Protocol of the Session on May 26, 2011

Frau Präsidentin! Herr Minister, ich habe eine Frage zu der Patronatserklärung und zur Durchgriffshaftung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie gesagt haben, hier gebe es noch Unklarheiten, frage ich Sie: Warum sind die Kernkraftwerksgesellschaften in der Regel als Gesellschaften mit beschränkter Haftung organisiert? Mit welchen Formulierungen ist in den einschlägigen rechtlichen Grundlagen sichergestellt, dass für den Schadensfall eine Durchgriffshaftung in den Konzernen erfolgt? - Dazu hätte ich von Ihnen gern noch einmal eine genaue Formulierung und einen genauen Fundort.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Wenzel, das deutsche Recht verbietet es nicht, ein Unternehmen als

GmbH zu organisieren. Das tun Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen von großen und kleinen Unternehmern, ohne dass sie deshalb diskreditiert wären. Das hat ganz vernünftige Gründe. Hier haben vier Konzerne eine Patronatserklärung abgegeben, die meines Erachtens so dingfest ist, dass alle miteinander haften und ein von außen kommender Kläger an den jeweiligen mithaftenden Unternehmer herantreten kann.

Am Ende der ganzen Veranstaltung sage ich aber auch einmal Folgendes ganz deutlich: Wenn riesige Schäden entstehen, haften natürlich die Konzerne bzw. die Unternehmen in vollem Umfang. Wenn das Firmenvermögen jedoch weg ist, dann ist es weg. Dann wird irgendwann die Insolvenzgrenze erreicht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Warum ist die Patronatserklärung bis 2012 be- fristet? Warum ist das eine einseitige Erklärung der Konzerne?)

- Das ist eine spekulative Frage. Als die Patronatserklärung damals abgegeben wurde, war es ein langer Zeitraum. Wenn sich in der Welt nichts getan hätte, hätte man die Frist möglicherweise verlängert. Ich könnte mir vorstellen, dass eine freiwillige Vereinbarung, wenn sie denn gerichtssicher ist, genauso gut ist wie ein Gesetz. Würde es nicht zu einer freiwilligen Vereinbarung oder zu einer Verlängerung kommen, muss vielleicht der Gesetzgeber antreten.

Herzlichen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt für die SPD-Fraktion der Kollege Möhrmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass Minister Busemann für die Landesregierung erklärt hat, dass die Höhe der Rückstellungen deshalb sicher sei, weil das Bundesamt für Strahlenschutz Informationen zuliefern könne, in der Drs. 17/5350 des Deutschen Bundestages, also in der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes, aber steht, dass das Bundesamt für Strahlenschutz zu Fragen der Rückstellung keine Auskunftsrechte gegenüber den Kernkraftwerksbetreibern habe, dann weiter ausgeführt wird, dass das Steuergeheimnis danach eine Zusammenarbeit nur in sehr engen Grenzen erlaube und dass auch die Ministerien keine Einsichtsrechte hätten, und in dieser Drucksache schließlich gleichzeitig steht, dass das Bundesfinanzministeri

um bestätigt habe, dass die Finanzverwaltung die technischen Annahmen in den Gutachten nicht überprüfen könne, eine unabhängige Stelle zur Überprüfung der Annahmen nicht obligatorisch eingeschaltet werden könne, eine intensivere Unterstützung durch Fachbehörden - insbesondere durch das Bundesamt für Strahlenschutz - aber ebenso begrüßenswert wäre wie eine Aktualisierung der Kostenschätzung, frage ich Sie, wie Sie als Landesfinanzministerium zu einer ganz anderen Einschätzung kommen.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Möhrmann. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Herr Möhrmann! Die Bedenken des Bundesrechnungshofes gehen dahin, dass zum einen etliche Ministerien und Behörden zuständig sind. Viele Köche können den Brei verderben. Wo kommen wir an beleihungsfähige Daten heran?

Das andere ist, dass das BfS sagt - ob es sich hier nun herausredet oder nicht -, dass es gegenüber den Unternehmen keinen Anspruch auf Mitteilung habe. Es ist aber trotzdem nicht verboten - jede Steuererklärung wiederholt sich Jahr für Jahr -, in den Betrieb, in das Unternehmen hineinzugucken und miteinander zu korrespondieren, um zu richtigen und angemessenen Zahlen zu kommen. Die Betriebsprüfer der Länder befinden sich seit Jahr und Tag immer wieder in Abstimmungsprozessen, um genau zu gucken: Haben wir die passende Größenordnung für die Rückstellungen?

Damit es klar ist: Auf der Basis des Grundgedankens des HGB ist das Thema „Rückstellung“ auch im Interesse des Unternehmers richtig zu beleuchten, damit die richtige Größenordnung gefunden wird. All diese Dinge - Stilllegungskosten, Rückbaukosten, Brennelemententsorgung und sonstige Entsorgung - müssen einen Gesamtbetrag ergeben, der auf die Laufzeit des Kernkraftwerkes umgelegt wird. Wenn man den letzten Tag des Kernkraftwerkes nicht kennt, wird auf eine Laufzeit von 25 Jahren umgelegt. Über diese Zeitspanne kommt man letztendlich auf den richtigen Weg. Trotzdem will man für die Verwertbarkeit der Steuererklärung im Sinne des Unternehmens wie des Staates dafür sorgen, dass der Rückstellungsbe

trag in etwa der richtige ist. Überzieht der Unternehmer in seiner Rückstellung die Summe, was zunächst steuermindernd wäre, und bemerkt die Finanzbehörde diese Überziehung nicht sofort, sondern erst in den folgenden Jahren, würde sie sagen: Du hast überzogen. Du musst die Rückstellung wieder auflösen. Du hattest einen Steuererlass vielleicht zu einem Zeitpunkt, zu dem du ihn nicht gebraucht hast. - Also: Die Neigung des Unternehmens, hier über die lange Strecke, wie auch immer, zu betuppen, hält sich eigentlich in Grenzen, weil sich am Ende wieder eine richtige Größenordnung finden wird.

Danke schön. - Herr Kollege Aller von der SPDFraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Frau Präsidentin! Im Rahmen der Debatte über die Energiewende hat die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten - - -

Einleitende Bemerkungen - Herr Kollege Aller, aufgrund Ihrer Erfahrungen wissen Sie das - sind nicht gestattet.

Ich weiß gar nicht, wie Herr McAllister wissen soll, was ich frage - - -

Nein, Sie haben die Frage nicht mit einer Einleitung zu beginnen. Sie kennen doch die Spielregeln. - Herr Aller!

Ich frage nach den Ergebnissen des Gesprächs der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit der Energiewende, bei dem auch die Brennelementesteuer eine Rolle gespielt hat. Für mich wäre hochinteressant, zu erfahren, welche Ergebnisse dieses Gespräch der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten in der Summe und perspektivisch hatte und wie diese Steuer dazu beitragen kann, die Energiewende zu finanzieren. Diese Auskunft möchte ich gern haben.

Herzlichen Dank, Herr Aller. - Für die Landesregierung Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Aller, wenn das, was Sie angesprochen haben, Gegenstand des Gespräches gewesen wäre - war es aber nicht -, dann wäre es vertraulich gewesen. Kernwissen - Sie wissen das auch aufgrund Ihrer eigenen Tätigkeit in Ihren Gremien - ist nicht öffentlichkeitsfähig; zumindest nicht in dieser Phase.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt für die SPD-Fraktion der Herr Kollege Brinkmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie hat sich - bezogen auf die Höhe der Rückstellungen für das AKW Stade - die Finanzierung des Rückbaus des AKW Stade bisher gerechnet, und wäre die öffentliche Hand Ausfallbürge für die nicht durch die Rückstellung gedeckten Rückbaukosten?

Herzlichen Dank. Die SPD-Fraktion hat damit ihr Fragekontingent erschöpft. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Herr Kollege, bei allem Interesse Ihrerseits, das ich nachvollziehen kann, gibt es hierzu aber nur ein Stichwort: Steuergeheimnis.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Den Anteil der öffentlichen Mittel darf der Bürger aber doch erfahren!)

Die nächste Frage kommt von der Fraktion DIE LINKE. Herr Herzog, bitte!

Vor dem Hintergrund, dass die EU Anforderungen an die Rückstellung formuliert und einen getrennten Fonds mit eigener Verwaltung sowie ausreichend hohe Mittel, die transparent und kontrollierbar und auch gegen Konkurs und Spekulation gesichert sein müssen und zudem zweckentsprechend verwendet werden müssen, verlangt hat, frage ich die Landesregierung: Warum werden alle diese Vorgaben in Deutschland und in Niedersachsen nicht erfüllt?

Danke schön, Herr Herzog. - Für die Landesregierung hat jetzt das Wort Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Herzog, es sind keine Vorgaben der EU, aber nicht unvernünftige Vorstellungen, wie man das machen könnte.

Ich habe es vorhin schon gesagt: Insbesondere dann, wenn man noch längere Zeit Kernkraftwerke hätte, wäre es schon gut, diese nicht unbedeutenden Summen so zu sichern, dass sie insolvenzsicher sind, also durch andere Verläufe in den Unternehmen nicht irgendwann nicht mehr bezahlbar sind. Da ist man zugegebenermaßen nicht weitergekommen. Man muss die Beträge sozusagen aus dem Unternehmen auslagern. Nur dann sind sie insolvenzsicher. Man muss sie, wie wir sagen, konservativ mündelsicher anlegen. Das kann über Fonds oder andere Varianten passieren. Ich denke, dass diese Diskussion so oder so bald zu Ende geführt werden muss.

Von der Fraktion DIE LINKE stellt Herr Dr. Sohn eine nächste Zusatzfrage. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da wir jetzt aus dem Mund von Herrn Minister Busemann von der Landesregierung die Einschätzung vernommen haben - - -

Sie wissen auch: Einleitende Bemerkungen sind nicht gestattet. Sie haben den Satz mit den Worten „Da wir“ begonnen.

Ja, der Satz wird als korrekter Fragesatz enden. - - - dass diese 2,5 Milliarden Euro als Haftungsobergrenze für Malheurs - wie Sie das ausgedrückt haben - der Größenordnung Fukushima nicht reichen werden, frage ich die Landesregierung, was sie jetzt eigentlich daran hindert, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, die die realen Kosten - die Versicherungsmathematiker können ja jetzt auf den realen Erfahrungswerten von Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima aufbauen - für Schadensfälle zugrunde legt, die den AKW-Betreibern auferlegt werden müssten, um entsprechende

Versicherungsleistungen einzukaufen, die die realistische Schadensgröße, die nach Aussage der Landesregierung deutlich über 2,5 Milliarden Euro liegen müsste, so abdecken, dass nicht niedersächsische Steuerzahler letztlich dafür haften müssten. Das war, glaube ich, eine korrekte Frage.

(Zuruf von Fraktion DIE LINKE: Das war eine korrekte Frage!)

Das war eine korrekte Frage. Herr Dr. Sohn, Sie machen es mir nur sehr schwer; denn bei dem einen bleibt es nachher bei einer einleitenden Bemerkung und bei dem anderen nicht. Sie wissen, wie Sie es umschiffen und mir die Arbeit erleichtern können. Ich wäre Ihnen dankbar. - Herr Minister Busemann!

Frau Präsidentin! Herr Dr. Sohn, 2,5 Milliarden Euro sind sehr viel Geld für einen Schadensfall. Das ist wahrscheinlich der gebäudetechnische Gegenwert.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: 43 Milliar- den Euro!)

Wenn Sie aber aus Fukushima Größenordnungen zwischen 50 Milliarden und 100 Milliarden Euro hören und die Grenzen noch gar nicht erkennbar sind, dann weiß jeder, dass das durch solche Versicherungssummen nicht andeutungsweise abgedeckt ist.

Zur nächsten Betrachtung: Dahinter steht ein ganzes Unternehmen. Wäre von den vier Großen, die wir in Deutschland am Markt haben, einer überhaupt so stark, um solche Summen darzustellen? - Wenn wir sehen, was Shell offenbar an ein paar Hundert Milliarden Dollar in Bezug auf das Ölunglück im Golf bewegen kann, und überlegen, ob unsere Kernkraftwerksbetreiber und die dahinterstehenden Unternehmensverbünde das leisten könnten, dann können wir das dahingestellt sein lassen.

Sie sind ja Versicherungsprofi und wissen, dass alles - von der Kfz-Versicherung bis zur Gebäudeversicherung - irgendwo seine Grenzen hat, auch was die Versicherer machen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Rück- versicherung!)

Selbst wir als Pkw-Fahrer wissen das, auch wenn wir mittlerweile beachtliche Höchstgrenzen haben.

Nehmen Sie aber folgendes Beispiel: Unten bei der NORD/LB stünde eine Tankstelle. Ein Autofahrer mit seinem Pkw fährt in die Tankstelle. Das ganze Gebäude fällt in sich zusammen.

(Zuruf von der SPD: Darum ist da kei- ne Tankstelle!)

- Nein. Aber es gibt auch andere Komplexe, bei denen Sie als Autofahrer Höchstschäden anrichten können. Man weiß, man stößt an Leistungsgrenzen. Deswegen wird aber niemandem der Führerschein weggenommen.