Der Kultusausschuss soll sich mit diesem Antrag auseinandersetzen. Höre ich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie so beschlossen.
Erste Beratung: Zum Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele 2015 auch in Niedersachsen beitragen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3749
- Sie haben es jetzt Frau Flauger zu verdanken, dass ich noch nicht gesagt habe „Ich schließe“. Frau Flauger hat sich zu Wort gemeldet. Frau Flauger, ich finde es ein bisschen ungewöhnlich, wenn ich Ihnen als Erster das Wort gebe; denn es handelt sich um einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sind Sie einverstanden, dass ich zunächst Frau Polat das Wort erteile?
Vielen Dank für Ihr Verständnis, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vom 6. bis 8. September 2000 hat die 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen stattgefunden, der sogenannte Millenniumgipfel, die bis dato größte Zusammenkunft von Staats- und Regierungschefs. 189 Mitgliedstaaten sind zusammengekommen, um die sogenannten Millenniumsentwicklungsziele zu beschließen. Sie einigten sich auf einen Maßnahmenkatalog mit konkreten Ziel- und Zeitvorgaben und dem übergeordneten Ziel, die Armut in
der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Natürlich hat auch Deutschland diese Deklaration unterzeichnet.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Oktober 2008 ihre besondere Mitverantwortung für das Erreichen der Millenniumsziele noch einmal deutlich gemacht. Die Bundesländer haben einen entsprechenden Beschluss gefasst. 2009 hat auch Horst Köhler, der damalige Bundespräsident, noch einmal auf die besondere Verantwortung der Bundesländer hingewiesen. Auch das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik hat besonders die Bundesländer, aber auch die Kommunen in ihrer Verantwortung bestärkt, insbesondere im Bereich der sogenannten entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit komplementär zu der Bundesaufgabe Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten.
Die Bundesländer haben darüber hinaus bereits in den Jahren 1988, 1994 und 1998 Beschlüsse gefasst. Zu dem aktuellen Beschluss von 2008 hat Dr. Ludger Reuke von Germanwatch Stellung genommen und deutlich gemacht, wie engagiert die Bundesländer mit dem Beschluss von 2008 sind. Er geht leider in weiten Teilen hinter die Beschlüsse in den Jahren zuvor zurück, die ich genannt habe. Ich zitiere aus seiner Stellungnahme: Diese früheren Beschlüsse betonen stets ausdrücklich die wichtige Rolle der Nichtregierungsorganisationen besonders für die entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit, die jedoch im Beschluss von 2008 nur noch beiläufig erwähnt wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wie Sie alle wissen, ist bei der Entwicklungszusammenarbeit ein ganz besonderer Bestandteil in den Vordergrund zu stellen, nämlich die eigene Lebensweise der Menschen in den Industrieländern. Unser Konsumverhalten und unser Umgang mit Ressourcen haben, wie Sie wissen, natürlich direkte Auswirkungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Daher ist es neben der Entwicklungszusammenarbeit des Bundes einer der wichtigsten Bausteine, dass wir in der Bildungspolitik frühzeitig anfangen, im Rahmen der Bildung im Kindergarten und in den Schulen auf die Notwendigkeiten des Umgangs mit unseren Ressourcen hinzuweisen und die Jugendlichen in Sachen Entwicklungszusammenarbeit zu schulen.
Wir haben auch in der letzten Woche ganz aktuell von Germanwatch einen Bericht zur Verfügung gestellt bekommen. Germanwatch analysiert Jahr für Jahr die sogenannten ODA-Leistungen und legt die Official-Development-Assistance-Zahlen vor. Dabei geht es auch um die entwicklungsrelevanten Leistungen der Bundesländer. Hier haben wir festgestellt, dass die Zahl kontinuierlich sinkt. In Niedersachsen lag sie 1995 noch bei ungefähr 2 Millionen Euro und hat sich bis zum Jahr 2009 fast halbiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht der immer noch großen Zahl an Hungernden - 700 Millionen Menschen hungern und sind unterernährt - und in Anbetracht der großen Zahl von 1 Milliarde Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben - um nur einige Zahlen zu nennen -, sind die Herausforderungen noch sehr, sehr groß.
Ein Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit ist nun einmal auch das liebe Geld. Wir haben die Deklaration unterzeichnet. Wie gesagt, haben die Bundesländer hier auch einen Anteil daran, die Leistungen einzustellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal kritisch anmerken - aktuell wird das auf Bundesebene auch sehr strittig diskutiert -, dass die Bundesregierung die Umsetzung der UNMillenniumskampagne eingestellt hat. Ich hoffe, dass wir in Niedersachsen diesen Weg nicht gehen werden, sondern hier, im Gegenteil, Akzente setzen.
Deswegen wollen wir dieses Thema mit diesem Antrag auf die Tagesordnung setzen. Denn wir möchten gerne von der Landesregierung wissen, welches Konzept sie im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit hat mit dem Schwerpunkt der nächsten fünf Jahre, die zum Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele noch zu beschreiten sind; eigentlich sind es nur noch vier Jahre.
Wir verweisen dann auch explizit auf die Politikkohärenz, also darauf, dass keine politische Maßnahme den Entwicklungszielen zuwiderlaufen soll. Hier haben wir explizit die Agrarpolitik genannt. Denn es macht keinen Sinn, dass wir auf der einen Seite Entwicklungspolitik machen und Gelder zahlen und dies in anderen Politikbereichen konterkarieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Im Europaausschuss habe ich schon das Beispiel des tansanischen Botschafters genannt, der sehr eindrücklich darauf hingewiesen hat, dass eine partnerschaftliche Beziehung nur dann Sinn macht, wenn in anderen Politikbereichen die regionalen Märkte nicht kaputt gemacht werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass sich der Landtag heute, wenn auch zu später Stunde, mit diesem wichtigen Thema befasst. Deswegen begrüße ich auch ausdrücklich, dass die Grünen diesen Antrag eingebracht haben.
Der Kernpunkt der UN-Millenniumsziele aus dem Jahr 2000 lautete, dass der Hunger auf der Welt bis 2015 halbiert werden soll. Heute gilt es als absolut unrealistisch, dass dieses Ziel auch nur ansatzweise erreicht wird. Dabei waren die im Jahr 2000 gesetzten Ziele keineswegs unrealistisch. Im Gegenteil, angesichts des Reichtums in der Welt war das ein sehr bescheidenes Ziel.
Dass die Ziele jetzt so unerreichbar scheinen, ist schlicht auf fehlendes Bemühen auf vielen Ebenen zurückzuführen. Es gibt massiven Nachholbedarf. Hier steht auch Niedersachsen in der Pflicht. Das Land steht in diesem Bereich leider alles andere als vorbildlich da.
Wir müssen dringend weg von einer halbherzigen Entwicklungspolitik, die ihre ohnehin äußerst mageren Summen dann auch noch an kontraproduktive Bedingungen knüpft. Wir können nicht einerseits mit Entwicklungsgeldern den Aufbau der Viehzucht fördern und synchron dazu die armen Länder mit Fleisch zu konkurrenzlosen Dumpingpreisen überschwemmen. Das ist zynisch.
Nicht nur die Bekämpfung des Hungers liegt weit hinter den Zielen zurück. Auch andere Millenniumsziele waren realistisch bescheiden und scheinen dennoch heute in weite Ferne gerückt. Ich will einige ansprechen.
Die Kindersterblichkeit sollte um zwei Drittel reduziert werden. Tatsache ist: Auch im vergangenen Jahr sind weltweit fast 10 Millionen Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr gestorben.
Die Diskriminierung von Frauen und Mädchen sollte auf allen Ebenen beseitigt werden. Tatsache ist: Frauen machen zwei Drittel der Arbeit, erhalten ein Zehntel der Weltlohnsumme und besitzen ein Hundertstel des Vermögens.
Aids, Malaria und andere gefährliche Krankheiten sollten zum Stillstand gebracht werden. Die ökologische Nachhaltigkeit sollte gefördert werden. Der Verlust natürlicher Lebensräume sollte gebremst werden. Last, but not least, sollte ein global gerechter Welthandel geschaffen werden. Wie sieht dagegen die Realität aus? - Alle zehn Sekunden stirbt ein Mensch an Aids. 1,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Nach Schätzung der UN entgehen den ärmsten Ländern jährlich 700 Milliarden US-Dollar aufgrund der ungerechten Handelsbeziehungen, die bekanntlich von den G7 bzw. G8 ausgehandelt werden.
Meine Damen und Herren, die Millenniumsziele sind leider nur das deutlichste Beispiel. Die Lissabon-Strategie wollte die Armut in Europa gar beseitigen. Das Jahr 2010 wurde zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung erklärt. Auf dem Welthungergipfel in Rom 2008 wurde in Anlehnung an die Millenniumsziele ein Fünf-Punkte-Plan gegen den Ernährungsnotstand von den 192 der Food and Agriculture Organization angehörenden Staaten unterzeichnet. Nichts davon hatte bisher nennenswerte, messbare Ergebnisse zur Folge.
Was wir also nicht brauchen, sind neue Absichtserklärungen. Wir müssen endlich nach den Erkenntnissen handeln, die von vielen NGOs seit Jahrzehnten an die Politik herangetragen werden.
In diesem Sinne freue ich mich auf eine fruchtbare Ausschussberatung zum vorliegenden Antrag im Sinne der Menschen, die auf der Welt am ärmsten sind.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit Zuleitung der Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt von dem Antrag der Grünen erfahren und mir auf die Schnelle einige Informationen beschafft, u. a. die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen vom 8. September 2000 und eine Zusammenfassung der Millenniumsziele, auf die Frau Flauger ja eben schon eingegangen ist. Ich möchte diese insgesamt acht Ziele noch einmal vortragen: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger, Primarschulbildung für alle, Gleichstellung der Geschlechter/Stärkung der Rolle der Frauen, Senkung der Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter, Bekämpfung von HIV/Aids usw., ökologische Nachhaltigkeit, Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung.
Wenn man sich dann mit einigen Zahlen und Statistiken beschäftigt, stellt man in der Tat erschüttert fest, was in unserer Welt noch alles möglich ist und was es gibt.
Ich glaube, dass wir im Ausschuss aber darüber nachdenken sollten, wie man diese Ziele bzw. diese Thematik am besten auf das Land Niedersachsen herunterbricht und dann zu konkreten Entscheidungen, Maßnahmen oder ähnlichen Dingen kommt.