Protocol of the Session on July 1, 2008

(Kurt Herzog [LINKE]: Da liegt es gut!)

So viel an dieser Stelle dazu.

Der Verein „AufpASSEn“ hat grundsätzlich immer und seit Jahren, wenn nicht gar schon seit Jahrzehnten die Schließung der Asse kritisch begleitet. Das ist die Bürgerinitiative, in der sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sammeln, unabhängig von Partei, egal, ob Jung oder Alt. Die Ersten haben in den 60er-Jahren gegen Asse II geklagt. Der Wolfenbütteler Kreistag hat sich einstimmig gegen die Einlagerung in Asse II ausgesprochen. Dies hat nichts, aber auch gar nichts gebracht. Mittlerweile stehen diese gelben „As“ massenweise in den Vorgärten, an den Straßen und an den Häusern. Sie symbolisieren den Widerstand der Region gegen Asse II.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Etwas Wesentliches, was die Region auch trifft, ist noch hinzugekommen: Schlagartig verfallen die Grundstückspreise in der Region. Die Menschen sind nicht mehr in der Lage, ihre Häuser zu verkaufen, und wenn, dann nur ganz deutlich unter Wert. Vor anderthalb Jahren war die Asse schon einmal negativ in den Schlagzeilen. Damals ging das los. Jetzt brauchen wir uns über einen mögli

chen Verkauf von Immobilien in der Region überhaupt nicht mehr zu unterhalten. Sowie mögliche Interessenten nur das Wort „Asse“ hören, wird sofort abgewinkt und weitergegangen, in aller Regel in Richtung Braunschweig.

Es ist schlimm genug, meine Damen, meine Herren. Die Menschen sind von zweierlei Dingen betroffen: Zum einen wissen sie mittlerweile, dass sie das Atomklo der Bundesrepublik Deutschland sind. Zum anderen wird es die Bevölkerung vor Ort aber nicht dulden - auch ich und die Mehrheit dieses Hauses werden es nicht dulden -, dass sie ständig veräppelt wird und dass ihr Informationen vorgehalten werden, meine Damen, meine Herren!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Damit muss Schluss sein! Ich möchte kein Parteiengezänk an der Seite. Auch das wollen die Menschen vor Ort nicht haben. Sie wollen vielmehr Aufklärung und Transparenz und auch das, was der Kollege Försterling gesagt hat: Es muss ein wirkliches Optionsmodell her. Wir müssen ernsthaft prüfen, ob eine Rückholung aller Abfälle möglich ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich erteile dem Abgeordneten Bäumer von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Asse II bewegt die Menschen im Landkreis Wolfenbüttel, in Hannover, in ganz Niedersachsen und auch in Deutschland. Dies hat die Berichterstattung in den vergangenen Wochen gezeigt. Das kann ich sehr gut verstehen; denn der Grund, warum wir uns in den vergangenen Wochen im Umweltausschuss und in dieser Woche hier im Landtag mit der Asse beschäftigen, ist unverzeihlich. Wer, wie die Helmholtz-Gesellschaft, ein Bergwerk mit fast 127 000 schwach und mittel radioaktiven Fässern betreibt und wer, wie das Landesbergamt, diesen Betrieb überwacht, der muss wissen, dass er sich stets verinnerlichen sollte, dass er mit hochsensiblen radioaktiven Stoffen umgeht und nicht mit Puddingpulver,

(Beifall bei der CDU)

und der steht, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Verpflichtung, die Öffentlichkeit und die Politik über Probleme zu informieren, und zwar umfassend, unverzüglich und schonungslos offen. Ansonsten steht die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

Ich bin deshalb sehr froh darüber, dass wir uns im Umweltausschuss mit dem Problem der Asse beschäftigt haben und dass wir dies in den kommenden Monaten im Umweltausschuss noch intensiv tun werden; denn die brennendste Frage von allen muss schnellstens geklärt werden: Woher kommt der Laugenzufluss, und warum ist diese Lauge radioaktiv?

Über die Asse, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist in den vergangenen Jahren hier im Landtag und vor Ort sehr viel diskutiert worden. Immer wieder - dies habe ich gestern noch einmal nachgelesen - ist auch vonseiten der Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Wolfenbüttel Transparenz angemahnt worden - zu Recht, wie sich heute zeigt. Manchmal, so scheint es mir heute, hätte man sich vor Ort beim Betreiber mit Blick auf unsere heutige Wut über die schlechte Informationspolitik einfach nur an das „christliche Betriebshandbuch“ halten sollen. Ich muss Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich nicht erklären, was dort im achten Gebot steht.

Ich möchte nach den zum Teil sehr merkwürdigen Einlassungen einiger meiner Vorredner die Gelegenheit nutzen, einige Dinge deutlich klarzustellen: Es ist nicht in Ordnung, wenn die Asse in der Berichterstattung und auch von meinen Vorrednern in einen Topf mit Schacht Konrad oder Gorleben geworfen wird.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das Prinzip ist das gleiche!)

Um das zu erkennen, muss man kein Wissenschaftler sein; dazu reicht der gesunde Menschenverstand. Bei Schacht Konrad, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat man zuerst die Eignung geprüft, die Verfahren abgeschlossen und wird dann mit der Einlagerung von schwach und mittel radioaktiven Stoffen beginnen. Bei der Asse - dies ist vorhin deutlich geworden - war das genau umgekehrt: Man hat erst eingelagert, wobei das Wort „Einlagerung“ kein Ausdruck für das ist, was dort zum Teil mit den Fässern im Rahmen der sogenannten Sturztechnik gemacht worden ist.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

In Gorleben, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Erkundung des Salzstocks noch längst nicht abgeschlossen. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass man dort schon vollendete Tatsachen hätte. Die Erkenntnisse aus den Problemen in Asse werden sicherlich auch in die Beurteilung der Eignung von Gorleben einfließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe eine ganz deutliche Bitte, gerade an Sie von den Fraktionen der Grünen und der Linken: Hören Sie damit auf, die Menschen vor Ort zu verunsichern!

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Das müssen wir gar nicht! Das machen schon die Betrei- ber! - Weitere Zurufe)

Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, Schacht Konrad und Gorleben für ungeeignet halten, dann tun Sie mir den Gefallen und nennen Sie Alternativen. Davon habe ich heute Morgen und auch in den vergangenen Wochen nichts gehört.

Natürlich müssen in den nächsten Wochen alle Akten und Fakten auf den Tisch. Natürlich können und müssen wir uns damit beschäftigen, wer wann welche Verantwortung getragen hat. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist richtig und wichtig. Aber die Menschen vor Ort in Hannover und überall in Niedersachsen interessiert am Ende des Tages, wenn alle diese Daten und Fakten zusammengetragen und aufgeklärt worden sind, eigentlich nur eine Frage: Woher kommt die Lauge? Warum ist sie radioaktiv? Ist die Langzeitsicherheit der Asse für Menschen und Umwelt gesichert? - Diese Frage muss uns vordringlich beschäftigen. Deshalb ist es gut, wenn jetzt alle Beteiligten - allen voran Umweltminister Sander, Forschungsministerin Schavan und Bundesumweltminister Gabriel - an einem Tisch sitzen und diese Frage kurzfristig klären lassen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, dient den Menschen vor Ort, der Klamauk, der hier heute Morgen zum Teil veranstaltet worden ist, jedoch nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Abgeordneten Oesterhelweg von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unverständnis, ungläubiges Staunen, Kopfschütteln, Ärger, Wut, Unsicherheit, Angst - die Bandbreite der Reaktionen auf die Erkenntnisse und Diskussionen der jüngsten Zeit zu Asse II ist groß. Vielen Menschen wird schlagartig klar, dass man sie hinters Licht geführt - einige sagen auch: belogen und betrogen - hat. Unter den gegenwärtigen Umständen traue ich persönlich weder dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie noch dem Helmholtz-Zentrum in München mehr über den Weg.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Noch der Regierung!)

Meine Damen und Herren, was uns hier im Rahmen der Beratungen des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz geboten wurde, war eine Unverschämtheit und eine Missachtung des Parlaments. Auch das Bundesforschungsministerium - ich sage das ganz bewusst - hat hier kein überzeugendes Bild abgegeben.

Meine Damen und Herren, wenn wir als Politiker schon so deutliches Misstrauen empfinden, was sollen die Bürgerinnen und Bürger in Remlingen, Wittmar, Vahlberg, ja im Landkreis Wolfenbüttel insgesamt denken? Was soll man noch glauben? Wem kann man noch trauen? - Gedanken, die vielen Menschen in meinem Landkreis durch den Kopf gehen. Selbst wenn keine akute Gefahr besteht - davon gehe auch ich aus -, so wird die Situation zumindest indirekt gefährlich, wenn wir nicht für vollständige Information und Offenheit sowie auch für mehr Sachlichkeit sorgen.

Ein Beispiel, auf das auch Marcus Bosse hingewiesen hat: Die Immobilienpreise vor Ort geraten unter Druck. Wer hat noch Vertrauen? Wer baut noch an der Asse? Wer investiert noch in unmittelbarer Nähe des Schachtes? - Ich hatte heute Morgen ein entsprechendes Telefonat. - Wer lässt sich dort noch nieder, wenn er kein Vertrauen hat und nicht mehr weiß, wem und was er noch glauben soll?

Asse II eignet sich nicht als Thema für parteipolitische oder persönliche Auseinandersetzungen. Mit der Angst der Menschen macht man keine Politik; man sollte es zumindest nicht tun. Wer gerne mit einem Finger auf andere zeigt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass gleichzeitig immer zumindest drei, manchmal sogar vier Finger zurückzeigen.

Meine Damen und Herren, Asse II ist kein Thema, das man in wenigen Sätzen beschreiben, und kein Problem, das man mit wenigen Federstrichen und einfachen Rezepten beheben kann. Wer hier sogenannte einfachste Lösungen von „alles raus“ bis „Deckel drauf“ präsentiert, täuscht entweder unbewusst sich selbst oder bewusst seine Mitmenschen. Sicherheit muss ganz oben und ganz vorn stehen.

Vor gut zwei Jahren hat der Wolfenbütteler Kreistag einmütig eine Resolution zum Thema Asse II beschlossen, die diesem Hause als Petition vorlag. Seitdem arbeiten wir gemeinsam daran. Vor fast genau einem Jahr hat Herr Minister Sander auf meine Einladung hin offen und ohne Vorbehalte mit Beteiligten und Betroffenen in Hedeper diskutiert. Ich denke, Herr Minister, das gemeinsame Gespräch mit unserem Landrat war vielleicht die Geburtsstunde der Asse-Begleitgruppe.

Heute sind es wieder der Minister und sein Staatssekretär Dr. Birkner, die schonungslos und ohne falsche Rücksichtnahme an der Aufklärung der Versäumnisse arbeiten, aber auch die Zukunft und die sichere Lösung im Blick haben. Dafür sind wir dankbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Asse II ist kein regionales Thema mehr. Das ist allen bewusst. Wir alle sind gefordert. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Menschen vor Ort größtmögliche Transparenz und maximale Sicherheit erfahren und dass sie wieder optimistisch in die Zukunft blicken können. Wir sind es ihnen schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile Herrn Minister Sander das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Asse II ist eine radioaktive Altlast, die die seit 1968 tätigen Vorgängerregierungen - unabhängig von ihrer jeweiligen parteipolitischen Zusammensetzung - geerbt haben. Die damalige Landesregierung aus CDU und FDP hat sich gegenüber dem Bund durchgesetzt: Die Asse wurde kein radioaktives Endlager, weil die Wissenschaftler schon damals klar und deutlich erklärt haben,

dass sich ein ausgebeutetes Salzbergwerk dafür nicht eignet.

Meine Damen und Herren, danach haben unterschiedliche Landes- und Bundesregierungen diese Erblast übernehmen müssen. Vielleicht kann man sagen, dass das Thema nicht mit der Intensität behandelt wurde, wie es nach dem Kenntnisstand, den wir heute haben, hätte erfolgen müssen. Seit den 90er-Jahren sind Laugeneintritte und auch das Problem, dass diese Laugen mit radioaktiven Abfällen aus Forschungsreaktoren und mit medizinischen Abfällen, die dort gelagert wurden, in Kontakt kommen würden, bekannt.

Seit 2001/2002, Herr Kollege Jüttner, ist bekannt, dass überhöhte Messwerte festgestellt worden sind. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte das Landesbergamt bzw. die Vorgängergesellschaft des heutigen Helmholtz-Zentrums die Landesregierung als Aufsichtsbehörde darüber informieren müssen. Wie man uns heute darstellt, sind diese Laugeneinflüsse unterschiedlichster Art wieder zurückgegangen. Sie waren zeitweise nicht mehr vorhanden, traten später jedoch wieder auf.

Nachdem im Jahre 2005 erneut festgestellt worden ist, dass Laugeneintritte vorkommen, musste bei diesem sensiblen Thema das Helmholtz-Zentrum das Landesbergamt um eine Genehmigung bitten. Darüber besteht nach heutiger Kenntnis gar kein Zweifel. Dieses einzig unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr nach § 19 des Atomgesetzes zu behandeln, war leichtsinnig und fahrlässig. Das war und ist nicht hinzunehmen. Daher werden diese Fragen im juristischen Bereich in Zukunft auf jeden Fall anders behandelt werden müssen.

Der Vorfall an sich, der jetzt bekannt geworden ist, ist ein Skandal. Ich kann Ihre Worte nur wiederholen, Herr Kollege Jüttner. Aber mindestens ebenso schlimm und nicht akzeptabel ist es, dass man die Bevölkerung, das Parlament, die Regierung, die Aufsichtsbehörde nicht umfassend darüber informiert hat.

Meine Damen und Herren, nun könnten wir über Schuldzuweisungen sprechen, auch darüber, wer damals in den 90er-Jahren Bundesratsminister und wer seit 1998 Bundesumweltminister war. All diese Fragen bringen uns aber nicht weiter. Klar und deutlich muss ich sagen: Erst mit der Großen Koalition war die Bundesforschungsministerin - denn sie ist die Ansprechpartnerin für die Asse - bereit, über das Thema zu sprechen. Ich kann Ihnen gern den Briefwechsel vom 14. Dezember 2004 auch mit ihrer Vorgängerin zur Verfügung stellen, in dem

ich besonders auf das Problem hingewiesen habe, dass wir ein Informationszentrum brauchen, um die Bevölkerung zu informieren. Die Antwort hat lange auf sich warten lassen. In ihr gab es auch einen interessanten Vorschlag zur Finanzierung: Wir als Genehmigungsbehörde sollten die Hälfte der Kosten übernehmen.

Meine Damen und Herren, wir haben dieses Problem jetzt erkannt. Hier muss ich den Bundesumweltminister Gabriel mit einbeziehen; denn er hat im letzten Jahr gemeinsam mit uns die Initiative ergriffen, Herr Kollege Oesterhelweg und Herr Kollege Bosse. Ich habe nicht nur in Hedeper, sondern auch danach mit ihm diskutiert. Wir haben einen Fragenkatalog aufgestellt. Die Abhandlung dieser Fragen sollte zum Teil bereits erfolgt sein. Diese Fragen kann die Landesregierung oder die Aufsichtsbehörde nicht abhandeln; diese Fragen müssen vom Helmholtz-Zentrum gemeinsam mit dem Landesbergamt erörtert werden.