Man sollte Keynes nicht verwerfen, ohne ihn unter neuen Bedingungen ernsthaft ausprobiert zu haben. Was Sie sagen und was hier steht, ist sachlich und historisch falsch; denn die keynesianischen Bemühungen - darin sind wir uns einig - sind in den 80er-Jahren gescheitert, vor allem unter der Regierung Mitterrand in Frankreich, nach den - auch das gehört zur Wahrheit der keynesianischen Politik dazu - großen Erfolgen dieser Politik in den 30er-, 50er- und 60er-Jahren, die dann in den 70er-Jahren unter Schmidt pervertiert wurde und baden ging. Das wirft die wichtige Frage auf, warum etwas, was mehrere Jahrzehnte unbestritten gut funktioniert hat, jetzt nicht mehr funktionieren soll. Auch das ist unbestritten.
Wir kommen dadurch zu der Einschätzung, dass der Hauptfehler der keynesianischen Politik angesichts der Globalisierung oder Kontinentalisierung der Wirtschaft in seiner Beschränkung auf die nationale Ebene liegt. An dieser Stelle aber das Kind mit dem Bade auszuschütten und, weil es national nicht mehr geht, zu sagen: „Das geht überhaupt nicht mehr“, ist ein intellektueller und in der Folge auch politischer Kurzschluss. Das ist die Grundlage dieser Position.
Aber auch bei dem Antrag der SPD-Fraktion fehlt der entscheidende Aspekt bzw. die entscheidende Frage: Wer soll die Lasten tragen, um die Schulden abzubauen? - Wir haben das gestern schon einmal kurz angesprochen und werden dies in der Haushaltsdebatte sicherlich noch ausführlicher tun. Ich verweise nur auf die Vermögensteuer, die man heranziehen müsste, um die Schuldenberge abzubauen. Ich verweise darauf, dass unter der Regierung Erhard der Spitzensteuersatz bei 63 % lag; auch da eröffnen sich große Möglichkeiten der Finanzierung für den Abbau des Schuldenberges. Ich verweise auf den Skandal „Steuervollzug“, auf den jüngst in der Presseerklärung vom 18. Juni 2008 der Gewerkschaftsbund in Niedersachsen hingewiesen hat, der gefordert hat, den Personalmangel in den Finanzämtern zu beseitigen, um die Einnahmen des Landes zu steigern. - Das sind die Verweise auf die Instrumente, um substanziell an dem Schuldenberg zu arbeiten. Das Verweisen auf irgendwelche Verfassungsregeln hingegen hilft an diesem Punkt nicht weiter. Wir müssen an die Geldberge ran, die es in diesem Land gibt, um die Schuldenberge abzubauen. Das ist der Kern unserer Politik.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem Regierungswechsel im Jahr 2003 haben CDU und FDP durch einen konsequenten Konsolidierungskurs die Nettokreditaufnahme von nahezu 3 Milliarden Euro auf 600 Millionen Euro für das Jahr 2008 gesenkt.
Darüber hinaus wurde bereits im Haushaltsjahr 2006 die Norm der Niedersächsischen Verfassung eingehalten, d. h. Kredite wurden ausschließlich für Investitionen aufgenommen. Diese solide Haushaltspolitik wird dazu führen, dass wir 2010 einen ausgeglichenen Haushalt werden vorlegen und mit der Tilgung beginnen können. Dennoch liegt ein Schuldenberg von fast 50 Milliarden Euro vor uns, für den wir Zinsen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro
Die in der Verfassung vorgesehene Ausnahme, dass bei Vorliegen eines gestörten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gegen die Verfassungsnorm verstoßen werden darf, verhinderte diesen Schuldenanstieg nicht. Diese Restriktion hat nicht gewirkt, weil die Ausnahmeregelungen allzu ungenau und ohne Sanktionen waren bzw. sind. Insofern stellt sich mir die Frage - wie z. B. in dem Antrag der Fraktion der Grünen ausgeführt -, ob Konjunkturverläufe und wirtschaftlich-ökologisches Gleichgewicht die richtigen Parameter sind.
Wir sind es den zukünftigen Generationen schuldig, Instrumente zu schaffen, die ein weiteres Anhäufen von Schulden ein für allemal verhindern. Wir wollen mit unserem Entschließungsantrag eine Initialzündung setzen und damit einen Umdenkungsprozess und Mentalitätswechsel auch in diesem Landtag erreichen. Die Debatte zeigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Allerdings ist Bedenkenträgerei nicht das richtige Rezept in diesem Kontext.
Wir bauen zunächst einmal auf die Ergebnisse der Föderalismuskommission II, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein für Bund und Länder geltendes, verfassungsrechtlich abgesichertes Neuverschuldungsverbot zu entwickeln. Nach dem bisherigen Informationsstand sind die bisher erarbeiteten Regelungen vage, sie werden sogar als „mutlos“ bezeichnet. Knackpunkte dabei sind: Das absolute Verschuldungsverbot wird insbesondere auf Betreiben der SPD zu einer sogenannten Defizitgrenze aufgeweicht. Schwierig wird der Umgang mit den Altschulden. Richtig ist, dass ein Verschuldungsverbot nur wirkt, wenn diese Frage geklärt ist. Zum Umgang mit Kassenkrediten wird überhaupt nichts gesagt.
Offen ist auch noch die Frage der partiellen Steuerautonomie, d. h. Länderautonomie beim Regeln der Steuern, sowie der Organisation der Steuerverwaltung, ob zentral oder dezentral. Ich favorisiere die Länderkompetenz.
Vor dem Hintergrund dieser strittigen Diskussion kommen natürlich Zweifel auf, ob es tatsächlich gelingt, noch in diesem Jahr, bis zum Herbst, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Verschuldungsverbot für Bund und Länder zu schaffen.
nah eine verfassungsrechtliche niedersächsische Lösung mit Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD und den Grünen, zu erarbeiten. Wir haben Sie dazu eingeladen. Wir gehen davon aus, dass Sie Ihre finanzpolitische Verantwortung wahrnehmen werden und uns zu der erforderlichen Zweidrittelmehrheit verhelfen. Dieses Ansinnen ist alles andere als populistisch, sondern ein Gebot der Stunde.
Selbstverständlich kann dies nur der Beginn sein. Von Durchpeitschen kann überhaupt keine Rede sein. Natürlich müssen wir über Ausnahmetatbestände nachdenken, z. B. bei Notlagen wie Naturkatastrophen usw.
Ich würde mich darüber freuen, wenn es uns gelänge, auf der Basis unseres Antrags eine gemeinsame Vorgehensweise zu finden. Ausgeglichene Haushalte, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen die Regel sein; denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt diesen Antrag außerordentlich; denn der Ministerpräsident und ich kämpfen in der Föderalismuskommission II gerade darum, bundesweit ein Verschuldungsverbot durchzusetzen. Wir sind nämlich grundsätzlich der Meinung, dass jede Generation mit dem auskommen muss, was sie sich selbst erwirtschaftet hat.
Auf Kosten zukünftiger Generationen zu leben, ist ethisch nicht vertretbar. So wie wir heute in Niedersachsen jeden Tag 7 Millionen Euro Zinsen für die Schulden, die unsere Vorgänger gemacht haben, aufbringen müssen, so müssten unsere Nachfolger 7 Millionen Euro plus X für die Schulden aufbringen, die unsere Vorgänger gemacht haben und die wir leider im Moment auch noch machen. Deshalb streben wir an, ab dem übernächsten Jahr im Haushalt überhaupt keine Schulden mehr zu machen.
Wir sind auf einem guten Wege. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Mit 2,3 % haben wir die geringste Kreditfinanzierungsquote seit 1973, also immerhin seit 35 Jahren. Das ist ein Riesenerfolg.
Natürlich kann man über alle möglichen Ausnahmen nachdenken. Ausnahmen werden aber, wie Politiker nun einmal so sind, ausgesprochen fantasievoll umgesetzt. Das haben wir sowohl beim Artikel 115 als auch beim Artikel 71 gesehen. Herr Rickert hat eben völlig zu Recht darauf hingewiesen: Die Kredite von heute sind die Zinsen und damit auch die Steuern von morgen.
Das hört sich zunächst nicht dramatisch an. Ich habe das für die Vergangenheit einmal nachgerechnet: Vor 40 Jahren hatten wir einen Mehrwertsteuersatz von 11 %. Wenn wir keine Zinsen zahlen müssten, könnten wir den Mehrwertsteuersatz von 11 % noch heute haben. Warum? - Der Gesamtstaat zahlt Zinsen in Höhe von 64,7 Milliarden Euro: Der Bund zahlt 38,7 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt, die Länder zahlen 21 Milliarden, und die Kommunen zahlen 5 Milliarden. Das macht zusammen gut 64 Milliarden Euro. Ein Mehrwertsteuerpunkt bringt exakt 8 Milliarden Euro. 64 Milliarden geteilt durch 8 macht
8 Milliarden. Umgekehrt, Herr Bartling, macht 64 Milliarden geteilt durch 8 Milliarden 8. Das heißt, wir könnten 8 Mehrwertsteuerpunkte bei den Bürgerinnen und Bürgern lassen. Wir könnten rechnerisch also heute noch eine Mehrwertsteuer von 11 % haben. Damit hätte wirklich jeder mehr Netto vom Brutto.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie hät- ten sich das Geld auch woanders ho- len können!)
- Man kann immer sagen, dass man sich das Geld woanders holen kann. Hier ist es allerdings besonders plastisch. Bei der Mehrwertsteuer, Frau Kollegin, trifft es eben alle:
diejenigen, die viel Geld ausgeben, und diejenigen, die wenig ausgeben. Deshalb ist es gut, wenn wir es dabei belassen und nicht das machen, was Sie gefordert haben, nämlich Verschuldungsausnahmeregelungen.
40 Jahre haben wir es auf deutschem Boden schon einmal ausprobiert. Das ist doch gescheitert. Ich weiß nicht, weshalb Sie sagen: Lasst es uns doch erst einmal ausprobieren. - Das ist doch gescheitert.
Zur berühmten Umwelt- oder Naturkatastrophe. Die kann man nicht planen. Als Herr Althusmann gesagt hat, es geht zunächst um die Rechtmäßigkeit des Haushaltsplanes, ist er etwas belächelt worden. Er hat aber völlig Recht. Auch wenn es nicht von jedem eingesehen wird, wissen wir heute noch nicht, wie hoch die Steuern am 31. Dezember 2009 sein werden. Das ist unabhängig davon, ob wir im nächsten Jahr eine Nettokreditaufnahme von 250 Millionen Euro oder von null Euro vorsehen. In beiden Fällen kennen wir die Steuereinnahmen noch nicht. Deshalb geht es zunächst um den Haushaltsplan.
Wer will, kann das beim Staatsgerichtshof nachlesen. Ich habe beim Staatsgerichtshof Klage über die Haushaltsführung der damaligen SPDRegierung erhoben, die meines Erachtens verfassungswidrig war. Dort ist mir bescheinigt worden: Nein, nur der Haushaltsplan muss verfassungsgemäß sein; für den Haushaltsvollzug gibt es keine Verfassungsvorschrift. - Deshalb haben Sie so gewirtschaftet und die entsprechenden Schulden hinterlassen.
Zur Konjunkturentwicklung. Manche sagen, der Staat müsse die Konjunktur beeinflussen. Das ist nur schöner Glaube.
Der VW-Konzern hat im Jahre 2007 mit einem Jahresumsatz von 108 Milliarden Euro abgeschlossen. Das ist mehr als viermal so viel wie unser Landeshaushalt mit 23 Milliarden Euro. Der VW-Konzern ist nur ein Konzern. Sie glauben doch nicht, dass wir mit 23 Milliarden Euro die Konjunktur weltweit beeinflussen.
Ich habe es durchrechnen lassen: Wenn wir unsere Hochbaumittel - ich bin auch Hochbauminister - im Haushalt verdoppeln würden, was wir nicht
können, würden wir die Hochbau-Aufträge im Lande Niedersachsen noch nicht einmal um 1 % erhöhen. Dieses knappe eine Prozent würden Sie in der Mittagspause mit erledigen. Damit können Sie die Konjunktur nicht beeinflussen. Glauben Sie bitte nicht daran!