Protocol of the Session on May 27, 2011

„Ehrlich gesagt, Herr Riese, bei dem, was Sie ausführen, habe ich eigentlich wenig Hoffnung, dass das, was wir an Argumenten hier liefern, irgendwie bei Ihnen ankommt. Sie haben genau das bestätigt, was ich gerade gesagt habe, nämlich dass Sie spitzfindig argumentieren, wenn Sie sagen, ‚in Aussicht gestellt’ heißt ‚nicht beschlossen’.“

Diese Angriffe gegen meine Person durch Frau Staudte weise ich hiermit ausdrücklich zurück.

(Zuruf von der SPD: Das sind keine Angriffe, das ist eine Feststellung!)

Zur Geschichte, wie es wirklich war - meine Damen und Herren, ich bitte, mir da noch zu folgen -: Am 3. November 2010 hat die Kollegin Frau Staudte außerhalb der Tagesordnung im Ausschuss angeregt, das Kinderheim in Lohne zu besuchen. Das ist dort nicht beschlossen worden.

(Zuruf von der SPD: Was soll denn das hier werden? - Weitere Zurufe)

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt keine Fragestunde, sondern Herr Riese gibt eine persönliche Bemerkung ab. Geben Sie ihm bitte Gelegenheit dazu!

Am 27. Januar 2011 erfolgte im Ausschuss eine Unterrichtung durch die Landesregierung über die genannte geschlossene intensivpädagogische Wohngruppe des Caritas-Sozialwerks in Lohne. An diese Unterrichtung schloss sich eine Diskussion an. In dieser Diskussion haben mehrere Mitglieder des Ausschusses vorgeschlagen, das geschlossene Kinderheim in Lohne zu besuchen. Ein Kollege im Ausschuss hat vorgeschlagen, entweder dieses zu tun oder Vertreter des Heimes in den Ausschuss einzuladen. Das Letztere hat im Ausschuss sofort eine Mehrheit gefunden. Eine Woche später hat die Unterrichtung mit Vertretern des Kinderheims in Lohne stattgefunden, nämlich am 4. Februar.

Ich fordere Frau Staudte auf, von nun an genauer zu unterscheiden, was sie persönlich durchsetzen möchte und was der Ausschuss einvernehmlich beschlossen hat. Ich halte ihr ihre Jugend zugute.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das schlägt auf Sie zurück! - Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vor. Herr Schwarz, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, ich möchte vom Präsidium gerne wissen, ob es seit Neuestem erlaubt ist, hier relativ lange Passagen aus Protokollen über nicht öffentliche Ausschusssitzungen vorzutragen, damit man sich zukünftig daran orientieren kann.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schwarz! Meine Damen und Herren! Es ist eindeutig gewesen, dass Herr Riese nicht aus dem Protokoll zitiert, sondern Beratungsgegenstände beschrieben hat. Ich erinnere mich an viele Gelegenheiten in diesem Hause, bei denen das auch so praktiziert worden ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Von daher habe ich nicht die Notwendigkeit gesehen einzugreifen. Wenn er wörtlich zitiert hätte, hätte ich das natürlich getan.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 23 auf, dessen Beratung wir gestern auf heute verschoben haben:

Abschließende Beratung: Kein neuer Feldversuch mit Gigalinern in Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3409 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/3619

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Niedersachsens Straßen soll auf Drängen von Verkehrsminister Bode nach 2006 und 2007 erneut ein unsinniger Feldversuch für Riesenlastwagen durchgeführt werden, um die große Skepsis gegen Gigaliner auf unseren Straßen, die es in der Bevölkerung und bei vielen Fachleuten noch gibt, mit der Macht des Faktischen aufzuweichen.

Wenn dafür tatsächlich bis zu 400 Groß-Lkw zugelassen werden, wie von Verkehrsminister Ramsauer im Bund geplant wird, ist das der Versuch, wegen der damit verbundenen Vorleistung vieler Unternehmer im Anschluss gezielt eine generelle Genehmigung durch die Hintertür zu erzwingen.

Dabei liegen so viele überzeugende Gegenargumente von den unterschiedlichsten Seiten auf der Hand, um den Spuk per Beschluss endlich zu beenden. Verkehrswissenschaftler und die Bundesanstalt für Straßenwesen warnen vor Monstertrucks wegen erhöhten Fahrwegverschleißes, erhöhter Unfallgefahr durch die Überlänge, Gefährdungen für die Tragfähigkeit von Brücken und das Rückhaltevermögen von Leitplanken bei Unfällen. Probleme entstehen auch auf Park- und

Rastplätzen, engen Fahrspuren, Kreuzungen, Kreisverkehren und Eisenbahnübergängen.

Eine Studie der Beraterfirma Timm Consult warnte schon vor fünf Jahren vor einer Rückverlagerung von Schwerlastverkehr von der Schiene auf die Straße. Das ist jetzt durch eine noch umfassendere Studie des Fraunhofer-Instituts für Systemforschung vom vergangenen Jahr bestätigt worden. Darauf beziehen Sie sich sonst auch immer gerne. Danach berührt die Einführung der Megatrucks Marktsegmente, die aufgrund des Ladevolumens bislang vorwiegend mit der Bahn transportiert wurden.

Das ist das entscheidende Argument, über das wir uns heute noch einmal verständigen sollten. Die Forscher vom Fraunhofer-Institut resümieren, bei hochwertigen Produkten und Containertransporten würden zwischen 10 % und 30 % des bisherigen Bahngütertransports auf die Straße verlagert, bei einzelnen Relationen des kombinierten Verkehrs würde ein Einbruch des Aufkommens für die Schiene sogar um bis zu 85 % eintreten.

Diese Ergebnisse treten natürlich nicht sofort ein, sondern wären die Folge einer späteren Marktdurchdringung der Monstertrucks innerhalb von fünf bis zehn Jahren. Das ist logisch. Sie haben einen Marktvorteil, weil statt drei Lkw nur zwei Fahrer benötigt werden, weil sie weniger Diesel verbrauchen und weniger Mautkosten verursachen. Dies würde sich massiv zugunsten des Straßengütertransports auswirken. Mithin ist diese Marktauswirkung nicht in irgendeiner Weise durch einen erneuten Modellversuch in der Praxis auszuprobieren, sondern man muss tatsächlich vorher wissen, was man anrichtet.

Minister Bode versucht im Grundsatz mit der gleichen Masche, die Öffentlichkeit im Interesse der großen Spediteure hinter das Licht zu führen, wie es sein FDP-Ministerkollege im Umweltressort schon mit der Auto-Lobby im Kampf gegen die Umweltzone probiert hat. Herr Sander ist mit seinem Unsinn einer grünen Welle für Autos zulasten des ÖPNV zum Glück letztendlich vor Gericht gescheitert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der von Herrn Bode versprochene vermeintliche ökologische Gewinn durch weniger Lkw für gleich viel Ladung konterkariert sich laut Gutachten selbst: Durch eine dadurch ausgelöste Marktverschiebung mit noch mehr Lkw-Transporten auf der

Straße werden weniger Güter auf der Schiene transportiert.

Auch diese Landesregierung hat sich dem CO2Minderungsziel verschrieben und kann deswegen einem solchen neuen Großversuch auf keinen Fall zustimmen. Ich appelliere deswegen an Sie - - -

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU] meldet sich zu Wort)

- Oh, eine Wortmeldung, Herr Präsident!

(Heiterkeit)

Das ist eine geschickte Methode, um mehr Zeit zu bekommen. - Herr Hoppenbrock, Sie haben eine Zwischenfrage.

Herr Kollege Hagenah, schön, dass Sie aufgemerkt haben. Wenn ich es eben richtig mitbekommen habe, haben Sie gesagt, durch die sogenannten Ökoliner

(Zurufe von den GRÜNEN)

nimmt der Druck auf die Straßen, nimmt der Verschleiß usw. zu. Wenn ich richtig informiert bin, sagen Sie immer, Sie seien Architekt. Wahrscheinlich sind Sie es auch.

Herr Kollege, Sie müssen eine Frage stellen!

Vor dem Hintergrund, dass zu dieser Ausbildung ein gewisses physikalisches Grundwissen gehört, frage ich als einfacher Landwirt den Architekten: Könnte es sein, dass dann, wenn ein bestimmtes Gewicht auf mehr Standfläche verteilt wird - es ist mindestens eine Achse mehr, wenn nicht sogar mehrere, die den Druck auf die Straße bringen -, der Verschleiß und der Benzinverbrauch geringer werden, sodass ökologisch und vom Straßenzustand her eine Menge gewonnen würde?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Hagenah, bitte!

Herr Kollege Hoppenbrock, dieses Argument werden Sie gleich wieder in Ihrem Redebeitrag vortragen. Ich höre es wohl, allein mir fehlt der Glaube,

dass Sie es als einziges Land im europäischen Kanon schaffen können, das zusätzliche Ladevolumen auf 40 t zu reduzieren, wenn sich diese Monstertrucks durchsetzen. In Skandinavien sind sie schon üblich. Der Markt zeigt heute schon, dass die jetzigen 40-Tonner leider heute schon häufig überladen sind. Das zeigt sich bei Stichproben, die viel zu selten durchgeführt werden. Stellen Sie sich das einmal mit einem 60-Tonner vor! Sie haben die Kapazität dazu. So werden sie gebaut. Sie können 60 t laden und gehen dadurch nicht in die Knie. Sie würden nur künstlich während dieses Versuchs auf 40 t beschränkt. Ich sagen Ihnen: Wenn Sie ihn erst einmal auf der Straße zugelassen haben, dann werden Sie am Ende auch die 60 t akzeptieren. Das zeigt alle Lebenserfahrung, die wir bisher mit Ihnen und mit den Verkehrsplanern gesammelt haben.

(Zuruf: Was Sie anderen unterstellen!)

Die hohe Last, die durch diese Lkw gerade auf die Brückebauwerke ausgeübt wird, ist nur ein Zusatzargument. Die eigentlich zerstörerische Wirkung kommt nicht nur durch den Druck von oben. Die Antriebsachse für einen 60-Tonner reißt uns tatsächlich den oberen Belag von der Unterkonstruktion weg, wenn diese Last darauf drückt. Entscheidend ist aber das Argument der Verkehrsverlagerung, wie ich ausgeführt habe. Das ist das tragende Argument für den Wirtschaftspolitiker in Ihnen, Herr Hoppenbrock. Das können Sie nicht zulassen. Das gilt auch für die anderen, die hier sitzen und die CO2-Minderungsziele vertreten.

(Jens Nacke [CDU]: So etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt!)

Herr Hagenah, jetzt noch einen letzten Satz!

Zusammengefasst: Wegen der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene, die uns durch Monstertrucks droht, kann es hier im Haus keine Mehrheit für einen neuen Feldversuch geben, wenn wir einigermaßen bei Trost sind.

Vielen Dank.