Protocol of the Session on September 13, 2011

Trotzdem kann man Ihnen aber nicht ersparen, zu sagen: An dieser Umverteilungspolitik haben SPD, auch Grüne, FDP und die CDU sowieso gemeinsam gewerkelt. Das ist die historische Wahrheit. Und deshalb, Frau Modder, ist es übrigens auch so, dass die Linke unentbehrlich ist, um darauf aufzupassen, dass Ihnen das nicht wieder passiert, egal, ob in der Regierung oder in der Opposition. Sie ist in diesem Landtag deshalb unentbehrlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber das Ergebnis ist jedenfalls Lohnabbau, prekäre Beschäftigungen nehmen zu, und gleichzeitig nehmen die überquellenden Konten der Reichen zu. Das speist die Spekulationsmärkte. Nachdem die so getriebene Bankenblase geplatzt war, haben Sie gemeinsam versucht, mit Steuermilliarden nicht die Konjunktur, sondern vor allem die Banken zu retten.

(Heinz Rolfes [CDU]: So einfach ist das nicht) ! Jetzt ist Ihr Pulver verschossen. Die Staaten sind bis über die Halskrause verschuldet. Aber jetzt wollen die unersättlichen Banken und Reichen noch mehr Rettung. Und Sie sind dabei, es Ihnen zu geben. (Reinhold Hilbers [CDU]: Jeder macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt!)

Nun übt Herr Rösler ja gegenwärtig schon einmal die Insolvenz seiner eigenen Partei, indem er über die Insolvenz Griechenlands fabuliert. Frau Merkel lässt ihn offensichtlich zurückpfeifen.

Das Ergebnis dieses ganzen Durcheinanders ist erstens, dass EZB-Chefökonom Jürgen Stark von diesem ganzen Durcheinander die Nase voll hat und hinwirft.

Das Ergebnis ist zweitens, dass Griechenland, Italien und andere Länder von Ihnen, von Ihrer politischen Führung ökonomisch weiter abgedrosselt werden. Herr Thümler, das wird auf die exportorientierte Wirtschaft Niedersachsens durchschlagen. Und für ein Konjunkturprogramm III haben Sie kein Geld mehr. Sie haben Ihr Pulver verschossen. Das ist Ihre Schuld - wegen Ihrer Politik, die Sie getrieben haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Möllring, das Ergebnis wird sein: Ihr Zweijahresplan wird auch bald Möbelergänzungsmaterial für wackelnde Ministersessel sein - mal sehen, für welchen.

Ich sage heute schon - wir behandeln heute ja auch den Zweiten Nachtragshaushalt für dieses Jahr -: Sie werden das toppen. Ich wette drei Kisten Jever darauf, dass es in den nächsten zwei Jahren mindestens drei Nachtragshaushalte dieser Landesregierung gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben das zu Protokoll gegeben. Wenn Sie einschlagen, machen wir den Transfer.

Wenn sich dann, weil die Krise eben wiederkommt, Herr Thümler, die ökonomischen Rahmendaten verschlechtern, wird sich die alte norddeutsche Weisheit bewahrheiten: Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt schwimmt. - Und das werden Sie sein, Herr Möllring.

(Beifall bei der LINKEN)

Viertens. Vor allem ist dies aber ein Haushalt der sozialen Ungerechtigkeit und der Ignoranz des freien Elternwillens. Frau Özkan, die Landesregierung brüstet sich damit, 6,5 Millionen Euro für die Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe bereitzustellen. Mit der gleichzeitigen skandalösen Streichung bei der Kurzzeitpflege spart sie aber gut 8 Millionen Euro ein, wie der Vergleich des Etatansatzes 2012 mit dem in 2010 Veranschlagten zeigt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Netter Buchungstrick!)

Auch bei der Krankenhausfinanzierung soll es in den kommenden Jahren nur geringe Anhebungen geben. Der von der Landesregierung bereits nicht mehr abzustreitende Investitionsstau von 1 Milliarde Euro wird sich dadurch weiter zuspitzen. Sie führen katastrophale Situationen an unseren Krankenhäusern systematisch herbei, Frau Özkan.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Leider, leider!)

In der Bildungspolitik versuchten und versuchen Sie von CDU und FDP weiterhin mit Sturheit und 10 Millionen Euro für die Unterschule, die aus mir unerfindlichen Gründen von Ihnen Oberschule genannt wird, Ihr Selektionsschulmodell zu retten.

Der Elternwille - das zeigt sich an mehreren Punkten - ist ganz anders. Zu Beginn dieses Schuljahres gab es 12 091 Aufnahmewünsche für die IGS. 3 215 davon - fast jeder Vierte - wurden von Ihnen kaltschnäuzig abgelehnt. Das ist das Ergebnis der Kälte Ihrer Selektionsschulpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Althusmann, Sie haben nicht nur die Seriosität bei der Frage des Zitierens von Arbeiten, sondern auch den freien Elternwillen bei der Wahl der Schulen in Niedersachsen faktisch abgeschafft. Das haben Sie gemeinsam mit der Partei der Freiheit gemacht, die auf Freiheit immer mehr Hohnbecher ausgießt.

Der Elternwille wird übrigens auch durch das Volksbegehren für gute Schulen deutlich. Ich selber hatte das große Vergnügen, am Wahlsonntag nach der Abgabe der Stimmen in knapp 2 Stunden über 40 Unterschriften in Vöhrum zu sammeln. Das läuft wie geschnitten Brot. Das Volksbegehren läuft weiter und wird weiter ordentlich steigenden Druck auf die Vernunft in der Bildungspolitik entfalten; da bin ich mir sehr sicher.

Unsere Forderung bleibt bestehen: Wir wollen gleiche Bildungschancen und gleiche Bildung gebührenfrei für alle. Wir wollen die Armut bekämpfen und nicht die Armen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Position wird sich auch verstärken. Wir freuen uns natürlich - nach einer tiefen Verneigung vor den Grünen, die an diesem Wahlsonntag ja nicht zu toppen waren -, dass es seit Sonntag deutlich mehr linke Mandatsträger in den Kommunen als vorher gibt und sich immer mehr herausstellt: Die CDU/FDP-Regierung ist in diesem Lande nur noch eine Minderheitenregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden in der Einzelberatung noch zu den einzelnen Punkten dieses Haushaltsplanentwurfes kommen. Deshalb möchte ich zum Schluss nur noch zwei Punkte betonen, die die wichtige Frage betreffen, wie man denn, wenn das Konzept, das

Sie vorlegen, nicht aufgeht - und es wird nicht aufgehen, Herr Möllring -, Niedersachsens Haushalt sanieren kann. Das sind aus unserer Sicht zwei wesentliche Punkte, nämlich erstens die Frage der gerechteren Steuerverteilung und zweitens die Frage des konsequenten Eintreibens der Steuern.

Zu dem ersten Punkt kennen Sie unsere Position. Ich führe sie nicht im Einzelnen auf. Wir wollen die Wiederinkraftsetzung der außer Kraft gesetzten Vermögensteuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen eine ordentliche Großerbensteuer. Wir wollen die Erhöhung der Körperschaftsteuer. Wir wollen die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Er muss nicht auf das Niveau des Erzkommunisten Ludwig Erhard von 63 % steigen; es reicht das Niveau von Helmut Kohl von 53 %.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen die Einführung einer Transaktionssteuer. Das wäre die Krisenlösung.

Bei diesem ganzen Gerede über Schulden möchte ich auch auf etwas hinweisen, was eigentlich eine Banalität ist. Man traut es sich gar nicht, es auszusprechen. Aber niemand kann über Schulden reden, der nicht auch über die Habenseite und die Vermögensbestände redet, weil es eben nur beides zusammen gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das private Geldvermögen in den Staaten der Eurozone beträgt über 12 Billionen Euro. Die Staatsverschuldung entspricht dem fast, weil die dahinter stehenden Schulden durch Ihre ganze segensreiche Tätigkeit inzwischen überwiegend beim Staat gelandet sind. In Deutschland sind die Verhältnisse übrigens ähnlich. Die Staatsverschuldung beträgt hier 2 Billionen Euro, das Nettogeldvermögen 3,3 Billionen Euro.

Und dieses Vermögen ist - Sie wissen das besser als wir; Sie haben es ja zum Teil in der Tasche - hoch konzentriert. Die reichsten 20 % der Bevölkerung - es werden übrigens immer weniger; das mag einer der Gründe sein, weshalb auch die FDP immer weniger wird - verfügen über mehr als 80 % des Vermögens. Zwei Drittel der Bevölkerung haben hingegen kein oder nur ein sehr geringes Vermögen. Deshalb kommen jetzt ja sogar Reiche selbst auf die Idee, eine Art Reichenvolksbewegung zu gründen - mit der Bitte, sie doch bitte etwas höher zu besteuern, nachdem Sie sie jahrzehntelang niedriger besteuert haben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Die sind eben klüger als die FDP!)

Sie werden diese beiden Pole zusammenführen müssen; sonst werden Sie keine Haushaltssanierung hinbekommen.

Außerdem müssen Sie - das ist der zweite Dreh- und Angelpunkt jeder soliden Haushaltspolitik - damit Schluss machen, dass die Landesregierung jährlich schätzungsweise rund 600 Millionen Euro sprichwörtlich auf der Straße liegen lässt. Der Steuervollzug in Niedersachsen entspricht nicht im Entferntesten den Erfordernissen. Das betrifft vor allem Betriebsprüfungen und die Steuerfahndung. Angaben sowohl von ver.di als auch der Steuergewerkschaft zufolge liegt der Personalbestand in den niedersächsischen Finanzämtern um 12 % - das sind 1 300 Vollzeiteinheiten; gucken Sie nicht so traurig, Herr Dürr! -

(Christian Grascha [FDP]: Das liegt an Ihrer Rede!)

unter der Personalbedarfsberechnung des Finanzministeriums. Folglich lassen sich längst nicht mehr alle Einnahmemöglichkeiten für den Haushalt des Landes Niedersachsen realisieren.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das Geld lassen Sie einfach liegen!)

Dazu kommt ein bereits akuter Beförderungsstau in der Steuerverwaltung des Landes.

Herr Möllring, wir fordern Sie auf: Statten Sie diesen Inkassobereich unseres Landes ordentlich aus, und lösen Sie den Beförderungsstau endlich auf!

(Beifall bei der LINKEN)

Steuergerechtigkeit und Steuervollzug energisch anzugehen ist auch wichtiger als die Debatte um die Aufnahme des Kreditverbots in die Landesverfassung. Letzteres ist, wie Beispiele anderer Länder zeigen, auch über die Landeshaushaltsordnung möglich.

Es geht bei der ganzen Haushaltsdebatte vor allem um die politische Kernfrage, die Reichen energisch zu besteuern oder nicht. Und wir sind dafür, die Reichen energisch zu besteuern, um damit soziale Gerechtigkeit in Niedersachsen zu ermöglichen. Das ist unsere politische Alternative zu dem Quark, den Sie anrühren.

(Beifall bei der LINKEN)

Um diese Kernfrage drückt sich diese Landesregierung herum. Auch deshalb werden Sie 2013 gescheitert sein.