Meine sehr geehrten Damen und Herren: Was du sagst, verweht im Wind. Nur was du tust, schlägt Wurzeln.
Das gilt auch für Fraktionsvorsitzende. Sie müssen mehr tun, Herr Schostok, als warme Worte zu sprechen. Das gilt vor allem für die Beschäftigten der Kernkraftwerke, denen Sie angeblich mit einem Beschäftigungspakt helfen wollen. Laut Deister- und Weserzeitung vom 11. Juni 2011 hat Herr Schostok festgestellt:
„Insbesondere am Standort Grohnde, wo die Arbeitsplätze noch vor einem halben Jahr auf Jahrzehnte sicher waren, ist die Verunsicherung mit Händen zu greifen.“
Ich weiß nicht, Herr Schostok, wohin Sie damals gegriffen haben. Manchmal greift man ja auch mal daneben.
Mit den betroffenen Menschen haben Sie anscheinend nicht gesprochen. Denn Thomas Gerl, der Betriebsratschef des Kernkraftwerkes in Grohnde, schreibt am 18. Juni 2011 in der gleichen Zeitung in einem Leserbrief, aus dem ich zitiere:
„Mit Verwunderung habe ich den Brief über den Beschäftigungspakt der SPD gelesen. Selbstverständlich freuen wir uns als Mitarbeiter des Gemeinschaftskernkraftwerkes Grohnde über jegliche politische Unterstützung. Doch wie konnte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Herr Stefan Schostok, die Verunsicherung der Beschäftigten mit Händen greifen? Ich habe keinerlei Informationen - trotz Nachfrage -, dass irgendein SPD-Politiker Gespräche mit Teilen der Belegschaft, der Kraftwerksleitung oder der Belegschaftsvertretung geführt hat, auch nicht bei einer Rundreise durch das Weserbergland.“
Lassen Sie mich zum Schluss über unseren Änderungsantrag sprechen, den ich schon im Ausschuss angekündigt hatte. CDU und FDP sprechen sich dafür aus, dass die Kraftwerksstandorte nach der Stilllegung der Kernkraftwerke als Energiestandorte erhalten bleiben. Wir sprechen uns dafür aus, dass die Umbaumaßnahmen an diesen Standorten sozial verträglich erfolgen. Wir bitten
die Landesregierung, den im Energiepaket der Bundesregierung enthaltenen stufenweisen Ausstieg aus der Kernenergie bis spätestens zum Ende des Jahres 2022 zu unterstützen. Das ist ein konkretes Enddatum. Von heute an sind das exakt elf Jahre und sechs Monate. Danach ist in Deutschland Schluss mit Kernenergie.
Aber bis dahin müssen wir uns anstrengen, um den Ausstieg zu schaffen. Das ist allein mit dem Bedrucken von Papier nicht getan, auch nicht damit, dass man warme Worte spricht, und erst recht nicht damit, dass man Pumpspeicherkraftwerke verhindert, Herr Wenzel, und beim Netzausbau jahrelang geschlafen hat.
Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt sind wir alle gefragt, unideologisch, pragmatisch und schnell an Lösungen zu arbeiten und vor allem die Fakten zur Kenntnis zu nehmen.
Seit Beginn des Moratoriums im Jahr 2011 ist Deutschland von einem Nettoexporteur von Strom zu einem Nettoimporteur von Strom geworden. Vor dem 16. März 2011 wurden durchschnittlich 90 Millionen kWh pro Tag exportiert. Seit dem 17. März 2011 werden durchschnittlich 40 Millionen kWh importiert - vor allem Atomstrom aus unserem Nachbarland Frankreich. So kann das nicht bleiben!
Ausstieg aus der Kernenergie bedeutet Einstieg in Alternativen. Ich will das einmal bildlich ausdrücken: Deshalb ist jetzt nicht die Zeit, hier im Bahnhof stehen zu bleiben und zu palavern. Die Umsteigezeit ist denkbar kurz. Wer den Zug verpasst, wird nicht im Zeitalter der erneuerbaren Energien ankommen.
(Detlef Tanke [SPD]: Sie haben den Zug ein halbes Jahr aufgehalten, teil- weise sind Sie rückwärts gefahren!)
Wir wollen das ohne Kompromisse mit den Menschen mit allen Konsequenzen, aber auch wirtschaftlich sinnvoll, ökologisch wertvoll und sozial gerecht.
Meine Damen und Herren! Bevor ich die Wünsche auf Kurzinterventionen erfülle, möchte ich die Kolleginnen und Kollegen insgesamt darum bitten, dass wir den Wiederbeginn der Abqualifizierung von Reden anderer, z. B. durch die Verwendung des Begriffs „absondern“ oder des Ausrufs „So ein Blödsinn!“, vermeiden sollten. Ich halte beides nicht für parlamentarisch angemessen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wo wir bei Sprüchen sind, sondere ich noch einmal einen ab. Herr Bäumer, Sie haben ja auch einen gebracht. Ich fasse Ihre Rede folgendermaßen zusammen.
Herr Kollege Herzog, ich darf Sie unterbrechen! Sie sind hier nicht auf einer Spaßveranstaltung, sondern im niedersächsischen Parlament.
Wenn der Präsident vorher etwas rügt, erwarte ich von Ihnen, dass Sie dieser Rüge Genüge tun. Deswegen bitte ich Sie, das nicht zu verwenden.
Herr Bäumer, wo es den Rednern an Tiefe fehlt, gehen Sie in die Breite. Erstens möchte ich Ihnen etwas sagen zu Bitterkeit und negativ verseuchtem
Umfeld. Im Wendland gibt es die bunteste, kreativste, lebendigste Kultur, die ich kenne. Und ich lebe gern da.
Zweiter Punkt. Lösungen. Das Wendland hat inzwischen - daran habe ich sehr tatkräftig mitgewirkt - eine zu 100 % regenerative Stromerzeugung.
Dritter Punkt. Als Sie die Autos sichern wollten, haben Sie als Schwarz-Gelb ein riesiges Konjunkturprogramm aufgelegt. Die Schuldenbremse interessierte Sie überhaupt nicht. Wenn wir diese Energiewende schaffen wollen, müssen wir da klotzen und dürfen nicht kleckern. Im Zweifelsfall muss man gucken, wo die Konjunkturprogramme an dieser Stelle richtig gesetzt sind. Da muss eine Schuldenbremse unter Umständen zurücktreten.
Vierter Punkt. Hier im Landtag isoliert zu sein, ist für mich durchaus keine Unehre - sagen wir es einmal so. Ich lade Sie gern zu einer Kreistagssitzung ein. Da können Sie sehen, wie es aussieht und wie es vor allem mit Populismus aussieht.
Da können Sie auch einmal sehen, wie das ist, Herr Bäumer, wenn man das Vertrauen der Menschen verspielt hat. Die CDU hatte früher in Lüchow-Dannenberg Mehrheiten von über 60 %. Sie sind bei 28 % angekommen. Das bedeutet es ungefähr, wenn man das Vertrauen der Menschen verspielt.
Letzter Punkt. Dass Sie heute immer noch sagen, nachdem Sie selbst im Untersuchungsausschuss Asse dabei waren und die Ergebnisse aus dem Untersuchungsausschuss Gorleben kennen, es gebe keine Fakten gegen Gorleben, und immer noch weitermachen wollen, obwohl geologisch die Fakten dagegen sprechen, - - -
- - - das ist wirklich hanebüchen. Das werden die Menschen im Wendland honorieren und Frau Bertholdes abwählen.