Das Wichtigste ist für uns zunächst: Die Kinder aus bedürftigen Familien, aus Arbeitslosengeld-II-Empfänger-Familien bekommen die Fahrtkosten durch das Bildungspaket des Bundes finanziert. Das ist zwar mit hohen Hürden behaftet und auch keine Dauerlösung, aber es ist ein erster Schritt.
Wenn wir jetzt aber ins Schulgesetz schreiben, dass alle die Fahrtkosten erstattet bekommen, dann kann das Land nicht einmal mehr die Gelder aus dem Bildungspaket abziehen, weil die sozialrechtliche Bundesregelung gegenüber der Landesregelung nachrangig wäre. Der Teufel steckt also im Detail.
Aber, meine Damen und Herren von CDU und FDP, es sich so einfach zu machen, wie Sie es wieder einmal tun, nämlich nur zu sagen „Das kostet viel Geld, deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf ab“, ist uns ein bisschen zu wenig.
Denn Niedersachsen steht eben nicht, wie die Kollegin Meyer zu Strohen ausgeführt hat, besonders gut da, sondern liegt in der Finanzierung der Beförderungskosten ziemlich weit hinten.
Ich denke, es ist schon richtig, in einem ersten Schritt die wichtigsten Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Dazu hätten Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich ein kluges Modell vom Ministerium ausarbeiten lassen können; das tun Sie ja sonst auch manchmal. Das Ministerium hatte sich schon sehr intensiv mit verschiedenen Lösungsvarianten befasst. So könnte das Land die Fahrtkosten doch zumindest bei sehr geringem Familieneinkommen vollständig oder, nach Einkommen gestaffelt, anteilig übernehmen. Das hätten wir durchrechnen können. Aber eine weitere Erörterung war nicht möglich.
Wir haben viel Sympathie für den vorgelegten Gesetzentwurf, werden uns aber heute enthalten, weil wir die Generallösung, alles zu finanzieren, angesichts der finanziellen Situation augenblicklich noch für zu weitgehend halten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Fraktion der Linken bestanden drei Problemfelder in Niedersachsen.
Das erste Problemfeld ist dadurch entstanden, dass man nach der Abschaffung des Berufsgrundbildungsjahres zwar die Berufseinstiegsklassen in die kostenfreie Schülerbeförderung einbezogen hat, nicht aber die Berufsfachschulen, und dass der Besuch einer Berufsfachschule - was inhaltlich richtig ist - nicht mehr an den Realschulabschluss als Eingangsvoraussetzung gekoppelt ist. Das
führt an den Berufsfachschulen dazu, dass Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss Fahrtkostenerstattung bekommen, während Schülerinnen und Schüler mit Realschulabschluss keine Fahrtkostenerstattung bekommen. Das ist eine Ungerechtigkeit. Würde man sie abstellen wollen, müsste man dafür 8 Millionen Euro investieren. Das ist bei den letzten Beratungen deutlich geworden.
Das zweite Problemfeld ist bei der Umstellung auf das Abitur nach zwölf Jahren entstanden. Das hat der Kollege Poppe zu Recht ausgeführt. Ein Problem ist in der Tat, dass ein Schüler, der von der 9. Klasse des Gymnasiums in die Einführungsphase der Oberstufe einer berufsbildenden Schule, also in ein berufliches Gymnasium, wechselt, keine Fahrtkostenerstattung mehr bekommt, obwohl in der Einführungsphase am allgemeinbildenden Gymnasium die Fahrtkosten noch erstattet werden.
Wenn man das hätte lösen wollen, hätte man eine neue Ungerechtigkeit geschaffen, wenn nämlich diejenigen, die nach dem erweiterten Sekundarabschluss I von der Realschule in die Einführungsphase eines beruflichen Gymnasiums wechseln, auch die Fahrtkostenerstattung bekommen, aber diejenigen, die dann auf das Gymnasium gehen, nicht, weil sie den Sekundarabschluss I erreicht haben. Also auch hier lässt sich keine Einzelfalllösung finden, ohne eine neue Ungerechtigkeit zu schaffen.
Ein anderes wichtiges Problem, über das wir bei der Einbringung des Gesetzentwurfs diskutiert haben, war die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit den Sozialhilfeberechtigten, mit den Hilfebedürftigen, mit den Kindern um, deren Eltern ein geringes Einkommen haben? - Dieses Problem hat sich nach Änderungen am Schüler-BAföG aufgetan. Diese Problematik ist mittlerweile mit dem Bildungs- und Teilhabepaket - mit den Änderungen, zu denen die Kollegin Meyer zu Strohen schon Ausführungen gemacht hat - behoben worden. Das heißt, hier ist schon eine große soziale Ungerechtigkeit gelöst worden.
Gleichwohl hält die Linksfraktion daran fest, eine Pauschallösung für das Land zu fordern nach dem Motto „Freifahrtscheine für alle“ wohl wissend, dass das den Landeshaushalt mit jährlich 75 Millionen Euro belasten würde. Das sind die Zahlen, die das Ministerium in den Ausschussberatungen vorgelegt hat.
In der Tat fällt es uns nicht leicht, zu sagen, das Geld dafür ist nicht da. Aber zu einer verantwortungsvollen Politik gehört auch, zu sagen, was möglich ist und was nicht möglich ist. Den Kommunen für die Schülerbeförderung 75 Millionen Euro zusätzlich aus dem Landeshaushalt zur Verfügung zu stellen, ist momentan nicht möglich. Interessanterweise stellt das auch die Fraktion DIE LINKE jedes Jahr wieder fest. In Ihre Änderungsanträge zum Haushalt stellen Sie nämlich nicht 75 Millionen Euro ein, sondern nur 30 Millionen Euro. Das ist Ihre Finanzpolitik! Da fehlen lockerflockig 45 Millionen Euro, und keiner weiß, woher die kommen sollen. So viel zu der Nachhaltigkeit Ihrer Gesetzentwürfe!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Försterling, es hätte geholfen, meiner Rede zuzuhören. Ich habe gesagt: im ersten Jahr die Hälfte. - Das sind die 30 Millionen Euro. Die Haushaltsanträge betreffen immer den Haushalt des nächsten Jahres. Das nur zur Erklärung, weil Sie eben die Behauptung aufgestellt haben, wir würden in den Haushaltsanträgen ständig die Hälfte der auf das Land zukommenden Kosten vergessen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man einen Gesetzentwurf einbringt, der das regeln soll, und dann Haushaltsanträge einbringt und feinsinnig sagt „Ja, wir stellen hier die Forderung auf, dass alle kostenlos zur Schule fahren können“, aber dies erst ab dem 1. August gelten soll, dann führt man die Menschen meiner Ansicht nach auch ein wenig hinter die Fichte.
Wenn Sie sagen, die Schülerinnen und Schüler sollen kostenlos befördert werden, dann kann das doch wohl auch ab dem 1. Januar gelten. Das wäre dann wirklich sozial gerecht. Wie erklären Sie
den Hilfebedürftigen, dass die anderen das ab dem 1. August bekommen, Sie aber ab dem 1. Januar die Kosten nicht übernehmen wollen? - Da führen Sie die Menschen hinter die Fichte - wie mit dem Rest Ihrer Finanzpolitik!
Meine Damen und Herren, eine Erwiderung wird nicht gewünscht. Dann hat jetzt Herr Minister Dr. Althusmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich um eine sehr differenzierte Betrachtung bemühen
und versuchen, die Sach- und Rechtslage so darzustellen, dass es wirklich deutlich wird. Frau Korter, ich möchte einen Satz von Ihnen gerne aufgreifen, aber leider hören Sie nicht zu. Immer dann, wenn ich Sie lobe, hören Sie nicht zu. Wenn ich Sie kritisiere, dann gehen Sie die Wände rauf. Ich fand Ihren Satz sehr beeindruckend. Sie haben gesagt, es sei eben nicht alles gleichzeitig finanzierbar, sondern wir sollten stufenweise vorgehen. Ich finde diese Einsicht bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausgesprochen wohltuend.
Denn ich habe schon andere Einlassungen von Ihnen erlebt, bei denen ich immer den Eindruck hatte, dass es Ihnen schlechterdings egal ist, ob das Land eine Nettoneuverschuldung von 2 Milliarden Euro oder 3 Milliarden Euro oder eine Gesamtverschuldung von wie viel Milliarden Euro auch immer hat. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie sich sehr wohl für Schwerpunktsetzungen ausgesprochen und in Ihrem Schlussplädoyer gesagt: Wir enthalten uns der Stimme, weil wir zurzeit andere Schwerpunktsetzungen vornehmen, z. B. im Bereich der Inklusion. - Darüber wird zu reden sein.
Meine Damen und Herren, die Landkreise und kreisfreien Städte sind Träger der Schülerbeförderung. Wir diskutieren hier im Moment einen Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE so, als sei das Land Träger der Schülerbeförderung insgesamt.
Nun einmal zur Sach- und Rechtslage: Die Landkreise bekommen immerhin eine Summe von fast 272 Millionen Euro für ihren eigenen übertragenen Wirkungskreis vom Land Niedersachsen zugewiesen!
Das ist eine im Vergleich zu anderen Bundesländern ausgesprochen gute Beteiligung des Landes an den Kosten der Schülerbeförderung, deren Organisation vor Ort in den Landkreisen liegt. Ich will hier darauf hinweisen, dass wir inzwischen auch durch Schulgesetzreformen in der Vergangenheit in einigen Landkreisen eine Situation haben, in der es ganz offensichtlich u. a. auch darum geht, für bestimmte Schulformen, die favorisiert werden - um es nicht ideologisch zu machen -, die Kosten der Schülerbeförderung auf jeden Fall zu übernehmen, gleichgültig wie weit die Schulen entfernt sind.
Das wird in den Kreistagen entsprechend beschlossen, und bei allen anderen ist es dann nicht ganz so wichtig. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass wir, was die Verantwortung angeht, mit den Kommunen in einem Boot sitzen, wenn diese fast 272 Millionen Euro in Niedersachsen für die Schülerbeförderung ausgegeben werden.
Zurzeit beschränkt sich die Schülerbeförderung in ihrer Systematik gemäß § 114 Schulgesetz grundsätzlich auf den Primarbereich und auf den Sekundar-I-Bereich. Wir haben es aber auch dank des niedersächsischen Einsatzes im Zuge des Bildungspakets erreicht, dass jetzt, seitdem die Maßnahmen des Bildungspakets greifen, für alle Schülerinnen und Schüler, deren Eltern Wohngeldempfänger sind - die also eine Anspruchsberechtigung nach dem Sozialgesetzbuch im weitesten Sinne haben -, auch im Sekundar-II-Bereich die Kosten für die Schülerbeförderung übernommen werden. Wir sind also im Zuge des Bildungspaketes auch mit Blick auf unser Bundesland und mit Blick auf die Umsetzung der Maßnahmen des Bundes in dieser Frage einen entscheidenden Punkt vorangekommen.
Frau Meyer zu Strohen hat dargestellt, wie es in anderen Bundesländern aussieht. Hier bitte ich wirklich um eine differenzierte Betrachtung. Zu einer solch weitgehenden Regelung wie der im Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE geforderten
rechtlichen Grundlage, nach der es eine uneingeschränkte Kostenerstattung für die Beförderung aller Schülerinnen und Schüler geben soll - im Übrigen: die Kostenbegrenzung ist nicht auf das jeweilige Gebiet der Landkreise beschränkt, sondern soll nach dem Gesetzentwurf am Ende ersatzlos entfallen -, gebe ich zu bedenken: Wenn wir dem Gesetzentwurf folgen würden, dann kämen wir künftig zu einer grundsätzlichen Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung, also zu einer Landesschülerbeförderung. Dann müssten außerhalb der Mindestentfernungsgrenzen alle Kosten, die durch die Schülerbeförderung anfallen, durch das Land Niedersachsen getragen werden. Das wird dem Anspruch einer Partnerschaft zwischen dem Land und den Kommunen in dieser Frage nicht gerecht. Denn es gibt eine Vielzahl von Kommunen, die für bestimmte Schülergruppen sagen: Wir organisieren das und zahlen für die Kinder, wenn sie zu Sprachfördermaßnahmen fahren müssen, zusätzlich Geld für deren Beförderung.
In Nordrhein-Westfalen gibt es eine solche Regelung nicht. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine solche Regelung nicht. In Baden-Württemberg, in Bayern, in Rheinland-Pfalz, in SachsenAnhalt, Thüringen gibt es zwar eine Kostenerstattung ab Klasse 11, sie beteiligen aber die Eltern daran. Sogar im Primarbereich und im Sekundar-IBereich werden die Eltern in Baden-Württemberg daran beteiligt. Wie lautet also die Alternative, die wir als Kultusministerium Ihnen hätten vorlegen können? Wenn wir uns darüber im Klaren sind, wie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Koalitionsfraktionen gesagt haben, dass 75 Millionen Euro nicht einmal eben da sind, dann müssten wir die Eltern in Niedersachsen beteiligen, es sei denn, man hätte die Einstellung der Fraktion DIE LINKE: Egal, wer es bezahlt, wir bestellen schon einmal im Vorwege. Das wird letztendlich nicht zielführend sein.
Insofern kann ich nur feststellen: Wir haben für die Kinder mit Behinderungen, wir haben für die Kinder im Bereich der Berufseinstiegsschule, wir haben für die Kinder in den ersten Klassen der Berufsfachschulen schon jetzt die Regelung, dass wir die Kosten dafür über die Kommunen gemäß § 114 des Schulgesetzes tragen. Eine weitergehende Regelung ist aber angesichts der Finanzlage des Landes Niedersachsen nicht machbar. Landkreise und kreisfreie Städte können als Träger der Schülerbeförderung natürlich im Rahmen der
freiwilligen Ausgaben darüber hinausgehen. Aber auch deren Finanzlage lässt dies schlechterdings nicht zu.
Ich kann mich gut daran erinnern, dass die Fraktion DIE LINKE hier nicht zum ersten Mal einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der nicht finanzierbar ist. Denken Sie an die Initiative „Kinder sind mehr wert“. Sie haben uns hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, der mal eben 1,3 Milliarden Euro Mehrkosten zur Folge hätte. Wenn, wie Sie vorhin gesagt haben, der Gesetzentwurf seit Oktober letzten Jahres beraten wird, dann kann ich nur feststellen: Sie haben die Zeit nicht genutzt, um einen wirklich seriösen Finanzierungsvorschlag dafür vorzulegen. Deshalb kann man ihn nur ablehnen.