Protocol of the Session on July 1, 2011

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Herr Güntzler hat die Beispiele dazu genannt: Absenkung der Gewerbesteuerumlage, Konnexitätsprinzip, Zukunftsvertrag mit der Entschuldungshilfe, Erhöhung der Grunderwerbsteuern und vor allem der Hartz-IV-Kompromiss auf Bundesebene mit einer Gesamtentlastung mit bis zu 4 Milliarden Euro. Das ist tatsächlich kommunalfreundliche Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die niedersächsischen Kommunen im Jahr 2011 mit 6,2 Milliarden Euro die dritthöchsten Einnahmen in der Geschichte Niedersachsen verzeichnen konnten.

Im Jahr 2012 werden sie mit 6,6 Milliarden Euro die bislang höchsten Einnahmen erzielen. Das zeigt eindeutig, dass unsere Kommunen - das hat Herr Güntzler völlig richtig dargestellt - im Verhältnis zum Land eine ausreichende Finanzausstattung haben. Das hat uns auch der Staatsgerichtshof bestätigt. Jeder, der das anders sieht, kann ja den Weg nach Bückeburg gehen. Bitte schön! Das ist in einem Rechtsstaat nun einmal so.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte jetzt noch auf zwei Forderungen in Ihrem Antrag eingehen. Zunächst auf Ihre Forderung zur Gewerbesteuer. Sie wissen, meine Partei hält ziemlich wenig von der Gewerbesteuer. Ihre Forderung, weitere Kosten zu versteuern, also der Bemessungsgrundlage weitere Kosten hinzuzurechnen, lehnen wir ab. Die Gewerbesteuer muss abgeschafft werden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP)

Im Antrag der Fraktion DIE LINKE ist zu lesen, dass es in Göttingen zu „sozialen Grausamkeiten“ kommen soll.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: In der Tat!)

Es ist die Rede davon, dass ein Freibad geschlossen werden soll.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Dort gibt es schon Solidaritätsfeste gegen die Schließung!)

Ich erinnere daran, dass Göttingen mit seinen rund 120 000 Einwohnern fünf Freibäder hat. Deshalb darf man sich ja wohl einmal darüber unterhalten - und das tut der SPD-Oberbürgermeister auch -, ob eines dieser Freibäder geschlossen werden kann. Derartige Denkverbote sollten wir uns nicht auferlegen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der in Ihren Anträgen nicht enthalten ist: Auch die Kommunalpolitiker müssen in Eigenverantwortung dafür Sorge tragen, dass sie mit dem Geld der Steuerzahler sorgsam umgehen.

(Johanne Modder [SPD]: Herr Gra- scha, Sie wissen doch genau, was Ih- nen die Kommunen sagen!)

Diese Eigenverantwortung muss entsprechend gestärkt werden. Das sage ich ganz bewusst auch als Kommunalpolitiker, der selbst in einem Stadtrat vertreten ist.

Einen letzten Satz gestatte ich Ihnen noch.

Letzter Satz. - Ebenfalls fehlen in Ihren Anträgen Gegenfinanzierungsvorschläge sowohl für den Bundeshaushalt als auch für den Landeshaushalt. Wir sind gespannt auf die Haushaltsplanberatungen für 2012.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Dürr [FDP]: Sehr gut! Sehr gut!)

Nun hat sich für die Fraktion DIE LINKE Herr Adler zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Victor Perli [LINKE]: Der Oppositions- führer redet!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Briese. Ich weiß nicht, was Sie mit Ihren Hinweisen auf die Länder Berlin und Saarland eigentlich beweisen wollten. Meine Kollegin Zimmermann hatte darauf hingewiesen, dass der kommunale Spielraum durch Bundesgesetze eingeschränkt worden ist. An diesen Bundesgesetzen konnten die jeweiligen Mehrheiten in den Ländern, die Sie genannt haben, auch nichts ändern.

Das ist auch der Punkt, an dem meine Kollegin Zimmermann völlig zu Recht auf Herrn Lies eingegangen ist. Im Antrag der SPD-Fraktion, zu dem ich hier ja auch Stellung nehme, heißt es in der Analyse, dass die gegenwärtige Situation darauf zurückzuführen ist, dass auf Bundesebene die Steuergesetze so gestrickt worden sind, dass die Kommunen jetzt weniger Geld zur Verfügung haben. Das ist völllig zutreffend. Allerdings haben Sie nicht ausgeführt - ich nenne so etwas „subjektverschweigendes Passiv“ -, von wem das ausgegangen ist. Meine Kollegin Zimmermann hat nichts anderes gesagt, als dass den Kommunen durch die Steuerreform von Finanzminister Eichel - rotgrün - in den Jahren 2001 bis 2005 rund 40 Milliarden Euro vorenthalten worden sind. Zu Zeiten der Großen Koalition wurden den Kommunen unter Finanzminister Steinbrück im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform noch einmal 1,5 Milliarden Euro entzogen.

(Stefan Schostok [SPD]: Dafür hat er die Gewerbesteuer ausgebaut!)

Das gehört schlicht und einfach mit zur Analyse. Das ist eine unbequeme Wahrheit, aber die müssen Sie sich nun einmal sagen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt möchte ich noch etwas zum Kollegen Güntzler ausführen. Herr Güntzler, Sie haben vorhin gesagt, dass meine Kollegin Zimmermann und auch Herr Lies von einem Zerrbild gesprochen hätten. Ich will Ihnen einmal sagen, was gegenwärtig auf die Kommunen zukommt.

(Clemens Große Macke [CDU]: Was wollen Sie uns denn sagen?)

In diesem Zusammenhang will ich auch Ihr Beispiel Göttingen aufgreifen. Unter der Überschrift „Entschuldungshilfen“ werden den Kommunen Bedingungen aufgezwungen, aufgrund derer sie bei den sogenannten freiwilligen Leistungen an die soziale Substanz gehen müssen. In Hildesheim muss die Aids-Hilfe gestoppt werden, in Göttingen will man das Schulmittagessen um 80 Cent bis 1 Euro erhöhen.

(Fritz Güntzler [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Man geht sogar so weit, dass man die Zuschüsse für das Junge Theater kürzen will. Es geht also ans Eingemachte.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang eines sagen: Der Begriff „freiwillige Leistungen“ klingt zwar so, als seien dies Luxusausgaben. Das sind sie aber nicht. Das sind soziale Mindeststandards, die zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht hinzugehören. Die müssen meiner Ansicht nach tabu sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Adler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Güntzler?

Selbstverständlich.

Herr Güntzler!

Herr Kollege Adler, Sie haben gerade einige Punkte in Bezug auf die Stadt Göttingen zitiert. Mich würde interessieren, woher Sie Ihre Erkenntnisse haben; denn ich als Ratsherr der Stadt Göttingen habe sie nicht.

(Zurufe von der LINKEN)

Herr Adler!

Diese Erkenntnisse habe ich aus einem internen Papier, das vom Oberbürgermeister der Stadt Göttingen verbreitet worden ist.

(Zuruf von Patrick-Marc Humke [LIN- KE] - Christian Dürr [FDP]: Interne Papiere! Das ist doch keine Transpa- renz! Die müssen Sie öffentlich ma- chen! - Weitere Zurufe)

- Nein, nein, das hat er sich nicht ausgedacht. Das ist viel zu schrecklich, als dass man sich so etwas ausdenken könnte.

(Unruhe)

Herr Adler, es ist sehr unruhig. Ich habe gerade auch das Wort „Lüge“ gehört, kann aber noch nicht genau zuordnen, wer es war. Ich möchte darum bitten, dass Sie sich hier im Saal wieder etwas mäßigen, auch mit Zwischenrufen. Ich möchte zum Abschluss nicht noch weitere Ordnungsrufe erteilen.

Herr Adler, Sie haben wieder das Wort.

Der Kollege hat in seinem Beitrag eben zu Recht auf das Scheitern der Gemeindefinanzkommission hingewiesen. Dort hätten wir in der Tat die Gelegenheit gehabt, die Einnahmeseite für die Kommunen zu verbessern. Diese Chance ist nun vertan worden. Diese Landesregierung hat es mit diesem Innenminister versäumt, die Vorschläge des Deutschen Städtetages aufzugreifen, die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer zu verbreitern und die Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer zu erweitern. Dann hätten wir mehr Geld und bräuchten uns nicht über diese schlimmen Dinge zu unterhalten, die den Kommunen bevorstehen.

Ich möchte noch auf ein weiteres Problem hinweisen. Im Zusammenhang mit der Energiewende werden jetzt Vorschläge diskutiert, energiesparende Investitionen in Wohngebäuden steuerlich zu begünstigen, und zwar in Form einer Absetzbarkeit. Diese Absetzbarkeit - das müssen wir uns vor Augen halten - führt immer dazu, dass derjenige, der viel Steuern zahlt, im Grunde genommen einen hohen Zuschuss zu solchen energiesparenden Maßnahmen bekommt, während derjenige, der wenig Steuern zahlt, von dieser staatlichen Förderung auch nur entsprechend geringer profitiert.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Der Klimaschutzbeitrag ist für beide gleich!)

Das aber ist ungerecht. Es ist durchaus richtig, energieeinsparende Investitionen zu fördern. Dann aber mit Zuschüssen und nicht mit Steuernachlässen. Steuernachlässe sind immer ungerecht.

Der zweite Nachteil dieser Steuernachlässe ist - es geht hier um die Einkommensteuer und die Lohnsteuer -, dass diese Steuerarten von den Kommunen immer zu 15 % mitbezahlt werden. Deshalb spreche ich das in diesem Zusammenhang an.