Protocol of the Session on November 10, 2011

Vielen Dank, Herr Präsident. - Eingangs direkt zu dem Zwischenruf, ich hätte die Mauer doch gar nicht richtig erlebt. Herr Kollege, das ist nicht richtig. Wenn Sie sich mit den Beratungen zu dem Antrag beschäftigt hätten, dann wüssten Sie das.

Ich bin in einem Pastorenhaushalt aufgewachsen, der sehr enge Beziehungen in die damalige DDR hatte, nämlich zu zwei Kirchengemeinden in Flößberg und Wittenberg. Es war mir sehr bewusst, wenn mein Vater von den schwierigen, umfangreichen Kontrollen am Grenzübergang Marienborn und von den Durchsuchungen und Einschüchterungsversuchen durch DDR-Grenzer erzählt hat. Das ist etwas, was man auch als Kind erfasst. Insofern bitte ich Sie sehr, sich mit solchen unqualifizierten Äußerungen zurückzuhalten, Herr Kollege.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Hinsichtlich der Bedeutung von Teilung und Mauer, aber auch von Wiedervereinigung und Einheit in Freiheit kann ich mich nur den Ausführungen der Kollegin Ross-Luttmann anschließen. Frau Kollegin Ross-Luttmann, ich kann Ihnen in diesen Punkten ausdrücklich zustimmen.

(Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU])

Sie haben recht: Nach der umfangreichen Anhörung, auch wenn das Ganze mit den Änderungsvorschlägen dann etwas schnell gegangen ist, hat es durchaus eine Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten des Hauses gegeben. Ich erkenne ausdrücklich an, dass die CDU und die FDP auf viele Vorschläge, die die SPD und die Grünen eingebracht haben, eingegangen sind.

Letztendlich ist es an der Frage gescheitert - das hat der Kollege Nacke bereits im Ausschuss gesagt -, wie wir mit der Bodenreform umgehen.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen, dass es damit an der Frage gescheitert ist, wer 1990 recht hatte. Hatten Kohl und Genscher recht, hatte Michail Gorbatschow recht, hatte George Bush senior recht, hatten Margaret Thatcher und der französische Staatspräsident Mitterrand recht, als sie gesagt haben, diese Bodenreform, die die Eigentumsverhältnisse auf dem Gebiet der ehemaligen DDR fundamental verändert hat, nach 1990 anzutasten, würde zu unglaublichen Unruhen und zu Unsicherheiten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR führen und eine Verunsicherung der heutigen Pächter nach sich ziehen? Deshalb dürfe diese Bodenreform nicht angetastet werden, meinten sie damals. Das, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl unterschrieben. Wir meinen, sie haben damit richtig gehandelt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Professor Zielke, Sie mögen mit Ihrer Aussage recht haben, dass nicht alle Junker, die damals enteignet worden sind, Großgrundbesitzer waren und dass nicht alle von ihnen in Naziverbrechen verstrickt waren; das stimmt sicherlich. Aber ich glaube, dass es jetzt, so viele Jahre nach der Bodenreform, kaum möglich sein wird, herauszufinden, wer von den Familien damals in Naziverbrechen verstrickt war und wer von den Familien den feudalistischen Grundbesitz möglicherweise noch im Kaiserreich unter rechtswidrigen Bedingungen erlangt hat. Alle diese Sachen können Sie nach einer so langen Zeit nicht mehr in einer gerechten Art und Weise herausfinden. Deswegen sind Ihre Bemühungen, Veränderungen an der Bodenreform vorzunehmen, aus unserer Sicht überhaupt nicht hilfreich, sondern höchst problematisch. Deswegen können und werden wir das nicht mittragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sollten den Menschen in der ehemaligen DDR gönnen, jetzt in die Zukunft zu schauen, und nicht dafür sorgen, dass sie erneut Unsicherheiten bezüglich Grund und Boden hinnehmen müssen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Auf den Beitrag des Kollegen Limburg gibt es eine Kurzintervention von Frau Ross-Luttmann. Sie haben das Wort für 90 Sekunden.

Sehr geehrter Herr Kollege Limburg, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, dass wir irgendwann an einen Zeitpunkt gelangen werden, an dem die Frage des Rechtsfriedens Vorrang vor Fragen von Eigentum hat; denn auch die Frage der Rechtssicherheit muss irgendwann abschließend gelöst werden.

Wir sind aber hier an einem Punkt, wo bei der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone nach meinem Kenntnisstand ohne Entschädigung enteignet worden ist. Wir sind an einem Punkt, wo der Bund, der die Vermögensfragen klären müsste, weil die DDR sozusagen in die BRD eingetreten ist, viele Gesetze erlassen hat, die ehemaligen Grundstückseigentümern die Möglichkeit entweder zur Rückübertragung von Grundstücken oder aber einer Entschädigung einräumt. Die Bereiche, die wir heute hier angesprochen haben, also nur die Bereiche, die sich noch heute in öffentlicher Hand befinden - es geht nicht um die Antastung der Bodenreform in Gänze, sondern nur um diesen Bereich -, sollen Alteigentümern zum bevorzugten Erwerb angeboten werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht auch um ein Stück Wiedergutmachung. Es geht auch darum, einen angemessenen Ausgleich zwischen den öffentlichen Interessen auf der einen Seite und den Grundstücksinteressen auf der anderen Seite zu finden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Limburg möchte antworten. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin RossLuttmann, natürlich geht es Ihnen nur um Grundstücke, die sich im Eigentum des Staates befinden. Aber das sagt doch noch nichts darüber aus, wer da gegenwärtig Pächter ist. Das Problem, auf das wir auch schon in den Ausschussberatungen hingewiesen haben, ist doch, dass gegenwärtige Pächter dieses Landes aus der Sicht der SPD und der Grünen zu Recht eine große Unsicherheit, eine große Unruhe verspüren, wenn solche Anträge, die Sie hier einbringen, auf den Weg gebracht werden, weil sie erneut darum zittern müssen, ob das Land, das sie bewirtschaften, auch zukünftig ihnen als Lebensgrundlage dienen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Kauf bricht nicht Pacht!)

Zu dem weiteren Aspekt, Frau Kollegin: Auch wenn Sie in den Ausschussberatungen etwas anderes gesagt haben: Es ist nun einmal so, dass Sie die Nr. 6 Ihres Antrags nicht verwirklichen können, ohne gegen das Zusatzprotokoll des Zwei-plusVier-Vertrages zu verstoßen. Wir meinen, dass dieser Zwei-plus-Vier-Vertrag, der diesem Land die Einheit in Freiheit gebracht hat, in keinem Unterpunkt und keinem Zusatzprotokoll angetastet werden sollte, auch nicht von der CDU/FDP-Mehrheit im Niedersächsischen Landtag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.

Ich halte Sie damit einverstanden, dass wir zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/4171 abstimmen, dann gegebenenfalls über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der Grünen in der Drs. 16/4179 und gegebenenfalls zuletzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/4171 zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer

enthält sich? - Das Zweite war die Mehrheit. Dem Änderungsantrag wurde nicht gefolgt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer dem gemeinsamen Änderungsantrag in der Drs. 16/4179 zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Zweite war die Mehrheit. Dem Änderungsantrag wurde nicht gefolgt.

Daher kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 21:

Abschließende Beratung: Menschen in Südniedersachsen vor Fluglärm durch den Regionalflughafen Kassel schützen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4043 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/4113

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Damit kommen wir zur Beratung dieses Antrages. Zunächst hat sich der Kollege Schminke zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Schminke.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Neubau des unsinnigsten Flughafens der Welt, des Flughafens Kassel-Calden, findet leider statt. Die Richter haben so entschieden. Daran konnten auch massive Proteste nichts ändern. An diesem Protest waren neben einer sehr starken Bürgerinitiative auch der gesamte Stadtrat von Hann. Münden und der Kreistag beteiligt.

Nun droht der niedersächsischen Dreiflüssestadt und den umliegenden niedersächsischen Gemeinden weiteres Unheil, nämlich erheblicher Fluglärm, weil geplant ist, die Einflugroute direkt über Hann. Münden verlaufen zu lassen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss mit allen verfügbaren Mitteln verhindert werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen in dem Regionalflughafen Kassel-Calden eine Gefahr, weil dort, wie der Betreiber selbst sagt, über 30 000 Flugbewegungen je Jahr erwartet werden. Bis zum Jahr 2020 sollen es sogar 44 000 Flüge je Jahr werden. Wenn diese dann über unserer Dreiflüssestadt einschweben, möchte ich dort eigentlich nicht mehr wohnen. Zudem will die Logistikbranche den Flughafen mit Nachtflügen nutzen. Außerdem fehlt bislang eine Planung lärmarmer Flugverfahren.

Das ist die Ausgangssituation. Die Menschen vor Ort haben die Hoffnung, dass wir ihre Interessen durch die Ausschöpfung aller rechtlichen und vor allen Dingen aller technischen Möglichkeiten schützen. Wenn es Möglichkeiten gibt, die Siedlungsschwerpunkte durch einen gekurvten Anflug zu umfliegen, dann müssen wir dies konsequent und ohne Wenn und Aber fordern und durchsetzen, meine Damen und Herren.

Wir wissen, dass es mehrere Anflugvarianten gibt. Deshalb fordern wir unter Nr. 1 unseres Antrags eine Flugroute, die nicht zu einseitigen Belastungen Niedersachsens führt. Die Landesregierung ist gefordert, mit den Hessen ein ernstes Wort zu reden; denn es kann und darf nicht sein, dass Hessen die „Vorteile“ des Flughafens nutzt, Niedersachsen hingegen sämtliche „Nachteile“ zu erleiden hat.

(Zustimmung bei der SPD - Wilhelm Hogrefe [CDU]: In Kassel regieren doch die Genossen, oder?)

Unser Ministerpräsident ist gefragt - er ist leider nicht da, aber Sie mögen das bitte weitergeben -,

(Zurufe von der CDU: Wir sagen ihm das!)

sich persönlich zu kümmern, wenn es darum geht, zum Schutz der Menschen in Südniedersachsen besondere Flugrouten festzusetzen. Niedersachsen wird sonst Schaden erleiden, und es ist die Aufgabe des Ministerpräsidenten, Schaden von seinem Land und den Menschen abzuwenden. Darum möchte ich ihn persönlich bitten.

Wir brauchen den gekurvten Anflug und auch den gekurvten Abflug, aber wir brauchen auch die technisch beste Variante für lärmmindernde Flugverfahren. Diese Forderung findet sich in Nr. 2 unseres Antrags.

Außerdem möchten wir aktiv mitbestimmen können, meine Damen und Herren. Daher brauchen wir die Beteiligung der von Fluglärm betroffenen niedersächsischen Kommunen in der Fluglärmschutzkommission. Das ist uns besonders wichtig.

Diese von mir beschriebenen Ziele werden im Übrigen von allen Menschen in Südniedersachsen unterstützt. Es geht um die Lebensqualität einer Region. Es geht um die Mitbestimmung und Beteiligung an Prozessen, die unmittelbar auf die Lebensqualität der Menschen einwirken.