Protocol of the Session on March 15, 2011

Ich möchte jetzt nicht noch einmal sämtliche Punkte aus diesem Papier zitieren. Aber ich denke, Sie hätten die Gelegenheit nutzen sollen, sich das einmal anzuschauen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt noch einige Anmerkungen zur abschließenden Beratung im Umweltausschuss vor drei Wochen.

Auf meine Nachfrage, was sich in den vergangenen Monaten in Berlin im Hinblick auf eine mögliche Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes aufgrund der Aussagen im Koalitionsvertrag getan hat, erfuhren wir von Herrn Ministerialrat Wilhelm aus dem niedersächsischen Umweltministerium, dass das BMU ein verfassungsrechtliches Gutachten bei Herrn Professor Dr. Degenhart von der Universität Leipzig in Auftrag gegeben hat und dass im Januar dieses Jahres ein Gutachtentext im BMU vorgelegt worden ist.

Trotz dieser Information und der Bitte - man kann auch sagen: der Forderung - der Opposition, sich vor Abschluss der Debatte um diesen Entschließungsantrag erst über die Ergebnisse des Gutachtens informieren zu lassen, hat der CDU-Sprecher die sofortige Abstimmung beantragt.

Ich habe mich am 21. Februar gefragt: Warum eigentlich diese hektische Eile? - Herr Bäumer, da

hatte ich einen Verdacht: Wollten Sie von den Regierungsfraktionen diesen Antrag deshalb durchpeitschen, weil Sie Angst vor den Ergebnissen dieses Gutachtens hatten?

(Martin Bäumer [CDU]: Im Gegenteil!)

Ich habe anders als Sie nicht nur Äußerungen erfahren, sondern ich habe heute Morgen mit Herrn Professor Dr. Degenhart telefoniert.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Ein sehr guter Mann!)

Er hat mir mitgeteilt, er durfte das Papier noch nicht herausgeben. Das hat das BMU verhindert. Aber er hat, nachdem er einige Argumente angeführt hatte, das Fazit gezogen, dass er dringend davon abraten würde, Ersatzgeldzahlungen den anderen Kompensationsmaßnahmen gleichzustellen.

(Kurt Herzog [LINKE]: Hört, hört!)

Er hat u. a. gesagt,

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Dass genau solch eine Regelung ver- fassungsgemäß ist! - Glocke des Prä- sidenten)

das Kompensationsgebot würde durch diese Gleichstellung verwässert werden.

(Detlef Tanke [SPD]: Das ist euer An- trag!)

Eingriffe würden eher erleichtert werden, auch wenn - Herr Herzog hat es zu Recht gesagt - alle beklagen, dass der Flächenverbrauch zu groß ist.

(Ursula Körtner [CDU]: Was heißt denn „alle“?)

Wenn Sie diesen Verdacht zurückweisen wollen, Herr Bäumer, dass Sie vor den Ergebnissen der Studie Angst haben, dann bitte ich Sie, Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen und Ihre Kolleginnen und Kollegen von der FDP aufzufordern, den Antrag in den Fachausschuss zurückzuüberweisen, damit wir die Ergebnisse der Studie erfahren und dann auf einer fundierten Grundlage diesen Antrag ablehnen oder ihm zustimmen können.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Glocke des Präsidenten)

Sie haben das verhindert. Einen Antrag zu verabschieden und sich nachher über die Ergebnisse eines Gutachtens informieren zu lassen, die wir gebraucht hätten, um vernünftig entscheiden zu

können, ist aus meiner Sicht regelrecht Schwachsinn!

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, den Standpunkt der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilt uns der Kollege Meyer mit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bäumer, es ist wieder einmal eine Falschbehauptung von Ihnen, mit Ihrem Vorschlag würde der Naturschutz im Lande aufgewertet. Das Gegenteil ist der Fall.

Sie legen erstens die Axt an die natürlichen Lebensgrundlagen. Das hat Ihnen der NABU schon bei der ersten Beratung gesagt. Ihr Vorschlag ist zweitens verfassungswidrig und nicht umsetzbar.

Das sage nicht nur ich, sondern das sagt auch der echte Professor Dr. Christoph Degenhart,

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Nein, eben nicht! Das stimmt nicht!)

der für die Bundesregierung die Forderung aus dem Koalitionsvertrag rechtlich bewertet hat. Ich habe zwar nicht das Gutachten, aber den Vermerk aus dem BMU, aus dem ich gerne zitieren möchte. Er besagt, das Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass eine Gleichstellung von Ersatzgeld und Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung verfassungsrechtlich unzulässig sei und im Übrigen das Konzept der Ökokonten schwächen würde.

(Jens Nacke [CDU]: Halten Sie es doch einmal hoch! Das machen Sie doch so gern! - Ulf Thiele [CDU]: Herr Meyer, können wir das einmal se- hen?)

Professor Degenhart kommt ganz klar zu diesem Schluss. Dabei bezieht er sich auf das materielle Verschlechterungsverbot in Artikel 20 a des Grundgesetzes. Eine Gleichstellung der Ersatzgeldzahlung stünde in mehrfacher Hinsicht in Widerspruch zu dem in Artikel 20 a des Grundgesetzes enthaltenen materiellen Verschlechterungsverbot beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.

Das kann auch inhaltlich begründet werden. Das BMU tut dies. Erstens würde das Verursacherprinzip durch Entlassung des Verursachers aus seiner Verantwortung, selbst für eine Durchführung und Planung von Ausgleichsmaßnahmen zu sorgen, ausgehöhlt. Zweitens würde die Geldzahlung zu einer Aufgabe des räumlich-funktionalen Zusammenhangs der Naturzerstörung mit dem Ausgleich führen.

Die Akzeptanz der Bevölkerung würde sinken, wenn man Ihrem Vorschlag folgen würde. Denn wenn etwa in der Umgebung von Leer ein Naherholungsgebiet für eine Autobahn zerstört würde, hätte man bisher in der Umgebung von Leer eine Fläche suchen müssen, um ein Naherholungsgebiet wiederherzustellen. Wenn es nach Ihnen ginge, könnte man in Leer ein Naherholungsgebiet zerstören und dann Geld etwa in den Landkreis Göttingen geben, um dort irgendwelche Pflegemaßnahmen zu erbringen. Damit ist der Zusammenhang zwischen Zerstörung der Natur und Ausgleich nicht mehr gegeben.

(Ingrid Klopp [CDU]: Herr Meyer, das ist völlig falsch!)

Bei Ihrer Gleichstellung entfällt auch die Abwägung zwischen der Notwendigkeit des Eingriffs und dem Ausgleich. Das ist verfassungsrechtlich unzulässig.

Alle diese Argumente führt das Bundesumweltministerium auf. Der Vermerk ist vom 19. Januar 2011. Das Bundesumweltministerium von Herrn Röttgen führt auch auf, dass Sie drittens noch für zusätzliche Bürokratie sorgen, weil Sie die Kommunalverwaltungen damit erheblich belasten, die personell bereits unterbesetzt sind. Denn nach Ihrem Vorschlag müssen die unteren Naturschutzbehörden mit erheblichem Verwaltungsaufwand anstelle des Verursachers für Ausgleichsleistungen sorgen.

Viertens hat das BMU angesprochen, dass die Gefahr einer Zweckentfremdung der Mittel aus dem Ersatzgeld besteht. Das BMU warnt explizit vor dem Missbrauch der Gelder für eigene Naturschutzausgaben der Länder, etwa für Grünbrücken an Autobahnen oder für Arbeiten in Naturparken, Herr Bäumer. Sinnvoller wäre daher das von uns Grünen und auch von Industrieverbänden in den Anhörungen zum Naturschutzgesetz vorgeschlagene Ökokonto oder die Ökoflächenpools. Das steht übrigens auch in Ihrem Koalitionsvertrag. Es ist ein Wunder, dass Sie das hier nicht begrüßen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dafür könnten Sie offensiv werben. Das wäre wirklich etwas, was den Naturschutz qualitativ und quantitativ verbessern würde.

Deshalb schließen wir uns schlussendlich der Meinung der Experten des Bundesumweltministeriums an. Der Vorschlag ist verfassungswidrig, bürokratisch und bedeutet eine Verschlechterung für die Natur. Dem können wir nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, eine letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt liegt mir vom Kollegen Herrn Dr. Hocker von der FDP-Fraktion vor.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Meyer, ich kann die Aufregung, die wir heute wieder erleben dürfen oder müssen, nicht ganz verstehen. Ich zitiere aus der Seite 19 des Koalitionsvertrages zwischen CDU und FDP. Da heißt es:

„Die Koalitionspartner treten für eine Novellierung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes unter Verwendung landesspezifischer Regelungsmöglichkeiten ein. Ziel ist in erster Linie die Stärkung des pragmatischen Instruments der Ersatzgeldzahlungen als Ausgleich für Eingriffsfolgen in den Naturschutzvorschriften.“

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Jeder weiß, dass das die Arbeitsgrundlage von CDU und FDP ist. Ich kann deswegen die Aufregung darüber nicht nachvollziehen, dass wir nach der Wahl das machen, was wir vor der Wahl gesagt haben, und dass wir das umsetzen, worauf wir uns verständigt haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das ist der Wählerauftrag, den wir in Niedersachsen bekommen haben. Das ist auch der Auftrag des Wählers in Berlin. Daran fühlen wir uns gebunden.

Meine Damen und Herren, wer sich mit Naturschutz auskennt, der weiß, dass bestimmte Spezies einen ausreichend großen Lebensraum benötigen, um sich entwickeln zu können. Das ist hilf

reich, damit der Bestand nicht nur gewahrt werden kann, sondern damit er sich auch vergrößern kann.