Meine Damen und Herren, vielleicht habe ich am Ende einen versöhnlichen Vorschlag. Denn wir sind - das sollten wir zugeben - in der Sache gemeinsam unterwegs, wenn auch mit ein paar unterschiedlichen Grundsatzpositionen. Es lohnt sich immer wieder, zu versuchen, diesen Weg, der für viele Menschen im Schulwesen wichtig und interessant ist, miteinander zu bestreiten.
Im letzten Tagungsabschnitt des Landtages - das ist gerade einmal sieben Wochen her - haben wir mit überzeugender Mehrheit, in Teilen auch mit Ihrer Zustimmung - Schulvorstand usw. -, das Gesetz zur Einführung der Eigenverantwortlichen Schule verabschiedet. Es tritt am 1. August 2007 und nicht morgen früh in Kraft.
Die Grünen hatten einen klasse Gesetzentwurf vorgelegt. Auch vonseiten der SPD-Fraktion kamen bestimmte Anregungen. Wir haben dieses Gesetz miteinander entwickelt. Damit sind entscheidende Weichen für eine nachhaltige Qualitätsentwicklung und eine Verbesserung der schulischen Arbeit gestellt. Unsere Schulen werden zukünftig wesentliche Teile des Lernens und des Schullebens in eigener Verantwortung gestalten. Sie sind verpflichtet, z. B. sich ein Schulprogramm zu geben und ein umfassendes Qualitätsmanagement einzuführen, um ihre Arbeit regelmäßig zu überprüfen und zu verbessern. Gleichzeitig werden die erbrachten Leistungen und Ergebnisse regelmäßig von außen überprüft und Beratungsressourcen zur Verfügung gestellt.
Bei einigen Grundsatzpositionen - in der Frage des gänzlichen Abschaffens des Sitzenbleibens oder beim Verzicht auf Noten - werden wir nicht zusammenkommen.
In diesem Zusammenhang verstehe ich die Sozialdemokraten nicht. Warum sind Sie so erpicht darauf, die wenigen Urheberrechte, die Sie bei der Entwicklung dieses Gesetzentwurfes eingebracht haben, zu verspielen und so zu tun, als hätten Sie damit gar nichts zu tun? - Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken.
Meine Damen und Herren, bei aller Eigenverantwortung und Deregulierung werden die Schulen aber keineswegs der Beliebigkeit überlassen. Es kann nicht jeder machen, was er will. Ich unterstreiche noch einmal: Schule in Niedersachsen bleibt staatlich verantwortet. Das Land behält seine Gestaltungs-, Ergebnis- und Ressourcenverantwortlichkeit. Das Grundmodell ist: Der Staat setzt die Bildungsstandards und gibt hinreichend Ressourcen. Die Schule hat möglichst viel Freiheit, die Ziele zu erreichen. Aber der Staat muss ihr unterstützend zur Seite stehen und mit einem gewissen Kontrollmechanismus gucken, wo die Steuergelder bleiben und welche Ergebnisse herauskommen.
Das ist ein kompliziertes Werk, das man nicht mal eben aus der Hüfte schießt. Schule kann nicht sozusagen über Nacht zur Eigenverantwortlichen Schule gemacht werden. Das ist eine Entwicklung, bei der man viele Leute mitnehmen muss. Zu Pro und Kontra werde ich nachher noch etwas sagen.
Es ist vernünftig, dass die Schulen selber das Tempo bestimmen. Nicht ewig mit Fristen zu arbeiten, nimmt Druck aus dem Schulwesen. Die Schulen sollen dabei die Erfahrungen der beiden Bildungsregionen im Hinblick auf Eigenverantwortlichkeit als zentrales Steuerungsinstrument nutzen.
Wir werden unsere Schulen auf diesem Weg intensiv begleiten. Die Qualifizierung von 2 000 Schulleiterinnen und Schulleitern als Vorgesetzte in der Schule hat schon begonnen. Unterrichtsentwickler und Schulentwicklungsberater werden
Bei der Deregulierung müssen wir den Umfang des Gesamtpaketes gründlich prüfen. Es geht um die Regelung komplizierter dienstrechtlicher Belange. Es geht um die Übertragung von Aufgaben. Es geht um Haftungsfragen. Es geht um die Eröffnung pädagogischer Freiräume sowie die eigenständige Steuerung vieler Bereiche. Das will allemal zügig, aber bitte sehr mit Bedacht gemacht sein.
Eine erste Liste von Erlassen, die entweder entfallen oder ganz bzw. teilweise in die Gestaltungsfreiheit der Schulen gegeben werden sollen, habe ich schon im April dieses Jahres veröffentlicht. Bei sechs Erlassen haben wir gesagt, dass sie gänzlich entfallen können; es geht um Rahmenrichtlinien, bilingualen Unterricht usw.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Einen Teil davon haben Sie doch erst kurz vor- her in Kraft gesetzt, um sie dann streichen zu können!)
30 Erlasse - von der Unterrichtsorganisation bis hin zu Sicherheitsfragen - können sozusagen in die Verfügung der Schulen gestellt werden. Weitere 13 Erlasse - es handelt sich im Wesentlichen um Grundsatzerlasse - können wir auch im Sinne von mehr Verantwortung bei den Schulen belassen. Wenn Sie wollen, lese ich die Liste vor.
Ich habe damals auch gesagt, dass diese Liste durch Erfahrungen in den ca. 200 Schulen des Projekts „Erweiterte Eigenverantwortung in Schulen und Qualitätsvergleiche in Bildungsregionen und Netzwerken“ noch erweitert werden können.
Frau Korter, diese Schulen dürfen bereits seit Beginn des Projekts z. B. in den Bereichen Gestaltung der Stundentafel, Unterrichtsorganisation, Schulfahrten, Organisation der schulinternen Lehrerfortbildung und Zusammenarbeit mit anderen Schulen und Schulformen eigene, neue Wege gehen. Sie können seit Beginn des Schuljahres - Sie haben am 29. August den Antrag geschrieben; Sie müssen Ihre Antragsverfasser mal ein bisschen herannehmen, damit sie wissen, was an den Schulen wirklich läuft - über die in der Liste veröffentlichten Erlasse hinaus Vorschläge für die Freigabe weitere Vorschriften machen.
Erlasse, die Elternrechte oder die Rechte der Schulträger betreffen, habe ich noch nicht angetastet. Das sage ich hier zum 20. Mal - das tue ich auch in der Öffentlichkeit -: Elternvertreter, Schulträger, wo sind eure Vorschläge zur Deregulierung? Ich stehe bereit. Her damit! Was können wir vielleicht auch da noch entbehrlich machen?
Meine Damen und Herren, noch einmal zu dem, was bereits möglich ist. Sie sehen, dass einige Forderungen von Ihnen, Frau Korter, bereits in die Realität umgesetzt sind: Die Möglichkeit, Unterricht fächerübergreifend und -verbindend zu organisieren, die Unterrichtsinhalte stärker an den Interessen von Schülerinnen und Schülern auszurichten oder aber auch künftig nach Kerncurricula und nicht mehr nach Rahmenrichtlinien zu arbeiten. Letzteres haben wir übrigens mit Ihnen gemeinsam im Schulgesetz festgeschrieben.
Das Kultusministerium beabsichtigt, den Schulen in Kürze insbesondere in Bezug auf Personalmaßnahmen weitere Kompetenzen zu übertragen. Ich biete an, das im Kultusausschuss miteinander zu besprechen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der gesamte personalrechtliche Bereich an den ProReKo-Schulen und im gesamten berufsbildenden Schulwesen hervorragend gehandhabt wird. Es hat keine Beschwerde zu Schuljahresbeginn gegeben. Technisch ist das alles hervorragend gelaufen. Das können wir für das ganze System entsprechend organisieren. Ein Jahr haben wir dafür Zeit. Das brauchen wir aber wohl nicht.
Zwei abschließende Bemerkungen. Im Hinblick auf das Thema Tempo mag sich jeder - ich gucke beide Seiten an - einmal überprüfen. Wir haben von der OECD den Hinweis bekommen - ich könnte mich lange mit Herrn Schleicher streiten -, Deutschland müsse wieder Gas geben, müsse schneller sein.
Herr Minister, ich unterbreche ganz kurz. - Wenn Deutschland wieder Gas geben muss, muss in diesem Raum aber zunächst einmal Ruhe eintreten, damit man verstehen kann, in welche Richtung wir Gas geben sollen. Der Minister hat eben gesagt - seine Redezeit ist überschritten -, dass er noch zwei Anmerkungen machen möchte.
Es wird also gesagt, wir sollten mehr Gas geben. Nun muss man einmal gucken, wie wir hier miteinander diskutieren. Es wird gesagt, der Kultusminister macht zu viel, er ist zu schnell usw. Hier stellen die Grünen Anträge, wir sollten mehr machen. Überprüfen Sie alle sich einmal! Wenn Sie bei Lehrerverbänden oder bestimmten Gruppierungen sitzen, dann bestätigen Sie flott, es geht alles zu schnell, man muss vom Gas gehen, man braucht ein bisschen mehr Zeit. - Dieser Konflikt muss miteinander ausgetragen werden. Da mag sich jeder überprüfen. Ich versuche, einen vernünftigen Weg zu gehen.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Was bleibt Ihnen übrig? - Walter Meinhold [SPD]: Oder wollen wir gleich abstimmen?)
Ich finde, einige Punkte sind es wert, übernommen zu werden, andere Punkte halte ich für nicht möglich. Wenn Sie im Ausschuss nicht zu viel Tempo machen, sondern den Antrag als Grundlage ansehen und begleitende Diskussionen ermöglichen, können wir in den zehn Monaten, in denen wir das alles regeln und noch vieles andere hineinpacken müssen, die bekannte fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Regierung, Ministerium, Parlament und Ausschuss fortsetzen, um da etwas Vernünftiges, Gemeinsames zu entwickeln. Vielleicht ist es möglich, Frau Korter, dass der Kultusminister Sie - ob Sie es glauben oder nicht - in manchen Punkten sogar toppt. - Danke schön.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Zu Wort gemeldet hat sich für die SPD-Fraktion Herr Kollege Jüttner. Sie haben noch drei Minuten Redezeit.
Das reicht dicke, Frau Präsidentin. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass der Kultusminister uns hier toppt, kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen,
Ich will noch einmal deutlich sagen, worum es bei dem Streit im Juli ging. Alle Fraktionen wollen, dass die Schulen mehr Selbständigkeit bekommen.
Sie haben dann eine Formulierung gefunden, die praktisch bedeutet: Die Schulen dürfen alles im Rahmen der eingeräumten Entscheidungsspielräume. Unser Eindruck war, dass diese eingeräumten Entscheidungsspielräume hinter dem zurückbleiben, was sachlich geboten ist. Das genau war die Kontroverse im Juli. Deshalb haben wir dem Gesetzentwurf die Zustimmung verweigert.
Es hat uns schon etwas überrascht, dass die Grünen, nachdem sie zugestimmt und daraufhin öffentlich Ärger gekriegt haben, jetzt gemerkt haben, dass man sich augenscheinlich nicht auf die eingeräumten Entscheidungsspielräume verlassen darf, sondern dass der Landtag beansprucht, die eingeräumten Entscheidungsspielräume hier selbst zu beschließen. Das war die Kontroverse.
Deshalb streiten wir über einige Details, aber wir sind uns darüber einig, Herr Busemann, dass die Tendenz richtig ist. Das ist überhaupt keine Frage. Daraus haben wir nie ein Hehl gemacht.