Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, über die Notwendigkeit neuer Schuldenregeln müssen wir hier nicht mehr diskutieren. Die alten Instrumente haben versagt. Wir haben eine gesamtstaatliche Verschuldung von 1,5 Billionen Euro. Das Ganze belastet natürlich einerseits schon die heutigen Haushalte und führt zu enormen Handlungseinschränkungen für die heutige Generation, und es ist andererseits darüber hinaus - das ist noch schlimmer - ein Raubzug durch die Zukunft und ein grober Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit.
Ich meine auch, es gibt keinen wesentlichen Dissens über die Fakten und Analysen, soweit sie im ersten Teil des CDU/FDP-Antrags zusammengestellt worden sind. Einigkeit müsste eigentlich auch darüber herrschen, dass wir für eine neue wirksame Regel in jedem Fall den Verfassungsrang benötigen. Denn, meine Damen und Herren von der CDU, Ihre Drohung mit der einfachgesetzlichen Regelung in der Landeshaushaltsordnung ist wahrlich nichts anderes als ein Papiertiger.
Sie wissen genauso wie wir alle, dass man eine solche Regelung mit einem Federstrich im Haushaltsbegleitgesetz auch wieder beseitigen kann,
Deswegen verwundert mich Ihr Vorgehen. Deswegen frage ich Sie auch: Warum hier dieser Alleingang? Warum wird eine Entscheidung, die schließlich Bedeutung für die nächsten Jahrzehnte haben muss, drei Tage vorher direkt an den Finanzausschuss überwiesen und soll bereits 14 Tage später hier im Plenum entschieden werden?
Warum verweigern Sie denn, meine Damen und Herren, die ausführliche Diskussion im Ausschuss über gleichwertige Alternativen?
Warum haben Sie keine Zeit für eine Debatte um die beste Lösung, obwohl diese Lösung auch in Niedersachsen frühestens nach Erreichung des Haushaltsausgleichs - das soll nach Ihrer Rechnung 2010 sein - benötigt wird?
Und warum - das ist vielleicht die entscheidende Frage - sollen wir hier gemeinsam mit Ihnen ein Endergebnis verabschieden und anschließend sozusagen Ihre Einladung zum Gespräch annehmen?
Meine Damen und Herren, da drängt sich doch in der Tat der Verdacht auf, dass es Ihnen gar nicht um eine wirksame, dauerhafte Lösung geht, sondern dass es Ihnen reicht, wenn Ihnen an den Stammtischen die Kompetenz als brutalstmöglicher Schuldenbekämpfer zugewiesen wird.
Wir haben mit unserem Änderungsantrag das Gesprächsangebot, das wir im Ausschuss schon unterbreitet haben, erneuert und schlagen vor, dass der Landtag eine entsprechende interfraktionelle Arbeitsgruppe einsetzt. Ich habe Ihre Äußerung so interpretiert, dass Sie unserem Änderungsantrag zumindest in diesem Punkt folgen möchten.
Ich würde im Interesse der Sache gern, Herr Kollege Althusmann, den Versuch machen, mit den Grünen-Positionen eine Brücke zwischen den Auffassungen von CDU und SPD zu schlagen. Ich glaube, dass das möglich ist.
(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Dann haben wir ja die Zweidrittelmehrheit! - David McAllister [CDU]: Brückenbau- er!)
Wir sind uns doch im Grunde genommen einig - zumindest sehen die Grünen das in diesem Fall so -, dass eine Schuldengrenze von 0,0 % einzuhalten ist. Die Steinbrückschen 0,5 % - das ist gesagt worden - bedeuten 12 Milliarden Euro. Solche Schuldengrenzen haben einfach die Tendenz, als Mindestbetrag angesehen und ausgeschöpft zu werden. Deswegen finden sie nicht unsere Zustimmung.
Der Unterschied liegt doch im Grunde genommen nur im Zeitraum. Ihre apodiktische Formulierung „strenges Neuverschuldungsverbot“ verlangt ja dieses Ziel für jedes Haushaltsjahr. Wir wollen den sogenannten atmenden Haushalt, der spätestens nach Durchlauf eines Konjunkturzyklus wieder ausgeglichen ist. Dabei geht es uns, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in der Tat nicht um irgendwelche antizyklischen Wirtschaftseffekte. Dazu hat Kollege Briese schon einiges gesagt. Die haben noch nie funktioniert.
Es geht uns darum, eine kontinuierliche, stabile, ausgeglichene und verlässliche Haushaltswirtschaft zu gewährleisten. Wir wollen das nicht nach dem Prinzip „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ immer je nach Konjunkturverlauf machen. Ich glaube, da brauchen wir eine größere Stetigkeit.
Wir sind uns, glaube ich, auch einig, dass wir über die Ausnahmen reden müssen. Sie haben es angesprochen. Interessanterweise findet sich ja in Ihrem Antrag kein Hinweis dazu.
Wir werden auch darüber diskutieren müssen, dass das Land natürlich erst davon reden kann, dass es einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt, wenn das auch für die Mehrheit seiner Kommunen gilt. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Sie können hier nicht einen Schuldenverschiebebahnhof aufmachen und letztlich den Kommunen den Schwarzen Peter übergeben.
Wir kommen bei dieser Diskussion nicht mit Schlagworten aus, sondern wir müssen uns mit den Details des Gesamtkonzepts beschäftigen. Das wird ja auch deutlich, wenn man Ihr angeblich strenges Neuverschuldungsverbot hinterfragt. Die Ausnahmen habe ich schon angesprochen, die Kommunen habe ich angesprochen. Wenn dieses
Verbot gilt, stellt sich doch die Frage: Muss das Land bei den Kommunen sparen, um Neuverschuldung zu vermeiden, und damit letztlich Schulden nur verschieben? Was ist mit den Privatisierungserlösen, die die Landesregierung ja noch reichlich veranschlagt hat? Sie haben materiell auf das Landesvermögen die gleiche Wirkung wie eine Nettoneuverschuldung. Und die vielleicht wichtigste Frage lautet: Wie werden eigentlich Kassenkredite berücksichtigt? Mit Kassenkrediten - das wissen wir - lassen sich jahrelang erhebliche Haushaltsfehlbeträge durchtragen, ohne dass Sie formal eine Neuverschuldung eingehen.
Mein Fazit: Das angeblich so klare und einfache Regelwerk, das Sie hier verkaufen wollen, kann unter Umständen ausgesprochen intransparent und kompliziert sein.
Deswegen noch einmal unser Angebot: Lassen Sie uns diese Dinge vernünftig besprechen! Lassen Sie uns Zeit dafür nehmen! Ich glaube, das dient der Sache und wird letzten Endes das bessere Ergebnis bringen. Selbst wenn es gelingt - deswegen möchte ich Ihren Hinweis auf die halbjährliche Frist noch einmal aufnehmen, Herr Kollege Althusmann -, auf Bundesebene eine entsprechende Regelung im Grundgesetz zu treffen, werden wir nicht umhinkönnen, den Artikel 71 der Landesverfassung entsprechend nachzubessern. Das heißt, die Arbeit müssen wir ohnehin machen. Lassen Sie sie uns jetzt tun!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der Grünen weist zwar vor allen Dingen im Abschnitt II und in der Begründung einige gute Verbesserungen gegenüber dem Entwurf der Koalition auf. Wir lehnen ihn aber trotzdem ab - zum Antrag der SPD-Fraktion sage ich am Schluss noch etwas -, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil er zwei eklatante Mängel aufweist. Diese teilt er mit dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP.
Mein persönlicher Archivar, Herr Schünemann, könnte Ihnen die entsprechenden Belege auf Anforderung ausliefern.
Der gemeinsame Wortlaut der schwarz-gelben Koalition an diesem Punkt lautet - ich zitiere das einmal -:
„Die der derzeitigen Finanzverfassung zugrunde liegende Vorstellung, der Staat könne den Ablauf der Konjunkturzyklen durch fiskalpolitische Maßnahmen entscheidend beeinflussen, hat sich darüber hinaus als unzutreffend erwiesen.“