Protocol of the Session on July 1, 2008

Wir wollen mit dem NGG aber auch erreichen, dass Frauen und Männer Beruf, Aufstiegsmöglichkeiten und Karriere sowie die Lebensplanung nach eigenen Vorstellungen wählen können. Dabei ist es wichtig, Frau Twesten und Frau Groskurt, die unterrepräsentierten Geschlechter zu fördern - das machen wir weiter -, aber anders als im vorigen Gesetz auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Dies war in den wenigen Stufenplänen, die es vorher gab, nicht oder nur marginal enthalten. Wenn wir die Repräsentanz von Frauen verbessern wollen - auch im Hinblick auf den demografischen Wandel, wo wir mehr Frauen sowohl als Mütter als auch als Arbeitnehmerinnen auch in hohen Positionen brauchen -, müssen wir Motivationen schaffen. Wir brauchen für mehr Männer die Möglichkeit einer Familientätigkeit. Darauf muss das Augenmerk gerichtet werden. Das tun wir.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eines will ich noch erwähnen: Es wird so getan, als wollten wir uns von der Frauenförderung verab

schieden. Ich habe gesagt, das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht fördern wir weiterhin. Es wird sogar ausdrücklich erwähnt, dass wir dem EuGHUrteil entsprechen wollen, in dem festgestellt wurde, dass ein Geschlecht sogar bevorzugt werden darf, solange es mit unter 45 % repräsentiert ist. Von daher können Frauen bei Einstellungen bevorzugt werden, da dies für sie ja meistens zutrifft.

Weiterhin ist enthalten, dass Familienzeit und Elternzeit einen Kompetenzzuwachs bedeuten. Auch das wird in diesem Gesetz erstmals erwähnt. Dies zu sagen, ist ein wichtiger Punkt. Für Manager gibt es in teuren Kursen die Möglichkeit, Fähigkeiten im Krisenmanagement oder auch soziale Kompetenz zu erwerben. Wer Elternzeit nimmt, schafft das auch so.

Ich kann also sagen: Das NGG enthält viele Neuerungen. Das alte Gesetz von 1994 ist noch lange nicht erfüllt worden, Frau Groskurt. Das hatte noch einige Haken. Wir haben es aktualisiert und verbessert. Jetzt haben wir für die Verwaltung ein moderneres Gesetz, das durchaus auch für die Wirtschaft Vorbildcharakter haben kann. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass sich die Wirtschaft und alle Firmen, die wir mit diesem Gesetz, weil es auf die Verwaltung beschränkt ist, nicht erreichen können, daran ein Beispiel nehmen. Große Firmen haben längst gemerkt: Je mehr Frauen es in den Führungsgremien gibt, desto größer ist der Firmenerfolg. Das werden wir in der Verwaltung in Niedersachsen anstreben, genauso wie hoffentlich auch die Wirtschaft diesem Beispiel folgen wird.

Dieses NGG ist ein gutes Gesetz, und es wird Niedersachsen nach vorne bringen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Ministerin Ross-Luttmann. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Artikel 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes besagt: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. - Aber diese Vorschrift muss im Alltagsleben umgesetzt werden. Das heißt: Wir brauchen Familien, die partnerschaftlich zusammenarbeiten. Wir brauchen Betriebe, die familienfreundliche Strukturen aufweisen. Vor allen Dingen brauchen wir Frauen, die Karriere auch wollen. Noch nie waren unsere Frauen, unsere jungen Mädchen, so gut ausgebil

det und hatten so hohe Studienabschlüsse. Allein der Anteil der Abiturientinnen beträgt 57 %. Wir haben 50% Studienabsolventinnen und 20 % Professorinnen in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, das sind Erfolge. Man muss sich einmal vergegenwärtigen, wie Frau Selbert damals darum gekämpft hat, dass dieser Artikel 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes Wirklichkeit werden konnte.

Wenn ich mir die Berichte der Landesregierung an den Landtag aus den Jahren 2000 und 2004 über die Durchführung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes anschaue, wird mir eines immer wieder deutlich: Eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern an Führungspositionen im öffentlichen Dienst stößt in der Regel dort an ihre Grenzen und auch auf Schwierigkeiten, wo die Wahrnehmung von Familienaufgaben und das berufliche Engagement nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Daraus müssen wir den Schluss ziehen, dass es unsere Aufgabe sein muss, eine zufriedenstellende Balance zwischen Beruf, Familie und Privatleben herzustellen. Wir müssen es deshalb den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch stärker als bisher ermöglichen, ihr berufliches Fortkommen und ihre Familie gut miteinander zu vereinbaren. Deshalb ist die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit ein Kernziel in dem vorgelegten Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CDU)

Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Gleichstellungspläne künftig auch Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufzeigen müssen. Das heißt aber nicht, dass dem anderen Schwerpunkt, Frauen in der öffentlichen Verwaltung einen höheren Stellenwert als bisher zu verschaffen, nicht mehr Rechnung getragen werden soll. Gleichberechtigung im öffentlichen Dienst kann nach meiner Überzeugung nur im Miteinander der Geschlechter erfolgreich vorangebracht werden. Deshalb halte ich es auch für sinnvoll, dass die Vorschriften über die gleichberechtigte Beteiligung, das Diskriminierungsverbot und die Regelungen zur Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit für Frauen und für Männer gelten.

Der Gesetzentwurf sieht einen Bürokratieabbau vor. Das Gesetz wird schlanker. Detailregelungen werden abgebaut. Sehr geehrte Frau Kollegin Twesten, es ist richtig, dass der Gesetzentwurf keine Vorschriften über die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz mehr enthält. Sie müssen aber auch sehen, dass das Leben weitergeht. Wir müs

sen nur das regeln - das sei auch Ihnen gesagt, Frau Groskurt -, was noch nicht geregelt ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Frage der sexuellen Belästigung ist im allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz umfassend geregelt. Das gilt selbstverständlich auch für Niedersachsen. Wenn wir bereits eine gute Regelung haben, müssen wir diese nicht noch einmal explizit in ein weiteres Gesetz aufnehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von daher bin ich mir sicher, dass es uns gemeinsam gelingen wird, die Vorschriften über die Gleichstellung im öffentlichen Dienst moderner, effektiver und ohne große Bürokratie zu gestalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Gesetzentwurf soll federführend dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und mitberatend dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen werden. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Es ist so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes und des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/292

Wir kommen zur Einbringung. Dazu hat sich Herr Perli von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute vor zwei Wochen hat in Hessen eine parlamentarische Mehrheit von Linken, SPD und Grünen sämtliche Studiengebühren an hessischen Hochschulen abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Die Linksfront!)

Diese Entscheidung ist von großer Bedeutung für junge Menschen und für die Demokratie in Deutschland. Es lohnt sich, für eigene Rechte einzutreten, sich zu engagieren und auf die Straße zu gehen. Schüler, Auszubildende und Studierende können ihre Forderungen so stark machen, dass die Parlamentarier sie nur noch in Gesetze zu gießen brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor allem aufgrund der weitreichenden hessischen Entscheidung, aber auch deshalb, weil in Hamburg ein klein wenig an den Gebührenhebeln gedreht worden ist, stehen wir in Niedersachsen vor der Herausforderung, Konsequenzen zu ziehen und die Abwanderung junger Menschen zu verhindern. Weder an den Hochschulen noch in der Gesellschaft existiert eine ausreichende Akzeptanz für das Bezahlstudium. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass sich in der CDU, wohl bedingt durch die drastischen Stimmenverluste in allen großen Universitätsstädten, die kritischen Stimmen mehren. Der niedersächsische Landeschef des RCDS, der Studierendenorganisation der CDU, ließ sich am 8. April wie folgt in der HAZ zitieren:

„Wenn die Nachbarländer von den Beiträgen abrücken, müssen wir überlegen, wie wir die Studenten in Niedersachsen halten können.“

So formulierte es Patrick Holtermann ganz richtig.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schlägt die Fraktion DIE LINKE vor, die Gebührenfreiheit des Studiums an niedersächsischen Hochschulen wiederherzustellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bildung ist keine Ware, sondern ein soziales Grundrecht, zu dem jeder Mensch einen gleichberechtigten Zugang haben sollte. Die Entwicklungschancen eines und einer jeden stehen heute mehr denn je im Zusammenhang mit dem freien Zugang zu Information, zu Wissen und zu der Möglichkeit, sich zu bilden und an der Kultur der Gesellschaft teilzuhaben. Leider ist die Realität jedoch eine andere. Bildungszugang und Erfolg hängen mehr denn je in extrem hohem Maße von der sozialen Herkunft ab. Bestehende soziale Ungleichheiten, die ja zum Kapitalismus gehören wie der Regen

zur Wolke, werden durch frühzeitige Auslese und soziale Ausgrenzung reproduziert und durch Instrumente wie die Studiengebühren sogar noch verstärkt.

Studiengebühren schrecken ab. Nach einer Studie der HIS, der Hochschulinformationssystem GmbH, entscheidet sich ein Fünftel der Studienberechtigten aus finanziellen Gründen gegen ein Studium. Zu Beginn der schwarz-gelben Koalition im Jahr 2003 rückte die Studienanfängerquote, der Indikator für die Attraktivität von Hochschulen, mit 39 % endlich langsam an die lang ersehnte Zielmarke von 40 % heran. Kaum an der Macht, hat die Regierungskoalition den Hochschulen dann einen dramatischen Sparkurs verordnet und entgegen allen Wahlversprechen die Studiengebühren eingeführt. Die Quittung ist, dass die Quote der Studienanfänger bis 2006, dem Jahr der Einführung der Gebühren für Erstsemester, auf 35,7 % gesunken ist. Ein Jahr später, also 2007, ist die Quote vom schlechtesten Wert im gesamten Jahrtausend auf den zweitschlechtesten Wert im gesamten Jahrtausend gestiegen. Prompt feiert Herr Stratmann das Ganze nun als Erfolgsmodell Studiengebühren. Herr Stratmann, der zweitschlechteste Wert bedeutet aber immer noch einen Abstiegsplatz. Er bedeutet nicht den Titel bei der Europameisterschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Studiengebühren sind ungerecht. Sie benachteiligen studierwillige Menschen ohne gesättigten finanziellen Hintergrund. Viele Eltern sehen sich unter Druck gesetzt und in die Pflicht genommen. Erwachsene Menschen leben plötzlich wieder in finanzieller Abhängigkeit von ihren Eltern. Andere werden, statt jeden Tag an der Uni zu lernen, gezwungen, nebenbei zu arbeiten. Wieder andere kommen aus der Uni und schleppen einen Schuldenberg von bis zu 15 000 Euro hinter sich her. Es spricht ja Bände, dass die rechte Parlamentshälfte für ein Neuverschuldungsverbot des Staates ist, aber zeitgleich das studierende Individuum durch ihre Politik in die gesetzlich geförderte Verschuldung treibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Studiengebühren machen krank. Sie sind Teil der von Ihnen forcierten Fast-Food-Kultur im deutschen Bildungswesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sind damit auch wissenschafts-, ja sogar wissensfeindlich.

Studiengebühren bedeuten eine Privatisierung der öffentlichen Bildungsfinanzierung. Sie sind ein Einfallstor für die Profitinteressen von Konzernen und Banken.

(David McAllister [CDU]: Auch das noch!)

- Welchem gesellschaftlichen Zweck aber dienen Hochschulen, Herr McAllister, unter diesem Einfluss? - Wer über Jahre hinweg Steuern für Reiche und Großbetriebe senkt, trägt auch die Verantwortung für leere Kassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es war in diesem Land jahrzehntelang möglich, gebührenfrei zu studieren. Mir ist kein einziger Reichtums- oder Armutsbericht bekannt, der ausweist, dass die Zahl der Reichen gesunken oder der gesamte gesellschaftliche Reichtum nicht gestiegen wäre.