Protocol of the Session on September 14, 2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dass wir heute Morgen über dieses Thema diskutieren, ist darin begründet, dass es Befürchtungen gibt, dass dieser Wert zum Jahresende überschritten werden könnte. Es ist mitnichten der Fall, dass - wie es bei meinen Vorrednern anklang - dieser Wert schon überschritten ist. Er könnte bei normalem Verlauf bis zum Jahresende überschritten werden.

Das gesamte Transportbrennelementelager in Gorleben, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird umfassend überwacht. An über 50 Messpunkten wird die Ortsdosis der Gammastrahlung erfasst. An elf Messpunkten stehen Sonden für die Neutronenstrahlung, zwei Messpunkte gibt es für Aerosole, und Bodenproben werden an elf Standorten genommen, Milch wird an vier Standorten untersucht und Futtermittel an acht Standorten. Das NLWKN, von dem vorhin schon die Rede war, hat für das erste Halbjahr 2011 einen Wert von 0,141 mSv ermittelt. Wenn man das auf das ganze Jahr hochrechnet, dann könnten es am Ende 0,32 mSv werden, was den festgelegten Grenzwert von 0,3 mSv eindeutig überschreiten würde. Dieser Grenzwert - ich wiederhole das gerne - ist einzuhalten, und der Betreiber, die Gesellschaft für Nuklearservice, kurz: GNS, ist aufgefordert, dafür umgehend in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde, dem NMU, zu sorgen.

Aber nach den teilweise sehr unsachlichen Aussagen meiner Vorredner will ich heute Morgen - ich tue das genauso wie Herr Herzog gleich mehrfach - ein paar Fakten zusammentragen, die den jetzt gemessenen Wert in einen größeren Zusammenhang stellen. Das halte ich für dringend geboten; denn ich befürchte, dass in dem Nebel, den Linke, SPD und Grüne hier heute Morgen haben aufziehen lassen, einige die Orientierung verlieren könnten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Erster Punkt. In Deutschland gibt es wie überall auf der Welt eine natürliche Strahlung, die völlig unabhängig von der Kernenergie auftritt und mit der schon die Höhlenmenschen und auch die Neandertaler gelebt haben. Die natürliche Strahlung, wie sie von der Strahlenschutzkommission angenommen wird, beträgt 2,4 mSv pro Jahr. Ich will das einmal als Hintergrundstrahlung definieren.

Zweiter Punkt. In meiner Nachbarstadt, in Bad Iburg, keine zehn Kilometer von meinem Haus entfernt, steht eine der 1 800 Messstationen des Bundesamtes für Strahlenschutz, wo die Ortsdosisleistung für die Gammastrahlung gemessen wird. Diese Werte kann jedermann - jeder von Ihnen, auch jeder von den Besucherinnen und Besuchern - jeden Tag über das Internet abrufen. Diese Werte werden in Mikrosievert pro Stunde angegeben. Wer aber ein bisschen mit Mathematik zu tun hat, der kann das in Millisievert pro Jahr umrechnen. Dann ergibt sich für meine Nachbarstadt, für Bad Iburg, eine Hintergrundstrahlung von 0,76 mSv pro Jahr. Dieser Wert, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist höher als der Wert in Höhbeck in der Nähe von Gorleben.

Dritter Punkt. Die sogenannte unbedenkliche Ortsdosisleistung, die ein Mensch zusätzlich zu der natürlichen Hintergrundstrahlung erhalten kann, beträgt laut Strahlenschutzverordnung 1 mSv pro Jahr.

Vierter Punkt. Der Grenzwert für die Zwischenlager an den Standorten der deutschen Kernkraftwerke beträgt eben diese 1 mSv pro Jahr - nicht mehr und nicht weniger. Er ist damit dreimal höher als der Grenzwert von 0,3 mSv für das Behälterlager in Gorleben.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss man wissen. Ich will das nicht beschönigen, ich will auch nichts schönreden. Aber es gehört zur Wahrheit dazu, dass man das in einen vernünftigen Zusammenhang stellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und da kann ich es, meine sehr geehrten Damen und Herren, überhaupt nicht haben, wenn die linke Seite hier in diesem Haus bei jeder möglichen Chance, die sie sieht, wie ein Pawlowscher Hund reagiert, reflexartig „Skandal“ ruft, aber vergisst, diese Werte in einem vernünftigen Zusammenhang

zu stellen und einmal in Ruhe zu überlegen, was man tun kann.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Der Skandal ist schon da!)

Nein, es geht Ihnen nur darum, den Castortransport abzusagen. Sie wollen erreichen, dass Sie damit ein Thema für den nächsten Landtagswahlkampf haben. Um die Sicherheit der Menschen im Wendland aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es Ihnen nach meiner Auffassung überhaupt nicht.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist eine Frechheit! Unglaublich! - Johanne Modder [SPD]: Sie sollten sich schämen!)

Ich erteile dem Kollegen Dr. Hocker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grenzwerte müssen eingehalten werden, egal, wie hoch oder wie niedrig sie sind. Darüber besteht in meiner Fraktion bei niemandem auch nur der Hauch eines Zweifels,

(Zuruf von Kreszentia Flauger [LINKE])

erst recht nicht, liebe Kollegin Flauger, wenn es um ionisierende Strahlung am Zaun des Behälterzwischenlagers in Gorleben geht.

Als Grenzwerte für die Strahlenbelastung am ungünstigsten Punkt am Zaun des Betriebsgeländes wurden 0,3 mSv definiert. Der Eintragwert beträgt 0,20 mSv pro Jahr. Diese Grenzwerte, meine Damen und Herren, sind für uns, für meine Fraktion unverrückbar.

Um sie aber in das richtige Verhältnis zu setzen, muss man wissen, dass im Umfeld eines Kernkraftwerks ein Grenzwert von 1,0 mSv definiert worden ist. Schließlich ist es, um diese Werte richtig einordnen zu können, auch wichtig zu wissen, dass bei jedem Flug von Frankfurt nach New York die Hälfte der gesamten Strahlung, die an einem Kernkraftwerk auf die Menschen einwirkt, auf die Fluggäste einwirkt. Das heißt, um diesen Grenzwert zu erreichen, müsste man 365 Tage und Nächte am Zwischenlager in Gorleben ausharren.

Wie gesagt: Grenzwerte sind dazu da, eingehalten zu werden, gerade weil sie niedrig gewählt wurden. Aber um die Bedeutung dieser Werte zu begreifen,

ist es wichtig zu wissen, dass wir in anderen Lebensbereichen eine derartige Belastung stillschweigend und ohne Angst in Kauf nehmen, meine Damen und Herren.

Das NLWKN wurde von unserem Umweltministerium mit der Messung dieser Strahlenbelastung beauftragt. Dass die Möglichkeit einer Überschreitung der Grenzwerte zum Jahresende überhaupt festgestellt werden konnte, ist das Verdienst des NLWKN und des Umweltministeriums. Das Frühwarnsystem funktioniert. Das ist eine gute und eine beruhigende Erkenntnis, meine Damen und Herren.

(Kurt Herzog [LINKE]: Das hat wirklich gut funktioniert! - Heiterkeit bei der LINKEN)

Es liegt für mich auf der Hand, warum sich Rot und Grün gerade in diesen Tagen dankbar auf dieses Thema stürzen. Zunächst einmal sollte der eigenen Klientel vor der Kommunalwahl noch einmal so richtig vor Augen geführt werden, wo die wahren Kernkraftgegner dieser Welt stehen. Die stehen natürlich in den Reihen der Grünen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Ur- sula Helmhold [GRÜNE]: Da haben Sie recht!)

Immerhin wurde die Energiewende im Deutschen Bundestag mit den Stimmen von SPD und Grünen verabschiedet. Damit danach aber bloß nicht der Eindruck entsteht, dass es zu viel Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Lager gäbe, versucht Stefan Wenzel nun krampfhaft, das Thema Castortransporte am Leben zu erhalten, und merkt dabei gar nicht, dass er ein totes Pferd reitet.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Damit kennen Sie sich ja aus!)

Meine Damen und Herren, die große Mehrheit der Deutschen betrachtet - ob berechtigt oder unberechtigt, steht auf einem ganz anderen Blatt - das Thema Kernenergie schon jetzt als abgearbeitet. Castortransporte, Zwischenlagerung, Endlagerung sind das Ergebnis der Nutzung der Kernenergie, und die Kernenergie steht in Deutschland vor dem Aus, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Bravo!)

Wer glaubt, vor diesem Hintergrund das Thema Castortransporte weiterhin strategisch pflegen zu müssen, der erkennt nicht, dass er ein totes Pferd reitet und dass er sich jetzt schon mächtig vergaloppiert hat.

Außerdem resultiert die Fülle der Pressemitteilungen, Unterrichtungsersuchen und Anträge der vergangenen Wochen auch noch aus einem anderen, sehr pragmatischen Kalkül. Mein geschätzter Kollege Bäumer benutzt diese Formulierung gerne, aber auch ich hege hier ausnahmsweise einmal einen Verdacht: Mein Eindruck ist, dass es Ihnen vor allen Dingen darum geht, den Castortransport möglichst kurz vor der Landtagswahl 2013 stattfinden zu lassen, am liebsten im November oder gar Dezember 2012, weil Sie sich davon Rückenwind für Ihren Wahlkampf versprechen. Sollte das tatsächlich der Fall sein, gebe ich dem Kollegen Wenzel einen freundschaftlichen Hinweis: Gewählt werden Politiker nicht dafür, dass sie sich um die Aufarbeitung der Vergangenheit kümmern, gewählt werden sie für ihren Gestaltungswillen für die Zukunft.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das können Sie verhindern, indem Sie die Landtagswahlen vorziehen!)

Deswegen: Kommen Sie endlich in der Gegenwart an, lieber Herr Kollege Wenzel!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bevor ich dem Kollegen Tanke das Wort erteile, möchte ich noch einen Verfahrenshinweis geben. Mit Blick auf die Fünfminuteneinheit der einzelnen Beiträge der Redner bitten wir hier oben um schriftliche Wortmeldungen, weil es sonst etwas schwierig ist. Ich sage das auch in Richtung des Kollegen Herzog, weil er hier vorn gesagt hat, er möchte dann für alle noch einmal Fünfminuteneinheiten.

(Kurt Herzog [LINKE]: Der Kollege hat gesagt: Das reicht so!)

- Ja, aber ich bitte alle diejenigen, die hier reden wollen, hier vorn schriftliche Wortmeldungen abzugeben. Das erleichtert uns die Übersicht. - Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde behandeln wir auch das Thema „Gorleben vor dem Aus!“. Ich will dazu etwas sagen. Zunächst möchte ich aber die Forderung meines Kollegen Bosse bekräftigen, den Castor zu stoppen.

Die Nebenbestimmung 8 der Aufbewahrungsgenehmigung vom 2. Juli 1995 sagt glasklar, dass bei einem Wert von 0,27 mSv pro Jahr der Einlage

rungsbetrieb so lange zu unterbrechen ist, bis die Zustimmung der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde vorliegt. Wir fordern das Umweltministerium auf, Herr Minister Sander, als Aufsichtsbehörde die geltende Rechtslage nicht länger zu ignorieren, angesichts der Grenzwertüberschreitungen den Einlagerungsbetrieb zu unterbrechen und keine weiteren Castortransporte nach Gorleben zuzulassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Daniela Behrens [SPD]: So ist das!)

Wenn Herr Sander dazu nicht in der Lage ist, trägt die Verantwortung für eine rechtsgültige Entscheidung im Land Niedersachsen der Ministerpräsident. Herr McAllister, dann sind Sie gefordert, die Rechtsgrundlagen einzuhalten und den Castortransport verbindlich abzusagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Thema hat aber mit Blick auf die heutige Presse in der HAZ eine neue Dimension angenommen. Herr McAllister versucht wieder einmal, atompolitisch neu zu starten. Ich weiß nicht, der wievielte Versuch es ist, Herr McAllister, aber der wird Ihnen wahrscheinlich wieder nicht gelingen. Wir alle wissen, dass der Bundesrat im Juni beschlossen hat, unter Einbeziehung von Gorleben nach alternativen Endlageroptionen und geeigneten Formationen in einem transparenten Verfahren zu suchen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Von wem reden Sie?)

Der Ministerpräsident hat bisher immer selbst darauf bestanden, Gorleben müsse zu Ende erkundet werden, und dann müsse man, falls erforderlich, über eine weitere Suche entscheiden. Ein neuer überfraktioneller Konsens auf gesetzlicher Grundlage soll formuliert werden. So hat es auch Herr McAllister am 29. Juni hier formuliert. Sie aber, Herr McAllister, erklären den Menschen in Niedersachsen nicht öffentlich, was Ihre Interessen sind, was Ihre Absichten sind und wie Ihre Meinung eigentlich ist.

Wir haben die CDU/FDP-Landesregierung immer wieder aufgefordert, Verantwortung für Niedersachsen zu übernehmen. Wir haben auch gefordert, Gorleben ob der Erkenntnisse über Salzgestein und Laugenzuflüsse jetzt schon für ungeeignet zu erklären.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)