letzter Satz: Sie verzichten gänzlich darauf, darzustellen, wer denn für die unzureichenden Regelsatzvereinbarungen zuständig ist. Das ist die große Koalition der Hartz-IV-Parteien hier in diesem Hause.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Helmhold nutzt die Gunst der Minute. Für 90 Sekunden können Sie antworten.

Die Gunst der anderthalb Minuten. - Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Humke, das Problem ist, dass in der Politik im Himmel nicht Jahrmarkt ist. Ich will es Ihnen einmal am Beispiel von Hannover sagen. Hannover hat die billigsten Tarife im Ranking und ist damit in Niedersachsen ganz vorne. Aber es hat dadurch auch außerordentlich hohe Defizite, nämlich 45 % Unterdeckung. Wenn Sie die Tarife jetzt noch halbieren wollen, dann müssen Sie auch einmal sagen, woher Sie das Geld nehmen wollen.

Sie können hier leicht Forderungen stellen - wir werden das ja auch bei den Haushaltsberatungen noch sehen -; denn Sie werden das im Zweifel nicht ausbaden müssen. Aber andere werden das tun. Verantwortungsvolle Politik sieht am Ende dann doch ein bisschen anders aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Riese das Wort. Bitte schön!

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin völlig begeistert, dass Frau Helmhold hier den Staatshaushalt verteidigt. Wirklich: Die Welten ändern sich. Da kann ich mir einen Teil meiner Argumentation schon fast sparen.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Da kannst du mal sehen!)

Ganz herzlichen Dank für diesen Beitrag!

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Ganz neue Koalitionsaussichten!)

Ich habe Ihnen bei der ersten Beratung schon nahegebracht, dass ein Grundrecht auf Mobilität hier insinuiert und erfunden werden soll. Es existiert nicht, um das sehr deutlich zu sagen. Grundrechte sind etwas anderes. Da geht es z. B. um Meinungsfreiheit und andere etwas immateriellere Dinge - so sehr aber natürlich auch Mobilität etwas sehr Notwendiges ist.

Ich darf Ihnen erzählen, dass selbst DIE LINKE in ihrem Bundestagswahlprogramm darauf hingewiesen hat, dass es einen Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe gibt. Dieser Zusammenhang wird ja in der Gegenwart auch begleitet, weil jemand, der arbeitslos ist, unter anderem für die Wegekosten zu seiner Fortbildung auch aus Mitteln des SGB III gefördert wird. So schlecht ist es um die Mobilität also nicht bestellt.

(Kreszentia Flauger [LINKE] lacht)

Nun geht es den Antragstellern allerdings nicht alleine um Mobilität, sondern dazu noch um Schwimmbäder, Theater, Sportvereine und Kinos, also um Güter, die zum Teil in den Bereich der rein privatwirtschaftlichen Güter hineingehören. Bei den meisten Kinos ist das der Fall, bei vielen Schwimmbädern auch. Zum Teil geht es allerdings um öffentliche Güter, und zwar um solche, die sogenannte Klubgüter sind, um in der ökonomischen Sprache zu sprechen, nämlich solche, bei denen sich die Nutzer gegenseitig nicht verdrängen, weil der Zugang nicht begrenzt ist, die allerdings öffentlich mitfinanziert werden.

Solche Güter in dieser Weise doppelt zu fördern, wie Sie das vorhaben, ist ökonomisch natürlich außerordentlich problematisch. Denn Sie wollen

den Transferempfängern, die zuvor aus guten Gründen öffentliche Gelder bekommen haben, auf einem anderen Wege generell weitere öffentliche Förderung zuteilwerden lassen.

Es ist wirklich der richtigere Weg, dass wir uns weiter miteinander über die Grundsätze des Transfersystems unterhalten.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Hans-Henning Adler [LINKE]: Mit dieser Argumentation können Sie auch das Blindengeld ab- schaffen!)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Böhlke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute Nikolaustag. Jeder darf sich etwas wünschen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wo ist Ih- re Mütze?)

Im Vorgriff auf die heutige Entscheidung des Landtages haben die Linken vor einiger Zeit einen entsprechenden Antrag eingebracht, der deutlich macht, dass man - flächendeckend in Niedersachsen - eine Sozialkarte einführen will.

Heute hat der Kollege Humke noch einmal betont, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Er hat in seinen Ausführungen gar nicht darauf hingewiesen, dass alle anderen Fraktionen diesem Antrag der Linken nicht folgen, u. a. wegen sehr unsolider Kalkulation der Kosten. Er hat versäumt, darauf hinzuweisen, dass es zur Frage „Angriff an diesem Rednerpult“ sehr wohl ein Einvernehmen im Ältestenrat gegeben hat und dass eine 15-minütige Debatte zu diesem Antrag vereinbart wurde. Das ist absolut kein Grund, sich hier zu echauffieren.