Ferner haben wir darüber diskutiert, dass wir auch eine Verpflichtung haben, die Flüchtlingslager in Ägypten und Tunesien an der Grenze zu Libyen und die dortigen Regierungen direkt zu entlasten. Sie können noch so viel von außenpolitischer Solidarität mit Ägypten und Tunesien sprechen - Sie müssen diesen Ländern auch dabei helfen, mit den großen Flüchtlingsströmen umzugehen. Allein Ägypten hat 300 000 Flüchtlinge aus Libyen aufgenommen. Tunesien hat eine halbe Million Flüchtlinge aufgenommen. Dann können Sie uns doch nicht erzählen, dass es eine tolle Aktion ist, neun Flüchtlinge aus Malta aufzunehmen!
Tunesien und Ägypten müssen entlastet werden. Es handelt sich dort um Flüchtlinge, die, wie zu Recht gesagt worden ist, vom UNHCR schon als schutzbedürftig anerkannt worden sind. Es sind Somalier und Eritreer. Ich möchte jetzt nicht mehr darauf eingehen, was in Somalia los ist.
Diese Menschen können nicht nach Libyen und auch nicht nach Somalia zurückkehren. Sie müssen eine alternative Chance bekommen. Das geht, glaube ich, nur in Europa.
Auch Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE hat jetzt anderthalb Minuten für eine Kurzintervention. Bitte sehr, Herr Adler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, mich hat ein bisschen irritiert, wie Sie das Schicksal der Flüchtlinge hier darzustellen versucht haben. Sie haben hier gesagt, das seien Menschen, die nach Europa kämen, um ein besseres Leben zu haben. Das ist aber nicht das Problem, das diese Menschen haben. Es geht ihnen nicht um ein besseres Leben, sondern ums Überleben.
Bürgerkriegsflüchtlinge und solche, die, wie Frau Polat eben zu Recht gesagt hat, aus Ländern wie Somalia kommen, haben gar keine andere Wahl.
Herr Kollege Adler, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich zum Beitrag von Herrn Focke gemeldet haben.
Das habe ich eben getan, indem ich auf seine Bagatellisierung hingewiesen habe. Das habe ich deutlich gemacht. Außerdem habe ich zustimmend Frau Polat zitiert.
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Für Flüchtlinge gibt es ein Regelwerk, das Sie eben angesprochen haben, nämlich das Dubliner Abkommen. Dieses Regelwerk ist aber völlig unzureichend; denn es löst folgendes Problem nicht:
Die Länder, die wie z. B. Griechenland oder Italien am Rand Europas liegen, sind immer diejenigen, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen müssen. Dann heißt es: Diejenigen Länder sind für die Asylverfahren zuständig, in denen die Flüchtlinge zum ersten Mal aufschlagen. Die anderen Länder, die weiter weg liegen, befinden sich dann in einer bequemen Position.
Dieses Problem lösen Sie nicht, wenn Sie es immer wieder nur auf diese Länder abschieben. Die sind damit nämlich objektiv überfordert. Deutschland müsste Hilfe leisten und nicht nur die paar Flüchtlinge aufnehmen, die hier angesprochen worden sind.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Wir bleiben dabei: Zunächst muss festgelegt werden, aus welchen Gründen Menschen flüchten. Das ist sicherlich klar, was die Bürgerkriegsflüchtlinge angeht. Sie haben die Somalier und Eritreer angesprochen. Das sind anerkannte Flüchtlinge. Aber auch hier können weder Deutschland noch Niedersachsen einen alleinigen Weg beschreiten, sondern wir müssen immer im Kontext mit den anderen europäischen Staaten handeln.
Jetzt möchte ich noch etwas zu Herrn Adler sagen. In den letzten Wochen haben wir vermehrt Hinweise darauf bekommen - ich gehe davon aus, dass auch Sie die Presse lesen -, dass Gaddafis Schleppertruppen die Boote mit unfreiwilligen Menschen vollgestopft und diese gezwungen haben, aus dem Land auszureisen und in Richtung Lampedusa zu fahren, um die Situation für die EU zu verschärfen. Ich beziehe mich z. B. auf die Neue Zürcher Zeitung.
Das heißt, hier wird kriminell gehandelt. Die Menschen werden missbraucht und auf Reisen geschickt, auf die sie gar nicht gehen wollen. Auch das muss untersucht werden. Das ist nicht die einzige Zeitung, die in den letzten Tagen darüber berichtet hat.
Einen letzten Satz noch: Sie haben gesagt, Italien, Griechenland und andere Länder nähmen besonders viele Flüchtlinge auf. Ich nenne Ihnen einmal die aktuellen Zahlen, die Sie aber auch schon in der Landtagsdrucksache finden. Frankreich ist auf Platz 1 mit 52 000 Flüchtlingen pro Jahr, Deutschland auf Platz 2 mit 48 000 Flüchtlinge und Italien auf Platz 9 mit 10 000 Flüchtlingen. Bleiben wir bei der Wahrheit!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Focke, das war ein plumper Ablenkungsversuch, den Sie eben unternommen haben,
als Sie Gesamtzahlen von Zuwanderung ins Verhältnis setzen wollten. Hier geht es konkret um die Menschen, die in den Umbruchstaaten hoffentlich auf dem Weg zur Demokratisierung in Nordafrika leben. Dort geht es nicht um die Bürger dieser Staaten, sondern um Flüchtlinge - da ist Kollegin Polat wegen der Redezeit nicht mehr fertig geworden -, die aus Somalia, dem Sudan, Eritrea und vielen anderen Staaten kommen und dort - überwiegend in Tunesien und Ägypten - zurzeit in hoffnungsloser Lage verharren. Für sie müssen wir humanitäre Lösungen erreichen.
Was wollen Sie eigentlich noch abwarten? - Bis Ende Juni gab es schon fast 1 900 Tote auf dem Mittelmeer. Wissen Sie, ich drücke hier nicht auf die Tränendrüsen; aber mich bewegt es, wenn im Fernsehen dramatische Bilder von einem untergehenden Schiff zu sehen sind, von dem nur eine Hochschwangere gerettet werden kann, während vor laufender Kamera alle anderen ertrinken. Meine Damen und Herren, das ist die Realität auf dem Mittelmeer!
Wir als SPD-Fraktion setzen uns schon seit Langem für eine gerechte Beteiligung Deutschlands an Resettlement-Programmen ein. Hier müssen sie greifen. Wir können die Anrainerstaaten des Mittelmeers - Inseln wie Malta sowie Italien, Spanien und insbesondere auch Griechenland - nicht allein mit der Problemlösung betrauen.
Worum geht es in dem Antrag der Linken? - Das ist doch kein Antrag, in dem steht „Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid“, sondern ein Antrag, der zur Lösung eines akuten Problems beitragen will und der dieses Parlament auffordert - und dazu sind Sie nicht bereit -, seine parlamentarische Pflicht zu erfüllen, diese Landesregierung im Konzert aller Bundesländer und in der EU zum Jagen zu tragen.
Wir haben nicht abzuwarten, sondern wir wollen als Oppositionsfraktionen einen konstruktiven Beitrag für eine gerechte europaweite Lastenverteilung erreichen. Darum geht es bei Resettlement, und darum geht es bei der konkreten Situation im Mittelmeerraum.
Die Kollegin Zimmermann hat schon angesprochen, dass hier am Welttag der Flüchtlinge eine Petition überreicht wurde. Dabei waren die Kollegin Polat, die Kollegin Leuschner und ich anwesend. Die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion habe ich bei der Übergabe dieser Petition nicht gesehen, obwohl sie eingeladen waren.
- Ja, wir haben selbstverständlich keine in Bütten gehämmerte Einladung bekommen. Wir haben uns informiert. Das war angekündigt.
Wir wissen auch, dass viele Städte bereits Beschlüsse gefasst haben, sich an solchen Aufnahmeprogrammen zu beteiligen. Die Institutionen, die an diesem Tage im Landtag waren, waren z. B. kargah und der Niedersächsische Flüchtlingsrat, aber auch die Organisation save me, der viele Städte angehören, u. a. Hannover und Göttingen.
Insgesamt 56 Städte haben mittlerweile kommunale Beschlüsse gefasst: Wir würden Kontingente aus humanitären Gründen aufnehmen.
Die Bereitschaft an der Basis ist da - durch Beschlüsse von kommunalen Vertretungen. Und Sie ermöglichen es nicht - das ist Ihr Parlamentsverständnis -, durch einen Parlamentsbeschluss diese Landesregierung aufzufordern, zu solchen konstruktiven Lösungen in Europa, in Deutschland und in den Bundesländern beizutragen.
Zu dieser Petition ist dem Innenausschuss eine Stellungnahme des Innenministers zugeleitet worden. Ich habe mir, mit Verlaub, gestattet, diese Stellungnahme im Innenausschuss als perfide zu bezeichnen. Ich zitiere einmal einen Satz - verantwortlich ist übrigens Herr Schünemann -: Umfangreiche Aufnahmeaktionen helfen zwar den Menschen, die das Glück hatten, ausgesucht zu werden. Die anderen hingegen - und damit die überwiegende Mehrheit - bleiben zurück. - Das ist der Grund, warum man keinen Beitrag leisten will nach dem Motto „Dann helfen wir gar keinem; lassen wir sie doch alle da“.