Protocol of the Session on July 1, 2011

(Norbert Böhlke [CDU]: Genau das machen wir!)

Somit ist der Gebrauchswert dieses Antrags leider infrage zu stellen. Das finde ich schade. Dann nützt es auch nichts, Herr Riese, dass Sie sagen, Sie hätten versucht, die Lebenswirklichkeit von jungen Ärztinnen und Ärzten aufzugreifen. Das macht den Antrag leider auch nicht besser, aber auch nicht schlechter. Wir nehmen ihn so hin. Wir nehmen eine ähnliche Position ein wie die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wir können Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen. Mit Ihren

sozial- und gesundheitspolitischen Anträgen ist es leider immer wieder wie folgt: Die Diagnose ist weitgehend unstrittig, in der Therapie verharren die Regierungsfraktionen aber leider bei dem Prinzip Hoffnung und in unkonkreter Geschäftigkeit.

Unkonkret bleibt z. B. Ihre Forderung unter Nr. 1, durch Verhandlungen mit der Bundesregierung neue Länderkompetenzen zu schaffen. Ich frage mich: Welche Kompetenzen mit welcher Zielsetzung wären in Sachen medizinische Versorgung in der Fläche für Niedersachsen notwendig? - Und das gerade vor dem Hintergrund der Antwort auf die Frage, wie wir der drohenden Unterversorgung, dem drohenden Ärztemangel in der Fläche entgegenwirken wollen. Darüber haben wir hier ja schon diverse Male diskutiert.

Unkonkret bleiben auch Ihre Forderungen unter Nr. 3, den Ländern Initiativrechte zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung zu geben. Um welche Initiativen soll es hier eigentlich gehen? Werden diese gesetzlichen Veränderungen Kosten erzeugen? Wenn ja, wer soll sie dann finanzieren?

Was allgemein notwendig wäre, wie z. B. eine bessere Honorierung der Hausärzte - Frau Tiemann hat hier ja schon zwei Zahlen dazu ins Spiel gebracht -, wurde in diesem Hause schon am 6. Oktober des letzten Jahres - ich wies darauf hin - in einer Entschließung etwas konkreter einstimmig beschlossen. Ich hätte mir gewünscht, dass in einen neuen Antrag ein ergänzender Punkt etwa zum weiteren Umgang mit der psychiatrischen Versorgung aufgenommen wird. Aussagen dazu fehlen ganz konkret.

(Glocke des Präsidenten)

Was Ihren Antrag angeht - da sage ich Ihnen jetzt nichts Neues -, haben wir im Fachausschuss jederzeit die Möglichkeit, uns durch die Landesregierung über den aktuellen Sachstand bei der Bearbeitung eines Antrags unterrichten zu lassen. Das hätte meines Erachtens auch bei diesem Antrag gereicht.

Die Antwort auf die gestellten Fragen dürfte darin liegen, dass Sie keine eigenen Lösungen für die Frage der Finanzierung zusätzlicher Kosten haben, die mit einer langfristigen angemessenen medizinischen Versorgung zwangsläufig verbunden sind. Wir haben unseren Vorschlag einer Bundesratsinitiative für eine solidarische Bürgerversicherung schon gefühlt 100 Mal - ich weiß es nicht, ich übertreibe jetzt etwas - hier im Landtag angesprochen und auch in Form von Anträgen eingereicht.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss; letzter Satz, Herr Präsident. - Dieser Antrag schadet nichts, er nützt aber leider auch nichts und trägt auch nicht viel oder sogar gar nichts zur Lösung der konkreten Probleme bei. Lassen Sie uns die konkreten Probleme lieber konkret anfassen! Genug Anträge dazu sind schon gestellt worden. Arbeiten Sie enger mit der Opposition zusammen! Dann kommen wir auch der Lösung unserer Probleme in diesem Bereich näher.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Böhlke hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Der Kollege Humke hat seine Ausführungen mit dem Hinweis eröffnet, dass die Beifallsbekundungen zu den Reden der beiden Vertreter der Regierungsfraktionen Riese und Böhlke nicht umfangreich gewesen seien. Ich meine, das ist kein guter Ansatz. Denn es kommt auf die Inhalte an, wenn es darum geht, entsprechende Dinge auf den Weg zu bringen, und nicht auf das Schlagen des Tisches.

(Petra Tiemann [SPD]: Aber das eine hat manchmal das andere zur Folge, Herr Böhlke!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Diskussion, die wir im Oktober geführt haben, war Grundlage dafür, dass wir hier in diesem Plenum sogar eine Beschlussfassung herbeigeführt haben, die zu einer gemeinsamen Linie aller Fraktionen geführt hat. Darauf aufbauend haben wir unseren Antrag auf den Weg gebracht. Von daher meine ich, dass auch die Oppositionsfraktionen durchaus die Größe haben sollten, die die beiden Regierungsfraktionen in der Herbstdiskussion zu diesem Thema aufgezeigt haben.

Zum Abschluss möchte ich noch darauf hinweisen, lieber Herr Kollege Humke, dass es - ich habe genau aufgepasst - nicht eine Beifallsbekundung aus Ihrer Fraktion gab. Das scheint nach meinen Ausführungen dazu deutlich zu machen, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, offensichtlich auch nicht die Zustimmung Ihrer Kollegen getroffen hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist doch dummes Zeug!)

Herr Kollege Humke möchte zu der Frage der Beifallsbekundungen erwidern. Bitte schön!

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir ma- chen demnächst ein Applausometer!)

Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Böhlke. Ich hatte gehofft, dass diese Frage kommt. Bei der Strukturierung von Redebeiträgen kommt es auch darauf an, ob man manchmal eine appellative Aussage einbaut oder eine kleine Pause macht und abwartet, ob der Applaus einsetzt. Das haben Sie und auch Herr Riese getan, aber es kam leider keine Reaktion.

(Norbert Böhlke [CDU]: Nein, ich habe keine Pause gemacht!)

Das war schade. Im Unterschied zu Ihnen habe ich mich dazu entschieden, in 3:30 Minuten inhaltlich vorzutragen und nicht beifallheischend Redezeit zu verschwenden.

(Jens Nacke [CDU]: Eine Minute ist schon rum!)

Wir haben das genau so abgesprochen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das angesprochen haben. Manchmal unterstützen einen eben auch die Mehrheitsfraktionen bei Dingen, die man ausprobiert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen aus den Fraktionen liegen mir nicht vor. Aber Frau Ministerin Özkan hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Gesundheitssystem bietet den Bürgerinnen und Bürgern eine hervorragende Versorgung. Wir haben die vielleicht beste medizinische Versorgung weltweit. Diesen unseren hohen Standard und Anspruch wollen wir auch in Zukunft dauerhaft sichern. Deshalb sind wir uns in

diesem Hause einig, dass wir schon heute die richtigen Weichen stellen wollen. Das tun wir. Bevor ich auf die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz komme,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

möchte ich Ihnen gerne noch einmal aufzeigen, was wir bereits gemeinsam hier im Lande angestoßen haben.

Gemeinsam mit den maßgeblichen gesundheitspolitischen Akteuren in Niedersachsen haben wir uns am runden Tisch zur hausärztlichen Versorgung auf richtungweisende Maßnahmen verständigt. Ich möchte nur zwei Beispiele daraus nennen und ein drittes nachher erläutern.

Die Förderung des Praktischen Jahres im Bereich Allgemeinmedizin ist der Bereich, der für uns ganz entscheidend ist, wenn wir in den nächsten fünf, sechs, sieben Jahren Hausärzte in der Fläche wollen.

Das Delegationsmodell MoNI zur Entlastung der Hausärzte, das heute schon genannt wurde und nach den ersten Erkenntnissen, die wir aus den Regionen haben, sehr erfolgreich ist, wird in das Bundesgesetz, in das Versorgungsstrukturgesetz mit aufgenommen.

Mit den Zukunftsregionen Gesundheit beteiligen wir die Kommunen an der flächendeckenden medizinischen Versorgung. Das ist erstmalig eine Einbeziehung der Kommunen und hat zum Ziel, eine verbesserte sektorenübergreifende Zusammenarbeit vor Ort darzustellen und zu erproben. Gerade die Kommunen, die, wie Sie es eben betont haben, in diese Versorgungsfrage, in diese Bedarfsplanung, aber auch in die Nachwuchsplanung mit einbezogen werden müssen, haben hier die Gelegenheit, ihre Regionen tatsächlich für sich zu gestalten.

Sie sehen, das Land hat bereits vielfältige Ansätze entwickelt. Auch der Bund - jetzt komme ich zu der Ebene, an die wir eine Erwartungshaltung formuliert haben - hat wichtige und zukunftsweisende Regelungen auf den Weg gebracht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Am 10. Juni wurde den Ländern der Entwurf eines GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vorgelegt. Der Referentenentwurf greift wesentliche Forderungen der letztjährigen Gesundheitsministerkonferenz, aber auch der Kommission auf, die im April in ihren Bericht aufgenommen und auch beschlossen hat,

dass die erarbeiteten Maßnahmen in das Strukturgesetz einfließen sollen.

Es mag sein, dass wir darüber schon seit Jahren diskutieren, aber wir haben in der Tat einen historischen Moment erreicht: Alle Länderminister - egal ob von SPD, FDP, CDU, CSU oder den Grünen - sind sich einig, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen und dass die Länder erstmalig mehr Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten bekommen. Deswegen sind wir uns auf der Gesundheitsministerkonferenz alle einig gewesen, egal aus welcher Richtung die Initiative kam. Das möchte ich hier betonen.

Die Bedarfsplanung wird künftig flexibler gestaltet. Sie wird stärker regional ausgerichtet sein. Dabei kommt auch die Flächenthematik ins Spiel. Das heißt, die ärztliche Versorgung muss künftig nicht mehr nur an Landkreisgrenzen ausgerichtet sein, sondern sie kann ganz andere regionale Strukturen abbilden. Die Länder werden künftig mit zwei Stimmen im Gemeinsamen Bundesausschuss vertreten sein. Das ist ganz entscheidend. Das hat es noch nie gegeben. Das wird ein struktureller Unterschied sein. Über eine stärkere Beteiligung an den Landesausschüssen können wir dann unmittelbar an der Bedarfsplanung mitwirken. Auch das ist für uns wichtig, weil wir das, was der Bundesausschuss vielleicht nicht länderspezifisch berücksichtigt und regelt, im Landesausschuss einbringen können.

Bei den neuen Beteiligungsformen geht es nicht darum, ein neues Spielfeld für die Länder aufzumalen und aufzuzeigen, sondern wir wollen die Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten und die Schnittstelle zur stationären Versorgung mitgestalten. Das werden wir in das Versorgungsstrukturgesetz mit einfließen lassen.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Das Ganze soll zum 1. Januar 2012 in Kraft treten, wenn die Länder so, wie sie es bisher signalisiert haben, geschlossen auftreten werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Damit uns das auch im Zeitplan gelingt, fand gestern bereits ein Bund-Länder-Gespräch beim Bund darüber statt, was in diesem neuen Referentenentwurf enthalten ist und was nicht enthalten ist. Auch das möchte ich betonen. Wir haben gestern auf der Gesundheitsministerkonferenz die Punkte aufgezählt und einen neuen Beschluss gefasst, in dem wir der Bundesregierung und dem Bundesmi

nisterium sehr deutlich aufgezeigt haben, was wir begrüßen, was schon enthalten ist und was noch nicht enthalten ist, aber auf jeden Fall noch mit einbezogen werden soll.

Sie sehen, die Länder stehen in der Pflicht, das Gesetz mit Leben zu füllen. Dieser Verpflichtung kommen wir nach. Uns im Land Niedersachsen kommt jetzt die Verantwortung zu, in bewährter Weise mit den niedersächsischen Akteuren zu besprechen, wie wir diese zusätzlichen Möglichkeiten und Mitspracherechte einfließen lassen können. Das werde ich tun. Ich werde umgehend dazu einladen, dass wir uns bereits jetzt, rechtzeitig bevor das Gesetz in Kraft tritt, sehr genau anschauen werden, wie wir uns hier einbringen können. Dazu gehören ohne Frage auch die kommunalen Spitzenverbände, die mit an einem Strang ziehen. Gemeinsam werden wir das hohe Niveau der medizinischen Versorgung sicherstellen

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)