Protocol of the Session on November 9, 2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Filiz Polat [GRÜNE]: Ein bisschen parlamentarische Kritik wäre auch ganz schön gewesen!)

- Verehrte Frau Kollegin Polat, entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht habe dazwischenreden lassen.

Frau Polat, Sie haben jetzt die Gelegenheit. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schünemann, der vorliegende Gesetzentwurf ist aus unserer Sicht völlig ungenügend;

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

denn er beschränkt sich im Wesentlichen auf die Erhöhung der Kostenerstattungspauschale. Das wurde hier schon gesagt. Die Landesregierung hat hiermit ein Rudiment eines Gesetzentwurfes vorgelegt. Sie berücksichtigt in keiner Weise die Forderungen der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, des Flüchtlingsrates, internationale Konventionen oder die Anforderungen an europäische Richtlinien. Sie ignoriert völlig die Proteste im Land zur menschenunwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen in Gemeinschafts- oder - Herr Hiebing, die haben Sie vergessen - Obdachlosenunterkünften. Es sind Kinder mit ihren Familien in Obdachlosenunterkünften untergebracht. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Meine Fraktion hat bereits im Juni 2010 einen wesentlich umfänglicheren Gesetzentwurf zur Ände

rung des Aufnahmegesetzes eingebracht, um endlich angemessene Rahmenbedingungen für die Unterbringung von Menschen in Niedersachsen zu schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen ein grundlegend anderes System - ein System, das die dezentrale Unterbringung in Privatwohnungen zur Regel macht und Abschied nimmt von zentraler Unterbringung in Asylbewerberheimen und Gemeinschaftsunterkünften sowie von einem verfassungswidrigen Asylbewerberleistungsgesetz. Ein Anfang ist gemacht. Immer mehr Gemeinschaftsunterkünfte werden geschlossen. Im Rahmen unserer Bereisung „Endstation Asylbewerberheime - Nein danke“ zeigen wir, dass es auch anders geht und die Kommunen, die dezentral unterbringen, über mehr Geld in der Kasse verfügen, Herr Minister.

(Die Rednerin hält eine mit „Asylbe- werberheime? Nein danke!“ über- schriebene Landkarte hoch)

Wir haben eine Karte erstellt. In allen Landkreisen, die hier grün schraffiert sind, gibt es keine Gemeinschaftsunterkünfte mehr. Dort wird dezentral in Wohnungen untergebracht. In den rot schraffierten Landkreisen - es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD - gibt es noch Gemeinschaftsunterkünfte oder Obdachlosenunterkünfte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Menschen, die zu uns flüchten, so schnell wie möglich die Teilhabe am sozialen Leben ermöglichen und auf diese Weise ihre Integration voranbringen, denn das fördert Eigeninitiative, Selbstvertrauen und den Spracherwerb, und sie sollen raus aus immer noch vorhandenen Containern, schimmeligen Gebäuden und überfüllten Zimmern; denn die Menschenwürde, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unantastbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Schünemann, es kann nicht sein, dass es in Niedersachsen Standards zur Unterbringung gibt, die mit 6 m² Bodenfläche der Tierschutz-Hundeverordnung entsprechen.

(Zuruf von der CDU: Das ist besser als das hier!)

Personen mit besonderen Bedürfnissen wie unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderung, Schwangere, Alte oder Traumatisierte sollten

schon gar nicht in solchen Einrichtungen untergebracht werden. Wir haben diese Gruppen in unserem Gesetzentwurf ausdrücklich erwähnt und orientieren uns hier - im Gegensatz zu Ihnen - an den Anforderungen der Aufnahmerichtlinie der Europäischen Union.

Bei der Verteilung auf die Kommunen wollen wir flexiblere Zuweisungsregelungen, wir wollen die familiäre Bindung, muttersprachliche Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten sowie weitere integrationsfördernde Aspekte berücksichtigen. Das alles lässt der Gesetzentwurf der Landesregierung vermissen. Lediglich die Pauschalen sollen erhöht werden. Das reicht nicht aus, und das werden wir in der weiteren Debatte auch deutlich machen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Beitrag kommt von Frau Zimmermann für die Fraktion DIE LINKE. - Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem, was uns hier als Gesetzentwurf zur Änderung des Aufnahmegesetzes vorliegt, soll anscheinend der Eindruck erweckt werden, dass der Landesregierung an einer strukturellen Verbesserung der Lebensbedingungen der hier lebenden Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber gelegen ist.

Ich will nicht so negativ anfangen: Es ist durchaus zu begrüßen, dass sich die Landesregierung im Hinblick auf die finanzielle Ausstattung der Kostenträger auf die Kommunen zu bewegt, aber das ist auch sehr nötig. Wir müssen einmal zurückblicken: Im Jahr 2004 hat es das letzte Mal eine Anpassung gegeben. Das bedeutet natürlich für die Kommunen, dass Kosten durch steigende Unterhaltskosten in den Bereichen der Unterkunft oder der Gesundheit gestiegen sind. Da ist es natürlich zu Mehrbelastungen der Kommunen gekommen, die man so nicht mehr hinnehmen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben es selbst schon gesagt, und es ist auch in Ihrem Gesetzentwurf erwähnt, dass die kommunalen Spitzenverbände das als völlig unzureichend empfinden und es um die durchschnittlichen Aufwendungen geht, die erbracht werden müssen, und die Kostenpauschale deshalb entsprechend

erhöht werden muss. Das macht aber auch deutlich, wie unwichtig es Ihnen eigentlich ist, auf die tatsächlichen Bedürfnisse einzugehen.

Ich sage ganz ausdrücklich: Ihr Änderungsentwurf ist wieder einmal nur ein superkleiner Schritt, der an den prekären Unterbringungsmöglichkeiten und an der Lebenssituation der hier lebenden Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber nichts Nennenswertes ändert. Das aber genau muss hier passieren; Veränderungen sind hier absolut nötig. Es ist von meinen Kollegen Frau Polat und Herrn Bachmann schon angesprochen worden, dass die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften mit Humanität gar nichts zu tun hat. Wir haben einige Ereignisse gehabt, z. B. in Meinersen. Wer das verfolgt und sich vor allen Dingen einmal dorthin begeben und geguckt hat, was da los ist, der weiß, dass das mit Menschlichkeit gar nichts mehr zu tun hat.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Filiz Polat [GRÜNE])

Das hat auch nichts mit Integration zu tun. Man muss auch einmal ganz klar sagen: Das ist eine von Ihnen politisch verordnete soziale Isolation der Menschen, die dort leben. Hinzu kommt, dass es zwar - ideologisch betrachtet - so gewollt ist, aber eine dezentrale Unterbringung preiswerter ist. Wir haben das in unseren Diskussionen während der Haushaltsberatungen deutlich gemacht. Der Landesrechnungshof hat 2008 gesagt, dass 800 000 Euro mit dezentraler Unterbringung gespart werden können. Das sollten wir einmal tun.

Ich will an dieser Stelle Herrn Oetjen ansprechen. Ich finde den Zehn-Punkte-Plan Ihrer Fraktion wirklich klasse. Wir sind bereit, Ihnen bei der Umsetzung zu helfen. Das ist doch gar keine Frage. Herr Oetjen, ich finde es auch wichtig, dass Sie an dieser Stelle bereit sind, einmal über den ideologischen Tellerrand zu blicken.

(Zustimmung von Hans-Henning Adler [LINKE])

Das Asylbewerberleistungsgesetz muss strikt abgeschafft werden, weil es sich um ein Schikanierungsgesetz handelt und nichts anderes. Das beinhaltet z. B. das Sachleistungsprinzip, das mit Menschlichkeit überhaupt nichts zu tun hat. Da geht es um Ausgabe von Kleidung oder Nahrungsmittelpaketen oder auch von Gutscheinen.

Das sind Punkte, die Sie sich vornehmen und die Sie bearbeiten sollten. Dann kommen wir in Niedersachsen tatsächlich auch zu einer humanitären

Politik, was Ausländerinnen und Ausländer sowie Flüchtlinge angeht, und wir kommen zu einer wahren Integration, die hier absolut nötig ist.

Ich möchte Sie bitten - das ist mein letzter Satz -, in Zukunft nicht mehr mit solchen lauen Gesetzentwürfen daherzukommen, die uns nicht weiterbringen und inhaltlich der Sache nicht dienen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner kommt Herr Oetjen für die FDP-Fraktion zu Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist hier schon angesprochen worden: Bei dem Gesetzentwurf, der uns von der Landesregierung vorgelegt wurde, geht es um ein technisches Gesetz,

(Filiz Polat [GRÜNE]: Leider!)

bei dem es darum geht, Kostenpauschalen und Personengruppen zu betrachten. Das hat der Kollege Hiebing hier auch sehr richtig dargestellt.

Es ist angesprochen worden, dass die kommunalen Spitzenverbände die Gelegenheit der Anhörung durch die Landesregierung genutzt haben, um eine Stellungnahme abzugeben. In dieser Stellungnahme haben sie positive und negative Punkte angesprochen, wie es, glaube ich, ganz normal ist.

Die kommunalen Spitzenverbände sagen ganz klar: Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf, er geht in die richtige Richtung. Insbesondere die Anpassung der Pauschalen, die an die Kommunen gezahlt werden, ist dringend notwendig und wird daher begrüßt.

Insofern können wir hier zunächst einmal feststellen, dass die Landesregierung etwas macht, was die Kommunen finanziell entlastet und was die kommunalen Spitzenverbände begrüßen. Das sollten wir gemeinsam feststellen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben natürlich auf der anderen Seite auch die negativen Punkte, die der Kollege Bachmann hier aufgezählt hat. Wir werden sicherlich in der Anhörung mit den kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam darüber diskutieren, ob die positiven oder die negativen Punkte überwiegen. Ich denke aber,

wenn ein Gesetzentwurf grundsätzlich begrüßt wird, wären die kommunalen Spitzenverbände eher dagegen, den Gesetzentwurf wieder auf Eis zu legen.

Ich will auch etwas zum Thema der zentralen Unterbringung sagen. Ich möchte hier betonen, dass wir in der FDP-Fraktion der Überzeugung sind, dass in den Landesaufnahmebehörden gute Arbeit geleistet wird.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Ulf Thiele [CDU])

Dort wird im Sinne der Integration von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dem Rahmen, der ihnen zur Verfügung steht, gute Arbeit geleistet. Dennoch sind wir der Überzeugung, dass ein Mehr an dezentraler Unterbringung natürlich der richtige Weg ist. Wir freuen uns über jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt,